Kolumne: Zum Vorstandswechsel beim Systemhaus Bechtle

Wenn Bechtle-Gründer Ralf Klenk von Bord geht, dann ist dies nicht einfach ein Wechsel im Vorstand, sondern eine Zäsur in der Unternehmensgeschichte. Völlig klar, dass Heise-resale-Kolumnist Damian Sicking diesen Vorgang nicht unkommentiert lassen kann.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

Designierter Bechtle-Chef Dr. Thomas Olemotz

(Bild: Bechtle)

Lieber zukünftiger Bechtle-Chef Dr. Thomas Olemotz,

Bechtle steht nicht gerade im Verdacht, als dasjenige Unternehmen ins Guiness Buch der Rekorde zu wollen, welches die meisten Pressemitteilungen verschickt. In Wahrheit gehen die Schwaben mit Informationen zu ihrem Haus so um, wie es ihrer Natur entspricht: sparsam. Die Folge davon ist, dass man jede Presseinfo aus Neckarsulm aufmerksam zur Kenntnis nimmt, auch wenn die Überschrift harmlos erscheint. Wie zum Beispiel diejenige, die das Unternehmen am Mittwoch Abend verschickte: "Bechtle AG schließt Neugestaltung der Konzernstruktur mit erweitertem Holding-Vorstand ab." Hinter dieser sehr amtlich daherkommenden Überschrift verbirgt sich nichts anderes als eine Zäsur in der Geschichte des Unternehmens: Firmengründer und Vorstandsvorsitzender Ralf Klenk geht nach 25-jähriger Betriebszugehörigkeit von Bord und übergibt das Steuer in andere Hände! Das ist wahre Headline.

Nun mag der eine oder andere Außenstehende die Augenbraue hochziehen und sagen: "Wie, der Kerl ist doch erst 50, da hört er schon auf? Ist das vielleicht doch nicht so ganz freiwillig?" Dieser Einwand aber ist ungerechtfertigt. Zum einen steht das Unternehmen vergleichweise gut da: In den ersten neun Monaten stiegen die Umsätze in einem zunehmend schwierigeren konjunkturellen Umfeld um 5,4 auf über eine Milliarde Euro an, der Gewinn nach Steuern verbesserte sich sogar um 16,4 Prozent auf mehr als 30 Millionen Euro. Zum anderen liegen die Gründe für Klenks Entscheidung im Wesentlichen im privaten und familiären Bereich. So möchte Klenk, der vor einigen Jahren zusammen mit seiner Familie einen schweren Schicksalsschlag verkraften musste, in Zukunft sein soziales und karitatives Engagement verstärken. Darüber hinaus hat der passionierte Marathonläufer und Bergsteiger noch ein paar Ziele und Träume, die sich als Chef eines 4.000-Mitarbeiter-Unternehmens mit einer 70- oder 80-Stunden-Woche nicht verwirklichen lassen. Zumindest nicht, wenn man den Job so macht, wie Klenk es immer getan hat: Zu 100 Prozent.

Ganz oder gar nicht – dazu passt auch die Entscheidung des scheidenden Vorstandsvorsitzenden, nicht in den Aufsichtsrat zu wechseln. "Das wäre nicht gut. Vor allem will ich das dem neuen Führungsgremium nicht antun", sagte mir Klenk in einem Telefongespräch gestern Vormittag. Allerdings werde er, soweit sinnvoll und gewünscht, den Übergangsprozess begleiten. Offiziell scheidet er Ende dieses Monat aus dem Unternehmen aus. Sicher für alle, die mit dem Unternehmen Bechtle als langjährige Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten zu tun haben, eine Vorstellung, an die man sich erst gewöhnen muss.

