"Lohnt es sich heute noch, Vorstand zu werden?"

Diese Frage stellt das Manager-Magazin in seiner aktuellen Ausgabe. Wir meinen, die Frage muss viel radikaler gefasst werden, nämlich: "Lohnt es sich überhaupt noch, irgendetwas zu werden?"

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Von
  • Damian Sicking

Ex-Devil-Vorstandsvorsitzender Axel Grotjahn

(Bild: Devil)

Lieber ehemaliger Devil-Vorstandsvorsitzender Axel Grotjahn,

mit Ihnen und dem Chef des chinesischen Computerbauers Lenovo, William Amelio, verloren in der vergangenen Woche gleich zwei Spitzenmanager und Vorstandsvorsitzende von IT-Unternehmen ihre Jobs. Wesentlicher Unterschied: Jeder, der es wissen wollte, konnte nachlesen, warum Amelio gegangen (worden) ist, wohingegen die Gründe für Ihre Demission, lieber Herr Grotjahn, im Dunkeln blieben. Devil selbst informierte lediglich in einer dürren Erklärung über den Sachverhalt, nannte aber keinen Grund. Jetzt rätselt und spekuliert die Branche. Offensichtlich ist man der Meinung, dass es einen Grund für den Machtwechsel bei Devil geben muss. Doch wir wissen, dass in Braunschweig, dem Firmensitz der Devil AG, durchaus auch immer mal wieder Dinge "einfach so" passieren, ohne dass es einen bestimmten Grund dafür gibt.

Wir möchten uns an dieser Stelle an den Spekulationen gar nicht beteiligen, sondern die beiden Abgänge von Grotjahn und Amelio zum Anlass nehmen, uns einer grundsätzlichen Frage zu widmen. In der aktuellen Februar-Ausgabe des Manager-Magazins lesen wir einen siebenseitigen Artikel (S. 78ff.), welcher der brisanten Frage nachgeht: "Lohnt es sich heute noch, Vorstand zu werden?" Was für eine Frage! Natürlich lohnt es sich nicht! Der Stress, der Ärger mit all den Leuten, das Unverständnis, die Einsamkeit, der Entscheidungsdruck, der Raubbau an seinem Körper (von der Seele ganz zu schweigen), die fehlende Zeit für Dinge, die einem früher wichtig waren, der Zwang zu Handlungen, die man einmal verabscheute etc. Gut, man bekommt reichlich Geld, aber wann soll man es ausgeben? Insofern ist die Frage, ob es sich heute noch lohnt, Vorstand zu werden, absolut berechtigt und geht in die richtige Richtung. Aber sie geht nicht weit genug. Sie muss noch pointierter, schärfer, grundsätzlicher, radikaler gefasst werden, nämlich: "Lohnt es sich heute noch, überhaupt irgendwas zu werden?" Warum überhaupt noch einen Schlag tun? Warum nicht einfach im Bett liegen bleiben, und der einzige Grund, der einen dazu antreibt, morgens aufzustehen, ist der Druck auf die Blase?

Nehmen wir zum Beispiel den Mann oder die Frau im mittleren Management. Der oder die hat aufgrund der Sandwich-Position bekanntlich einen richtigen Knochenjob. Der permantente Druck von oben, die völlig unrealistischen Ziele zu erreichen, hinter denen man selbst nicht steht, und gleichzeitig die Anspruchshaltung der eigenen Mitarbeiter von unten, vor denen man den großen Motivator spielen muss. Völlig klar, dass viele Mittelmanager auf dem Zahnfleisch gehen. Also lohnt es sich heute noch, Mittelmanager zu werden? Klare Antwort: Auf keinen Fall! Wir müssen der Wahrheit ins Auge sehen: Es lohnt sich überhaupt nicht, Karriere zu machen. Zumindest nicht unter Gesundheitsaspekten. In der aktuellen Ausgabe der Wirtschaftswoche (7/09, Seite 34) lesen wir von einer Studie aus Großbritannien, derzufolge sich Beförderungen deutlich negativ auf die Gesundheit der Beförderten auswirkt. Wir sollten diese Erkenntnis nicht auf die leichte Schulter nehmen, denn bekanntlich ist Gesundheit das Wichtigste überhaupt ("Hauptsache gesund!", "...und vor allem, lieber Schneppelsbeck, wünsche ich Ihnen Gesundheit, denn ohne Gesundheit ist doch alles nichts, gell?").

Bleibt also noch die Frage: "Lohnt es sich überhaupt, einer Arbeit nachzugehen?" Auch hier die klare Antwort: Nein, natürlich nicht! Man hat nichts zu sagen, bekommt keinen Parkplatz in der Tiefgarage, wird schlecht bezahlt und muss trotzdem für alles den Kopf hinhalten. Und wenn das Geschäft schlecht läuft, wird man gefeuert.

Also bleibt man doch lieber im Bett liegen und schreibt Gedichte. Oder so.

Beste Grüße

Damian Sicking

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