IT-Distribution: Während es in Linden regnet, scheint in Trier die Sonne

Die Mitarbeiter des Distributors COS in Linden blicken nach dem Insolvenzantrag mit Sorgen, die des Systemhauses IT-Haus in Föhren bei Trier blicken nach dem ersten Dell-Distributionsvertrag mit Freude in die Zukunft.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber IT-Haus-Geschäftsführer Ulrich Simon,

sicher haben Sie das Drama um den Distributor COS mitbekommen. Nur eine Woche nach dem Verkauf der COS mitsamt der Muttergesellschaft Tiscon an den unbekannten russischen Investor KCK Associates und seine deutsche Tochter Greengold, stellt COS Insolvenzantrag. Ebenfalls betroffen: die COS-Schwestergesellschaft E-Logistics (Primustronix).

Eine seltsame, eine eigenartige Geschichte. Was ich besonders eigenartig finde, ist, dass die Verantwortlichen auf Seiten der Altgesellschafter, also der Vorstand der Beteiligungsgesellschaft Arques, wie auch der Ex-Tiscon- und COS-Vorstand Michael Krings jetzt aus allen Wolken fallen und überrascht und fassungslos darüber sind, dass der russische Neugesellschafter COS über die Klinge springen läßt. Eigenartig ist dies nämlich aus dem Grunde, dass die Beteiligten am Geschehen von dieser Entwicklung sehr überrascht sind, unbeteiligte Marktbeobachter und Branchen-Kenner hingegen nicht.

So fragten wir von heise resale uns nach der Bekanntgabe des Tiscon-Verkaufs, was ein Investor, der von der IT-Branche und speziell von der IT-Distribution "so viel Ahnung hat wie die Kuh vom Sonntag)", mit dem Distributor COS vorhabe. Eine "strategische Komponente, eine unternehmerische Vision" jedenfalls konnten wir nicht erkennen. Und dass dann auch noch mit dem Greengold-Chef Hans Halbach ein Mann den Vorstandsposten bei Tiscon/COS übernahm, der von der IT-Branche ebenso viel versteht wie die bereits erwähnte Kuh, ließ ebenfalls nichts Gutes ahnen. Daher gaben wir damals auch unserer Kolumne die Überschrift "COS/Tiscon nach dem Verkauf vor ungewissem Schicksal".

Natürlich steht jetzt auch der Vorstand von Arques in einem schlechten Licht da. Zu Recht. Vielleicht haben die Arques-Leute sogar den Beteuerungen der Russen geglaubt, dass diese die Firmen weiterführen und das dringend benötigte Geld zur Liquiditätssicherung zur Verfügung stellen wollten. Aber dann haben sie es geglaubt, weil sie es glauben wollten. Denn sicher waren sie froh, jemanden gefunden zu haben, der ihnen das Problem Tiscon/COS vom Hals schaffte.

Lieber Herr Simon, warum schreibe ich Ihnen das? Ganz einfach, weil Sie als einer der Geschäftsführer des "Neu-Distributors" IT-Haus zweifelsohne ein ganz besonderes Interesse am Distributionsgeschehen haben werden. Sie dürfen sich seit letzter Woche Deutschlands erster Dell-Distributor nennen. Also nicht die weltweit operierenden Distributionsriesen Tech Data oder Ingram Micro, sondern das Unternehmen IT-Haus in Föhren bei Trier mit rund 100 Mitarbeitern und zirka 55 Millionen Euro Umsatz. Ich denke, da darf man durchaus graturlieren.

Es ist für Sie und auch für Dell ein Start in eine neue Phase. Denn das IT-Haus hat keine Erfahrungen als Distributor (in Ihrer Unternehmensbeschreibung bezeichnen Sie sich selbst als Systemhaus oder als "Handels- und Systemhaus"), und Dell hat ebenfalls keine Erfahrungen mit dem zweistufigen Vertrieb über Groß- bzw. Zwischenhändler. Die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Dell ist auf das Druckersegment begrenzt, was Sinn macht; zum einen, um überhaupt erst mal Distribution zu lernen, und zum anderen, weil IT-Haus über eine ausgewiesene Kompetenz im Bereich Drucken verfügt. Besondere Beachtung erhielten Sie dadurch, dass IT-Haus seit 2005 alleiniger Lieferant der Deutschen Bahn für Druckerverbrauchsmaterial ist. Im Jahr 2006 wurde Ihr Unternehmen von der DB sogar als Lieferant des Jahres ausgezeichnet.

Während man bei COS in Linden also derzeit sehr deprimiert ist, sind Sie und Ihre Mitarbeiter richtig gut drauf. Während über Linden eine dunkle Wolke hängt, lacht bei Ihnen am Himmel die Sonne. Aus Anlass des zehnjährigen Bestehens erklärten Sie und Ihre Geschäftsführerkollegen im vergangenen Jahr, den Umsatz bis zum Jahr 2012 auf über 100 Mio Euro verdoppeln zu wollen. Jetzt, mit dem Distributionsvertrag von Dell in der Tasche, haben Sie Ihre Planung vermutlich schon nach oben angepasst.

Beste Grüße

Damian Sicking

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