Medimax und Media-Markt: viel hilft viel?

Autobauer BMW hat seine Händler durch die Ankündigung verschreckt, in Zukunft seine Karossen auch über Internet verkaufen zu wollen und parallel dazu die Zahl der Vertriebsstandorte zu reduzieren. Derweil kündigen Medimax und Media-Saturn an, ihre Verkaufsfläche sogar noch weiter ausweiten zu wollen. Ein Fehler.

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Von
  • Damian Sicking

Lieber neuer EP-Chef Friedrich Sobol,

EP-Chef Friedrich-Sobol

(Bild: ElectronicPartner )

die ersten Tage als neuer ElectronicPartner-Chef liegen hinter Ihnen. Ich hoffe, es ist so schön, wie Sie es sich vorgestellt hatten.

Aber jetzt zum Thema: Die deutschen Autohändler sind beunruhigt. Sehr beunruhigt sogar. Der Grund: Der bayerische Autobauer BMW hat angekündigt, im Vertrieb neue Wege zu gehen. In Zukunft sollen mehr Neufahrzeuge der deutschen Premiummarke übers Internet verkauft werden. Parallel dazu plant BMW, die Zahl der eigenen und kostspieligen Niederlassungen zu reduzieren. Andere Hersteller wie BMW-Konkurrent Mercedes haben ähnliche Pläne. Doch damit nicht genug: Im Münchener Vierzylinder denken die bayerischen Motorenbauer sogar darüber nach, mit einer mobilen Vertriebseinheit die Autos auch direkt an den Haustüren potenzieller Kunden zu verkaufen. Irre? Das sehen die Autohändler auch so. Vor allem die BMW-Händler finden das alles total blöd und laufen Sturm. "Wir haben BMW unmissverständlich gesagt, dass direkte Verkaufskanäle von uns abgelehnt werden müssen“, schimpft Werner Entenmann, Präsident des BMW-Händlerverbandes, in der Wirtschaftswoche.

Inzwischen wird in den deutschen Gazetten und Online-Diensten fleißig über dieses Thema debattiert. Das manager magazin hat bereits ein "Online-Traume der Autohändler“ diagnostiziert. Auch im Handelsblatt wird die Frage gestellt, ob Autos heute noch so wie vor 30 Jahren verkauft werden können. In einer aktuellen Studie hat jeder zweite Autofahrer erklärt, dass er sich gut vorstellen könne, in Zukunft sein Auto online zu kaufen. Bereits 2010 ging Ferdinand Duddenhöfer vom Center Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen davon aus, dass "mittelfristig über 30 Prozent der privaten Neuwagen über das Internet gekauft werden“. Wegen der guten Entwicklung mit Zuwächsen vom 15 Prozent im Jahr baut jetzt auch Internet-Anbieter mobile.de sein Neuwagenangebot massiv aus.

Also auch hier, in einer der größten Traditionsbranchen, kündigen sich gravierende Veränderung im Vertrieb an. Tendenz wie überall: weniger stationärer Handel, weniger Fläche, mehr Internet, mehr mobil.

So, und jetzt erfahre ich, lieber Herr Sobol, dass sowohl ElectronicPartner mit seiner Großflächenmarke Medimax als auch Media Saturn (MSH) planen, weitere Flächenmärkte in Deutschland zu eröffnen. Sie, lieber Herr Sobol, haben gerade angekündigt, zusätzlich zu den zehn übernommenen ProMarkt-Standorten in diesem Jahr auch noch zehn eigene Neueröffnungen vorzunehmen (davon sind drei bereits eröffnet worden). Doch nicht nur Medimax, auch Media-Saturn plant weitere Märkte in Deutschland. Dies kündigte Deutschland-Chef Wolfgang Kirsch kürzlich in einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt an. "Es gibt überhaupt keine Überlegungen bei uns, Märkte zu schließen. Wir haben immer noch weiße Flecken auf der Landkarte, es gibt immer noch Städte, in denen wir gar nicht vertreten sind. In den kommenden zwei oder drei Jahren dürften jährlich zehn neue Märkte hinzukommen“, so Kirsch in dem Welt-Interview.

Mit anderen Worten: Andere Branchen wie die Automobilhersteller arbeiten daran, die Verkaufsfläche aus Kostengründen zu reduzieren, Sie dagegen weiten sie sogar noch aus.

Lieber Herr Sobol, ist das Ihr Ernst? Gibt es denn noch nicht genug Verkaufsfläche in Deutschland?! Haben Sie zu viel Geld? Oder wollen Sie sich unbedingt ruinieren? Auf der einen Seite jammert der gesamte stationäre Einzelhandel seit Jahren darüber, dass einfach heute schon viel zu viel Verkaufsfläche vorhanden ist und der Umsatz pro Quadratmeter immer weniger wird. Und dann kommen Sie und Ihr Kollegen von der Konkurrenz aus Ingolstadt daher und kündigen an, noch mehr Fläche belegen zu wollen. Muss man das verstehen? Muss denn wirklich in jedem deutschen Kaff ein Medimax- oder ein Media-Markt sein? Vor allem, wenn der nächste keine 20 Kilometer entfernt ist. Fällt Ihnen wirklich nichts Besseres ein?

Mögliche Erklärung: Sie glauben, Umsatzzuwachs nur über Flächenerweiterung erzielen zu können. Das würde im Umkehrschluss bedeuten: Auf bestehender Fläche geht der Umsatz zurück. Also weniger Umsatz pro Quadratmeter und auch weniger Gewinn pro Quadratmeter. Wäre es nicht sinnvoller, alle Kräfte daran zu setzen, die Kennzahlen pro bestehender Fläche zu verbessern und parallel dazu im Internet mehr Gas zu geben?

Lieber Herr Sobol, viel hilft viel? Viel vom Falschen sicher nicht.

Beste Grüße!

Damian Sicking

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