Firmengründungen: Hier ist Optimismus wirklich oft der Mangel an Informationen

Firmengründer brauchen am Anfang neben dem Fachwissen vor allem Mut und Zuversicht. Wenn sie wüssten, was anschließend an Bürokratie auf sie zukommt, würde so manches Gründungsvorhaben begraben werden.

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Von
  • Damian Sicking

Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg

Lieber Bundeswirtschaftsminister Dr. Karl-Theodor zu Guttenberg,

im ersten Halbjahr 2009 wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes in Wiesbaden 353.200 Firmen in Deutschland neu gegründet. Das ist für die IT-Branche zunächst einmal vor allem eins: eine gute Nachricht. Denn fast alle dieser Firmen benötigen Hardware, Software, Service und Support.

Ohne die Gründungen sähe es schlecht aus, nicht nur für die IT-Branche, sondern insgesamt. Denn es haben im gleichen Zeitraum auch eine ganze Menge Firmen die Bücher zugeklappt: fast 300.000 nämlich, wie die Statistiker aus der hessischen Landeshauptstadt gezählt haben. Deutschland ist, wie andere Volkswirtschaften auch, in hohem Maße auf seine Gründer angewiesen. Da wäre es natürlich gut und sinnvoll, wenn man ihnen den Weg ebnet und ihnen bei ihrem Gründungsvorhaben so wenig Steine wie möglich in den Weg legt. Doch leider stehen wir hier noch ziemlich am Anfang. Die bürokratischen Anforderungen an die Jungunternehmer sind hoch. Man kann direkt von Glück von reden, dass die meisten keine Vorstellung davon haben, was im Zusammenhang mit ihrer Firmengründung und der Unternehmensführung an Papierkram auf sie zukommt.

Der Mitgründer und heutige Aufsichtsratschef des Systemhauses Bechtle, Gerhard Schick, sagte bei der 25-Jahr-Feier des Unternehmens im vergangenen Jahr auf die Frage, ob er heute noch einmal ein Unternehmen gründen würde: "Hätte ich damals schon gewusst, was da an Bürokratie auf mich zukommt, ich hätte Bechtle womöglich nicht gegründet."

In diesem Zusammenhang erreicht uns eine sehr interessante Information aus den Niederlanden. Dort gibt es seit einiger Zeit an den Hochschulen spezielle Kurse für junge Menschen, die ein Unternehmen gründen und sich selbstständig machen wollen. Jetzt haben Wissenschaftler herausgefunden, dass diese "Entrepreneurship-Kurse" bei zahlreichen Besuchern vor allem eins bewirkt hat: Sie gaben ihren Wunsch auf, ein Unternehmen zu gründen, und strebten lieber eine Anstellung in einem bestehenden Betrieb an. Die Kurse, die den Studenten also eigentlich Lust auf die Selbstständigkeit machen sollten, bewirkten bei vielen das Gegenteil. "Das Programm hat nicht den beabsichtigten Effekt", stellten die Forscher fest.

Was ist da passiert? Prof. Christine Volkmann vom Lehrstuhl für Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung an der Bergischen Universität Wuppertal, vermutet, dass die Studenten in den Kursen einfach einen realistischeren Blick auf das erhalten haben, was als Unternehmer später auf sie zukommt. Und das sei dann doch eher wenig ermutigend. Also eine Bestätigung dessen, was Bechtle-Aufsichtsratschef Schick sagte: Hätte ich vorher gewusst, was hinterher auf mich zukommt, hätte ich die Hände davon gelassen. Man kann es auch so sagen: Im Zusammenhang mit Firmengründungen scheint das Bonmot "Optimismus ist der Mangel an Informationen" wirklich noch seine Berechtigung zu haben.

Soll man also die Entrepreneurship-Kurse lieber abschaffen? Das wäre sicherlich der falsche Ansatzpunkt. Der richtige wäre, dass man den Gründungswilligen das Leben nicht unnötig erschwert. Entbürokratisierung ist das Stichwort. Lieber Herr zu Guttenberg, wie ich an dieser Stelle bereits vor ein paar Monaten geschrieben habe, ist die ausufernde Bürokratie nach wie vor eine Geißel für das Unternehmertum in Deutschland. Nach einer Veröffentlichung in der Wirtschaftswoche (Print-Ausgabe 08/09, S. 32) müssen die Unternehmen in Deutschland jedes Jahr rund 47 Milliarden Euro an Bürokratiekosten schultern, nur um den gesetzlichen Vorgaben des Bundes zu genügen. 47 Milliarden Euro! Über 9000 Nachweis-, Berichts- und Dokumentationspflichten sind zu erfüllen. Und es wird nicht weniger. Obwohl die Politiker gerne von der Notwendigkeit des Bürokaratieabbaus reden, geht’s hier nur im Schneckentempo voran. Wenn überhaupt. In einer Umfrage des Verbands der Familienunternehmer (ASU – Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer) sagten 85 Prozent der befragten Unternehmen, sie hätten von einem Abbau der Bürokratie noch nichts gemerkt. 59 Prozent der Firmen gaben sogar an, dass sich ihr bürokratischer Aufwand in den vergangenen zwei Jahren erhöht habe. Lediglich 5 (!) Prozent der 500 befragten Firmen sagten, ihr Bürokratieaufwand habe sich "etwas" oder "deutlich"verringert.

Keine Gnade auch für Firmengründer: Sie müssen für die Erledigung aller Formalitäten 24 Tage budgetieren (in denen sie naturgemäß kein Geschäft machen können) und lernen dabei neun verschiedene Behörden kennen. Hallo?! Finden Sie das in Ordnung? Also ich für meinen Teil finde, dass vor diesem Hintergrund die 353.200 Firmengründungen im ersten Halbjahr eine unglaublich hohe Zahl sind. Lieber Herr zu Guttenberg, nicht dass ich glaube, dass Sie es schaffen, den Bürokratismus erfolgreich zu bekämpfen, das hat ja nicht einmal Wolfgang Clement in seiner Amtszeit geschafft, und der war sogar Superminister, während Sie ja nur ein einfacher Wirtschaftsminister sind. Aber ich denke, es schadet nichts, immer wieder darauf hinzuweisen, dass Sie hier noch eine Baustelle haben. Sie oder Ihr Nachfolger nach der Bundestagswahl am 27. September.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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