Kolumne: "Orkan Uli" fegt durch die Gebäude von LG in Willich

Seit Dezember 2008 ist Uli Kemp als COO bei LG in Willich im Amt. "Die Firma steht in Deutschland nicht da, wo sie stehen müsste", sagt er im Gespräch mit Heise-resale-Kolumnist Damian Sicking. Er hat schon angefangen, dies zu ändern.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

LCD-TV von LG: 43 Prozent Umsatzplus geplant.

(Bild: LG)

Liebe Vertriebspartner und Wettbewerber des IT-Anbieters LG in Deutschland,

von unserem ehemaligen, vielreisenden Außenminister Hans-Dietrich Genscher gibt es folgenden Witz: "Zwei Flugzeuge begegnen sich in der Luft. In beiden sitzt Genscher." Sehr busy und viel unterwegs ist auch der frisch gebackene Chief Operation Officer (COO) des IT-Anbieters LG Electronics Deutschland GmbH, Ulrich Kemp, genannt Uli. Am ehesten trifft man ihn an einem der großen Flughäfen wie etwa in München letzte Woche. Natürlich hatte er nicht viel Zeit, 45 Minuten mussten reichen für die dringendsten Fragen. Nicht ganz einfach, denn Kemp ist locker in der Lage, zu einer einzigen Frage 45 Minuten etwas zu sagen. Der Mann steht nach seiner fast einjährigen Auszeit schon wieder stark unter Strom und macht einen sehr fitten Eindruck. Er hat deutlich Körpergewicht abgebaut, rund 50 Kilo, wie er sagt. Ein paar Kilo will er noch weiter abspecken. "Aber ein Schmetterling wird aus mir nie", grinst Kemp. Muss ja auch nicht, oder?

Da ich Grund zu der Annahme habe, dass Sie, liebe LG-Vertriebspartner und -Wettbewerber, sich dafür interessieren, was der neue starke Mann bei LG Deutschland zu sagen hat und welche Ziele er verfolgt, fasse ich das Gespräch hier mal in aller machbaren Kürze zusammen.

1. Zur Situation von LG, wie sie der neue LG-Manager im Dezember vorgefunden hat: Die Entwicklung von LG in den letzten beiden Jahr war nach Angaben von Kemp "nicht nur positiv". Die Firma hat ihr Potenzial bei Weitem nicht ausgeschöpft, was nicht an den Produkten liegt. Es gab zu viele personelle Wechsel, auch im Management. Das Marketing war nicht existent. Das Thema Liefertreue lag im Argen. Die Stimmung in der Mannschaft war nicht gut, um nur ein paar Punkte zu nennen. Der Umsatz müsste viel höher liegen als bei den realisierten rund 670 Millionen Euro, irgendwo bei 1 bis 1,5 Milliarden Euro.

2. Wo ist der dringendste Handlungsbedarf? Antwort Kemp: "Überall!" Kemp sagt, dass er keine Zeit hat, eine Baustelle nach der anderen abzuarbeiten, das würde viel zu lange dauern. Alles muss parallel, gleichzeitig und zügig angepackt werden. Daher hat er auch schon wieder eine 80-Stunden-Woche. So jemanden wie Kemp haben die Leute bei LG in Willich bisher noch nicht erlebt. Da weht kein frischer Wind, da fegt ein Orkan durch das Gebäude. "In den vergangenen sechs Wochen ist bei LG so viel passiert wie in den vorausgegangenen zwei Jahren nicht", sagt er. Das liege aber nicht nur an der Person Uli Kemp, sondern auch an der neu geschaffenen Position mit mehr Kompetenzen. "Ich habe die Freiheit, Dinge zu entscheiden, die andere vor mir nicht hatten", sagt er.

Das Feedback der rund 280 Mitarbeiter sei bislang positiv. "Die haben darauf gewartet, dass endlich etwas passiert. Viele saßen schon auf gepackten Koffern. Jetzt sind sie wieder heiß und brennen", freut sich Kemp. Offenbar zeigt "Orkan Uli" bereits erste Wirkungen, die sich auch in Zahlen ablesen lassen. "Als ich kam, sah es für den Dezember noch ziemlich schlecht aus. Am Ende haben wir ihn mit 104 Prozent Zielerreichung abgeschlossen. Auch der Januar wird nicht schlecht", klopfte sich Kemp selbst auf die Schulter. Welche Knöpfe er in der kurzen Zeit gedrückt hat, um diesen Turnaround zu schaffen, wollte er aber nicht verraten. "Betriebsgeheimnis", grinste er.