In Zukunft wird Bechtle von einem Trio geführt, welches aus Ihnen, lieber Herr Dr. Olemotz, Michael Guschlbauer und Jürgen Schäfer besteht. Dass mit Ihnen ein gelernter "Finanzer" die Sprecherfunktion übernimmt, mag ebenfalls den einen oder anderen verwundern, macht aber Sinn. Denn Sie sind sozusagen der Unparteiische zwischen den beiden operativen Bechtle-Standbeinen Systemhaus & Managed Services (Ressortverantwortlicher: Guschlbaur) auf der einen und E-Commerce (Schäfer) auf der anderen Seite. Sie sind jetzt seit zwei Jahren als Finanzvorstnd bei Bechtle im Amt, so dass ausreichend Zeit bestand, sich gegenseitig kennen zu lernen. Das gilt erst recht für Jürgen Schäfer, der bereits 20 Jahre Bechtle-Erfahrung auf dem Buckel hat und das E-Commerce-Geschäft aufgebaut hat. Dagegen ist Michael Guschlbaur direkt noch ein Frischling. Er kam erst im Januar dieses Jahres zu Bechtle, bringt aber aus seiner Zeit bei T-Systems enorme Kompetenzen in einem Gebiet mit, welches für Bechtle von enormer Wichtigkeit ist: Managed Services und insgesamt das Dienstleistungsgeschäft. Außerdem ist der passionierte Triathlet und mehrfacher Ironman-Finisher einfach ein guter Typ.

Insofern ist der neue Bechtle-Vorstand von den Kompetenzen sehr gut zusammengesetzt und wird vermutlich auch gut harmonieren. Das muss er auch, denn die Herausforderungen werden durch den Ausstieg von Ralf Klenk natürlich nicht geringer.

Die wesentlichen Herausforderungen sind aus meiner Sicht:

  • Die Tranformation vom Boxmover zum Dienstleistungsanbieter muss weiter voran getrieben werden. Zwar ist Bechtle in den vergangenen Jahren auf diesem Gebiet schon weiter vorangekommen, als von außen oft wahrgenommen, aber es liegt noch ein gutes Stück Wegstrecke vor ihnen. Dies ist ganz wesentlich der Job von Michael Guschlbaur.
  • Im E-Commerce-Business muss die Internationalisierung weiter gehen. In Irland ist in diesem Jahr eine neue Landesgesellschaft eröffnet worden, inzwischen die zehnte Auslandstochter. Als nächstes Land steht Portugal auf der Liste. Die äußeren Rahmenbedingungen werden noch anspruchsvoller.
  • Um die ambitionierten Ziele zu erreichen (2 Mrd. Umsatz bis 2010, 5 Mrd. Bis 2020) benötigt Bechtle die richtigen und kompetenten Mitarbeiter auf allen Hierarchieebenen. Mit der "Bechtle-Akademie" hat man bereits vor einigen Jahren die interne Aus- und Weiterbildung aufgenommen. In diesem Jahr ist ein Mangement-Development-Programm zur Aus- und Fortbildung des internen Führungsnachwuchses entwickelt worden. Aber Bechtle braucht auch Zufluss von außen. Hier steht das Unternehmen im Wettbewerb nicht nur mit den "Big Brands" der IT-Branche wie IBM, HP, SAP, Accenture und natürlich auch Computacenter, sondern eigentlich mit allen großen Arbeitgebern. Es gilt damit, das Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber noch bekannter zu machen (und es natürlich auch zu sein).
  • Die letzte große Herausforderung ist eigentlich eine alte, trotzdem aber vielleicht sogar die größte: Nämlich immer wieder die erfolgreiche Synthese von Zentralität und Dezentralität zu schaffen. Jeder Geschäftsführer an den einzelnen Bechtle-Standorten ist für sein Geschäft voll verantwortlich. Dies ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor des Unternehmens. Damit verbunden ist allerdings, dass jeder Geschäftsführer naturgemäß dazu neigt, sein Geschäft so zu betreiben und solche Themen zu favorisieren, die ihm an seinem Standort am meisten Nutzen und Geschäft verschafft. Für das Headquarter kann dies zuweilen bedeuten, dass es mit bestimmten als wichtig und strategisch erkannten Themen nicht in der Form zu allen Geschäftsführern durchdringt, wie es sich dies wünscht. Hier besteht die Kunst und die Herausforderung darin, den Grundsatz "Gemeinnutzen geht vor Eigennutzen" so umzusetzen, dass alle Beteiligten mit Überzeugung und Begeisterung mitziehen.

Aber gut, wer keine Herausforderungen zu meistern hat, der kann auch keinen Ruhm ernten. In diesem Sinne wünsche ich Ihnen und Ihren Kollegen alles Gute und viel Erfolg.

Beste Grüße

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Bechtle-Chef Thomas Olemotz.

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