Rückbesinnung: "Die Hersteller sollen herstellen und der Handel soll handeln."

Viele Hersteller glauben, immer mehr Unterstützungsprogramme für ihre Partner auflegen zu müssen. Und viele Händler nehmen diese Leistungen dankbar an oder fordern sie sogar. Eine komplett falsche Entwicklung, meint heise-resale-Kolumnist Damian Sicking.

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Channel-Experte Martin W. Puscher,

Dieter Zetsche, der Chef des Autobauers Daimler AG, sagte vor Kurzem im Fernsehsender n-tv zum Thema staatliche Konjunkturhilfe für deutsche Unternehmen: "Wir sehen die beste Hilfe in unseren Produkten." Eine Aussage, die des Vorstandschefs eines Dax-30-Unternehmens würdig ist, wenn Sie mich fragen.

Channel-Experte und Provokateur Martin Puscher

(Bild: pfg)

An diesen Satz von Zetsche musste ich denken, als wir jetzt mit den Channel-Managern Dorit Bode (HP) und Jörg Brünig (FSC) auf der CeBIT über das Thema "Wie können Hersteller Ihre Vertriebspartner beim Lösungsvertrieb unterstützten?" diskutierten. Ich sage – anlehnend an Daimler-Chef Zetsche – ganz klar: Die beste Unterstützung, die ein Hersteller seinem Vertriebspartner zukommen lassen kann, besteht in guten und wettbewerbsüberlegenen Produkten. Gute und wettbewerbsüberlegene Produkte, mit denen der Händler eine Marge erzielen kann, sind auch das beste Partnerprogramm. Das bedeutet nicht, dass alles andere unwichtig ist, aber alles andere kann ein Defizit im Produktbereich nicht ausgleichen. Wenn die Pizza nicht schmeckt, kann das Lokal noch so nett und der Service noch so freundlich sein, die Kunden werden ausbleiben.

Ich bin auch überhaupt nicht der Ansicht, dass die Hardware im IT-Bereich austauschbar ist. Es kann im laufenden Betrieb einen großen Unterschied machen, ob ich diesen oder jenen Server einsetze oder mit diesem oder jenem Notebook arbeite. Manche Systeme vertragen sich mit speziellen Anwendungen besser als andere. Und schon gar nicht sind die Hardware-Hersteller austauschbar. Hier sind die Unterschiede noch größer als bei den Produkten.

Der stärkste Hersteller ist derjenige, der seinen Partnern gute und wettbewerbsfähige Produkte liefert, und der sich dann im Großen und Ganzen aus dem Geschäft seines Partners heraushält. Dieser Hersteller ist nicht nur selbst ein starker Hersteller, sondern er hat auch die stärksten Partner. Nämlich Partner, die sich im Wettbewerb aus eigenem Antrieb und eigener Kraft behaupten. Welcher Hersteller sucht und braucht Partner, die auf seine Hilfe angewiesen sind? Die es ohne seine Hilfe nicht schaffen? Niemand. Starke Händler brauchen auch keine großartigen Motivationsprogramme der Industrie – sie sind selbst motiviert genug. Diese starken Partner kann man nicht noch weiter motivieren, man kann sie aber demotivieren (indem man nicht oder nicht schnell genug oder in ausreichender Menge liefern kann, in dem man eine Laissez-faire-Haltung beim Thema Kanalkonflikte an den Tag legt etc.).

Ich habe den Eindruck, dass wir es in der Beziehung zwischen Hersteller und Handel immer öfter mit dem Phänomen der Überbehütung zu tun haben. Die Hersteller greifen immer häufiger und immer tiefer in das operative Geschäft ihrer Vertriebspartner ein. Eine völlig falsche Entwicklung! Beispiel Vertrieb, eigentlich die ureigene Aufgabe und Kernkompetenz eines Vertriebspartners (daher kommt ja auch der Name: Vertriebspartner!): Nachdem Fujitsu Siemens bereits vor zwei Jahren eine eigene Lead-Generierungs-Mannschaft installiert hat und für die Partner Kunden und Aufträge an Land zieht, zieht Konkurrent HP mit einer vergleichbaren Organisation jetzt nach. Warum tun die Hersteller dies? Weil ihre Partner aus Sicht der Hersteller zu vertriebsschwach sind und für sie nicht genug Aufträge an Land ziehen, um seine Absatzziele zu erfüllen. Was aber ist der Effekt beim Partner? Er freut sich über die Leads seines Herstellers und wird noch weniger in seinen eigenen Vertrieb investieren. Verkehrte Welt: Der Handel sourced seinen Vertrieb an seinen Hersteller aus. Pointiert gesprochen: Der Handel entmannt sich auf diese Weise selbst.

Wenn meine Beobachtung richtig ist, dann ist die Entwicklung sowohl für die Industrie als auch den Handel grundfalsch. Die Hersteller holen sich Aufgaben ins Haus, die ihre eigene Organisation belasten und für die sie eigentlich den Partnerkanal aufgebaut haben. Von hier aus ist es kein weiter Weg mehr zum Direktvertrieb. Und der Handel degeneriert so mehr und mehr zum Erfüllungsgehilfen der Industrie, sozusagen zum Hinsteller des Herstellers.

Wir sollten uns wieder an einen Grundsatz aus den 90er-Jahren erinnern, den der damalige Compaq-Geschäftsführer Kurt Dobitsch geprägt hat: "Die Hersteller sollen herstellen und der Handel soll handeln." Dafür brauchen wir Hersteller, die sich voll darauf konzentrieren, gute und wettbewerbsfähige Produkte zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, und dafür brauchen wir starke, motivierte Handelsunternehmen, die man nicht zum Jagen tragen muss.

Sie, lieber Herr Puscher, haben in unserer CeBIT-Diskussionsrunde ja sehr deutliche Worte gefunden. Wenn ich mich richtig erinnere, sagten Sie, viele Händler seien "einfach zu schlapp, zu faul und zu träge". Und die Hersteller, fuhren Sie fort, sollten sich selbst einen Gefallen tun und solche Händler in die Wüste schicken, statt ihnen immer weiter Zucker in den Allerwertesten zu blasen. Eine sehr pointierte Aussage, mit der Sie natürlich provozieren wollten. Ich freu mich auf eine Fortsetzung der Diskussion.

Beste Grüße

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Martin W. Puscher.

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