Dürfen Vorgesetzte ihre Frau betrügen?

Nicht alles, was Oracle-Chef Larry Ellison von sich gibt, zeugt von großer Weisheit. Manches ist einfach nur Mist. So wie seine Kritik am Aufsichtsrat von HP für dessen Entscheidung, CEO Marc Hurd nach seinen Verfehlungen in die Wüste zu schicken.

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Von
  • Damian Sicking

Larry Ellison, CEO, Oracle

(Bild: Oracle OpenWorld San Fancisco 2009)

Lieber Oracle-Chef Larry Ellison,

eigentlich wollte ich Ihnen schon letzte Woche schreiben, doch dann kam mir die Bekanntgabe der geplanten Fusion der beiden Großdistributoren Also und Actebis dazwischen, und ich musste erst noch meinen Senf dazu abgeben. Sie, lieber Herr Ellison, hatten ja auch Ihren Senf zu einer Sache abgegeben, nämlich zum Rausschmiss oder zum Rücktritt – auf Feinheiten kommt es hier nicht an – von HP-Chef Marc Hurd. In einer von vielen Medien zitierten E-Mail hatten Sie dazu gesagt: "Das HP-Board hat die schlimmste Personalentscheidung getroffen seit die Idioten im Apple-Direktorium Steve Jobs vor vielen Jahren gefeuert haben." Mit Verlaub, lieber Herr Ellison, aber das ist Bullshit und mit diesem Satz zeigen Sie eindringlich, wes Geistes Kind Sie sind.

Der Grund für Hurds Rausschmiss liegt ja nicht darin, dass er sich moralisch fragwürdig verhalten oder gegen eines der zehn biblischen Gebote verstoßen hat. Was Hurd getan hat, war, gegen firmeninterne Regeln verstoßen zu haben, Regeln, die er selbst eingesetzt und auf deren Einhaltung in der Belegschaft er sehr geachtet hat. Angesichts dessen hatte der Aufsichtsrat gar keine andere Möglichkeit, als Hurd vor die Tür zu setzen. Welches Signal hätte er andernfalls an die HP-Mitarbeiter überall auf der Welt gesandt: Die Regeln gelten für das gemeine Volk, in der Chefetage aber wird mit anderen Maßstäben gemessen. "Quod licet jovi, non licet bovi", hatten die Lateiner dazu gesagt, zu deutsch: "Was Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen noch lange nicht erlaubt." Der Rausschmiss von Hurd war somit konsequent und er war richtig. Eindeutig.

Sie selber, lieber Herr Ellison, scheinen anders zu denken. Wenn ich Sie richtig verstehe, sind Sie der Ansicht, dass Regeln zwar gut und notwendig sind, aber nur fürs Fußvolk in den Firmen (die Ochsen). Die Götter in den Chefetagen hingegen scheinen für Sie außerhalb solcher kleinlichen Verhaltenskodizes zu stehen. Meinen Sie das eigentlich wirklich so? Ein Vorgesetzter, der seinen Mitarbeitern Wasser predigt und selbst Wein trinkt, das finden Sie in Ordnung? Das kann nicht Ihr Ernst sein. Oder waren Sie krank, als Sie das gesagt hatten? Vielleicht liegt der Grund für Ihren Fauxpas ja darin, dass Sie sich an Bord Ihrer neuen, mehr als 100 Meter langen und 270 Millionen Dollar teuren Yacht "Rising Sun" die Sonne zu lange auf den Kopf haben scheinen lassen, bevor Sie diese E-Mail über den Hurd-Rausschmiss geschrieben hatten.

Es geht hier auch gar nicht um die grundsätzliche Frage, ob Vorgesetzte oder Führungskräfte in irgendeinem moralischen Sinn Vorbilder sein müssen oder nicht. Der Management-Berater und Buchautor Reinhard Sprenger hatte vor kurzem in einem Zeitschriftenartikel diese Frage gestellt und verneint. Vorgesetzte müssen sicher nicht, wie Sprenger sagt, "irgendwie bessere Menschen" sein (super, wenn sie es sind!). Aber wenn es zum Beispiel eine firmeninterne Regel gibt, dass für alle um acht Uhr morgens Arbeitsbeginn ist, dann muss natürlich jeder Vorgesetzte diese Regel vorbildlich einhalten und pünktlich am Platz sein. Findet er diese Regel blöd, kann er versuchen, sie zu ändern, aber so lange sie in Kraft ist, hat er sie einzuhalten. Ignoriert er sie, öffnet er Anarchie Tür und Tor.

Aber muss ein Vorgesetzter in dem Sinn Vorbild für seine Mitarbeiter sein, dass er nie bei Rot über die Straße geht, seine Frau niemals betrügt, ein Ehrenamt in einer karitativen Organisation übernimmt und den Ironman auf Hawaii als Daylight-Finisher absolviert? Toll, wenn man so einen Vorgesetzten hat, völlig klar. Aber als Anspruch an eine Führungskraft ist das doch ein bisschen viel verlangt. Auch Vorgesetzte sind nur Menschen und müssen in Bezug auf bestimmte Dinge zweifelsohne Vorbilder sein (zum Beispiel in Bezug auf Gewissenhaftigkeit, Professionalität, Kompetenz, Dialogfähigkeit, Hartnäckigkeit), aber Vorbilder im Großen und Ganzen? Da kann ich jeden Vorgesetzten verstehen, der bei dieser Forderung verständnislos abwinkt und nur lapidar sagt: "Bin ich Jesus?"

Zurück zum ehemaligen HP-Chef Marc Hurd. Auch Hurd muss natürlich nicht in irgendeinem Sinne ein besserer Mensch sein. Aber dass er ein Vorbild sein muss in dem Sinne, dass er die Regeln, die er selbst aufgestellt hat, aufs peinlichste befolgt und Konsequenzen zu ziehen hat, wenn er dies nicht tut, darüber kann doch gar nicht ernsthaft diskutiert werden.

Beste Grüße

Damian Sicking

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