So kommen Sie an Top-Entscheider ran

Wer seine Produkte in einem Unternehmen platzieren will, sollte keine Zeit mit Gesprächen in Fachabteilungen verschwenden. Einen Auftrag bekommen Sie nur, wenn Sie den Entscheider überzeugen.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Marzena Sicking

Vertriebsmitarbeiter, die in einem Unternehmen ihr Produkt anbieten wollen, werden oftmals an die Fachabteilung verwiesen. Dort finden sich tatsächlich Leute, die was von dem Thema verstehen und mit denen sich der Vertriebsmitarbeiter auf Augenhöhe unterhalten kann. Doch das nützt ihm leider wenig, denn ein Fach-Entscheider ist in der Regel kein Top-Entscheider, wie Unternehmensberater und Buchautor Stephan Heinrich erklärt. Im Interview mit heise resale gibt er Tipps, wie Sie Ihr Produkt an die wirklich entscheidende Stelle bringen.

Was genau ist der Unterschied zwischen Top-Entscheidern und Fach-Entscheidern beim Kunden?

Heinrich: Top-Entscheider interessieren sich für das Ergebnis. Fach-Entscheider wählen zwischen den verfügbare Alternativen und empfehlen die beste. Das sind völlig verschiedene Ansprüche und Interessenslagen. Genau deswegen, kommt es oft vor, dass ein Gespräch mit dem Fach-Entscheider dazu führt, dass der Verkäufer sich sicher fühlt, weil er "ganz oben in der Liste steht", dann aber doch keinen Auftrag bekommt. Das hängt damit zusammen, dass der Top-Entscheider gar nicht versteht, was der relevante Nutzen ist und anders entscheidet. Vielleicht sogar gegen jegliche Investition und für den Status quo.

Aber kann es aus Sicht des Verkäufers nicht dennoch sinnvoller sein, sich an die Fachentscheider zu halten? Die sind leichter zu erreichen, verstehen in jedem Fall, wovon der Dienstleister da eigentlich spricht und können die Botschaft anschließend doch zum Topentscheider tragen. Ist das nicht der leichtere Einstieg beim Kunden?

Heinrich: Wenn das Ziel der leichte Einstieg ist, empfehle ich gleich die Telefonzentrale. Da bekommen sie in den meisten Firmen jemanden an die Leitung. Nein, im Ernst: Sicher ist es angenehmer, mit einem Fach-Kollegen zu fachsimpeln und das Für und Wider verschiedener Lösungswege und technologischer Philosophien zu diskutieren. Das macht Laune, vertreibt die Zeit und man lernt vielleicht so gar etwas. Aber mit dem Verkaufen von Projekten und Lösungen hat das nicht viel zu tun. Wenn der Top-Entscheider die Entscheidung trifft, müssen sie an diesen rankommen, sonst fällt Ihr Geschäft ins Wasser, das ist einfach eine Tatsache.

Nun sind Top-Entscheider als Ansprechpartner natürlich bei allen Anbietern hoch begehrt. