Lenovos eigener Webshop macht Partner wütend

Mit der Eröffnung seines eigenen Webshops vor wenigen Wochen begab sich PC-Hersteller Lenovo auf vermintes Gebiet. "Dies ist eine Kriegserklärung an die Partner", wütete ein Lenovo-Händler am heise-resale-Telefon. Doch Lenovos Waffen sind recht stumpf, vielleicht sogar mit Absicht.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Lenovo-Geschäftsführer Bernhard Fauser,

Lenovo-Geschäftsführer Bernhard Fauser

(Bild: Lenovo)

wohl jeder Manager eines Unternehmens in Deutschland mit ausländischer Mutter kennt das: Da fliegen ein paar Wichtigmenschen aus der Zentrale ein und erklären einem, was sie sich für eine tolle Idee ausgedacht hätten, und man solle es in Deutschland doch auch machen. Was tut nun der deutsche Manager, wenn er diese Idee für bescheuert hält und meint, dass sie in Deutschland nicht funktioniert, seine Gesprächspartner aus der Zentrale seine Argumente aber vom Tisch wischen? In der Regel setzt er sie dann um, aber so lieblos und schlecht, dass sie wirklich nicht funktioniert. Dann kann er seinen Kollegen aus der Zentrale später sagen: "Seht ihr, ich hab´s probiert, aber wie ich euch schon gesagt hatte, in Deutschland funktioniert es nicht."

Lieber Herr Fauser, genauso, dachte ich, muss es bei Lenovo gewesen sein. Sie als Deutschland-Chef erhielten den wohlmeinenden Rat aus dem Headquarter, zusätzlich zum indirekten Vertrieb über die Lenovo-Partner einen eigenen Webshop auf der Lenovo-Homepage aufzumachen. Das würde in anderen Ländern ganz großartig funktionieren. Weiter stellte ich mir vor, dass Sie der Ansicht waren, dass dies in Deutschland überhaupt nicht großartig funktionieren würde, sondern Ihnen im Gegenteil massiv Ärger mit Ihren bestehenden Vertriebspartnern einbringen würde. Zu groß erschien Ihnen das Risiko, mit den Händen etwas aufzubauen und gleichzeitig mit dem Hinterteil etwas Anderes und viel Größeres umzustoßen. Schließlich hatten Sie sich gerade über die Auszeichnung als "Vendor of the year" gefreut, zu dem Lenovo von mehr als 400 Distributoren EMEA-weit gewählt worden war.

Warum dieses gute Verhältnis leichtfertig aufs Spiel setzen? Und was glauben Sie, was auf dem Channel-Kick-off Ende Januar in Amsterdam los gewesen wäre, wenn irgendjemand aus dem Lenovo-Management dort die Pläne eines eigenen Lenovo-Web-Shops angesprochen hätte? Machte keiner, statt dessen erklärten die verantwortlichen Lenovo-Spitzenkräfte einmal mehr, wie wichtig Ihnen die Zusammenarbeit mit den Partnern sei und wie sie das Verhältnis noch intensivieren und verbessern würden. Diese Partner – zumindest die aus Deutschland – staunten dann natürlich nicht schlecht, als sie nur wenig später erfahren mussten, dass ihre Kunden Notebooks und PCs in Zukunft auch direkt bei Lenovo bestellen könnten. Die Begeisterung hielt sich verständlicherweise in Grenzen. Es handele sich dabei um eine "Kriegserklärung an den Handel", schimpfte ein Lenovo-Partner, mit dem ich über dieses Thema telefonierte.