3. Was sind die Ziele? Mit LGs Europachef James Kim hat Kemp bereits um eine Flasche Rotwein gewettet, dass LG Deutschland in kurzer Zeit die größte LG-Einheit in Europa wird. In wie kurzer Zeit, wollte Kemp allerdings nicht verraten, nur so viel: fünf Jahre sind zu lang. Heute liegt Willich an vierter oder fünfter Stelle. Der Umsatz muss dafür auf mindestens 1,5 Milliarden Euro ansteigen. Den Einwand, dass eine flasche Rotwein doch eher ein bescheidener Einsatz sei, wischt er vom Tisch: "So eine Flasche kann ganz schön ins Geld gehen."

4. LG erzielt gegenwärtig 85 bis 90 Prozent des Umsatzes im Consumer-Business (BtC) und nur 10 bis 15 Prozent im Geschäft mit gewerblichen Kunden (BtB). Das wird nach Angaben von Kemp im Großen und Ganzen auch so bleiben.

5. Was hat der Channel von LG zu erwarten? Die gute Nachricht für den Channel ist, dass die Zusammenarbeit mit LG einfacher werden soll. Allerdings wird hier die Welt nicht über Nacht neu erfunden. "Es wird keinen radikalen Umbau geben", sagt Kemp. Und sechs Monate könne es schon dauern, bis der Händler am Point of Sale substanzielle Verbesserungen spürt. Kurzfristig steht auf seiner Agenda, sich stärker als früher auf den Sell-out, also den Abverkauf aus dem Handel, zu konzentrieren, und weniger auf den Sell-in. Marketing ist in diesem Zusammenhang eines der Themen.

6. Das konjunkturelle Umfeld ist für ein Durchstarten und große Umsatzsteigerungen ja nicht optimal. Plant er 2009 mit Wachstum? Bei dieser Frage bricht Kemp in lautstarkes Lachen aus, sodass sich die Köpfe an den Nachbartischen interessiert zu uns drehen. "Allerdings", sagt er endlich, "und nicht zu knapp." Allein im Bereich LCD-TV will er in diesem Jahr 43 Prozent mehr umsetzen als im vergangenen Jahr. Allerdings, muss man gerechterweise sagen, hat sich LG bei LCD-TVs im Jahr 2008 auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert und Marktanteile verloren.

7. Die Koreaner gelten für viele europäische Manager als extrem gewöhnungsbedürftig. Ihr Umgang gilt, gelinde gesagt, als rustikal. Nicht-Koreaner stehen eine Stufe niedriger und werden auch so behandelt. Wie waren die ersten Wochen für Kemp? Der LG-COO sagt, dass bei LG derzeit ein Veränderungsprozess im Gange ist. Zwar sitzt im koreanischen Headquarter mit Young Nam noch immer ein Einheimischer auf dem Chefsessel, aber seitdem Nam im Januar 2007 das Amt übernommen hat, verändert sich die Firma. Unter anderem hat Firmenchef Nam beschlossen, dass in den Ländern, in denen LG geschäftlich aktiv ist, die Geschäftsführer aus dem jeweiligen Land kommen sollen. In einigen euroäischen Ländern sei es bereits zu einer Wachablösung gekommen und der bisherige koreanische Chef in die Heimat gereist. Auch für ihn, Kemp, ist die Beförderung zum CEO von Deutschland bereits beschlossene Sache. Offen ist nur der Zeitpunkt. Doch wohl spätestens dann, wenn er die Flasche Rotwein gewonnen hat? "Das ist mir zu spät", lächelt er, schnappt sich Tasche und Mantel und eilt zum Lufthansa-Abfertigungsschalter.

So weit zu meinem Gespräch mit Uli Kemp. Bin gespannt, was weiter passiert. Sie sicher auch.

Beste Grüße

Damian Sicking

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