Genau das wollten Sie ja vermeiden, vermute ich. Auf der einen Seite konnten Sie den "Wunsch" der Strategen aus der Lenovo-Zentrale nicht einfach ignorieren. Auf der anderen Seite wollten Sie bei Ihren Vertriebspartnern keine Erde verbrennen. Also was tun, wie einen Ausweg aus diesem Dilemma finden? Ich stelle mir vor, dass Sie Ihren Leuten den Auftrag gaben, einen Webshop zu basteln, der nur den Eindruck erweckt, eine attraktive Einkaufsquelle zu sein. Zugegebenermaßen nicht ganz unparteiische Medien wie das Notebookjournal (nicht nur räumlich dem Lenovo-Partner Notebooksbilliger.de verbunden) ließen denn auch kaum ein gutes Haar an dem Lenovo-Shop (unter anderem nur eingeschränktes Angebot, lange Lieferzeiten). Außerdem hatten Sie offenbar entschieden, diese Erweiterung des Vertriebskanals nicht an die große Glocke zu hängen. So könnten Sie nach einer gewissen Zeit Ihren Vorgesetzten – natürlich mit dem Ausdruck des Bedauerns – erklären, dass diese Sache mit dem eigenen Lenovo-Webshop in Deutschland leider nicht funktioniere.

Lieber Herr Fauser, ich wünsche mir zumindest, dass es so war. Was mich allerdings stutzig gemacht hat, sind die vielen mit roter Farbe durchgestrichenen Preise im Lenovo-Webshop. Ich meine, gegen einen Hersteller-Webshop mit Listenpreisen kann kaum jemand etwas einwenden. Es gibt ja tatsächlich Verbraucher, die sich nicht auskennen oder die keine Lust haben, lange nach einem attraktiven Angebot zu suchen, sondern aus Zeitmangel oder Bequemlichkeit einfach dort bestellen, wo ihre PC-Maus sie gerade hinführt. Oft kennen sie nicht mehr als den Hersteller und sind froh, wenn sie gleich bei ihm bestellen können. Für ihr Unwissen oder ihre Bequemlichkeit bezahlen sie dann höhere Preise. Dass Sie nun vor diesem Hintergrund so massiv mit roter Farbe arbeiten, hat mich, wie gesagt, doch irritiert. Aber vielleicht ist auch das nur ein Trick, um die Lenovo-Strategen aus dem Headquarter Glauben zu machen, man habe ALLES versucht, um das Ding zum Fliegen zu bringen. Denn wenn man den Leuten vom Notebookjournal glaubt, handelt es sich bei den Angeboten auf der Lenovo-Homepage gar nicht um günstige Preise, sondern nur um die Illusion günstiger Preise. Tatsächlich sollen diese noch immer höher sein als die im Handel, zumindest die im Online-Handel.

Unabhängig davon, wie Ernst Sie es mit dem Lenovo-Webshop wirklich meinen, lieber Herr Fauser, bestätigt mich diese Ihre Aktivität einmal mehr in meiner Meinung, dass sich jeder IT-Händler so wenig wie möglich abhängig machen sollte von den Herstellern, mit denen er zusammenarbeitet. Der Händler tut gut daran, nicht davon auszugehen, dass sein Hersteller-Partner für seinen Erfolg zuständig ist. Für seinen Erfolg ist immer nur der Händler selbst verantwortlich. Die Beziehung zum Hersteller sollte geprägt sein von der Frage, wie dieser ihm dabei behilflich sein kann, seine eigenen Ziele zu erreichen. Das ist exakt die Sichtweise, wie auch der Hersteller seinen Vertriebspartner betrachtet. Jeder ist sich selbst der Nächste. Früher wurde in Bezug auf das Verhältnis zwischen Hersteller und Handel viel von Loyalität gesprochen (gut, schon damals wurde mehr darüber gesprochen, als dass sie praktiziert wurde). Ist Ihnen aufgefallen, dass man dieses Wort heute gar nicht mehr hört? Weil Loyalität sich auch niemand mehr leisten kann. Die loyalen Firmen – die, wie man damals sagte, mit ihrem Partner durch Dick und Dünn gegangen sind – haben alle bankrott gemacht. Aber das ist ein eigenes Thema.

Lieber Herr Fauser, es würde mich wirklich interessieren, ob ich mit meiner wohlmeinenden Interpretation Ihrer Webshop-Initiative richtig liege oder nicht. Wenn Sie sich dazu nicht öffentlich äußern wollen, kein Problem. Sie können es mir auch ins Ohr flüstern, ich kann schweigen wie ein Grab.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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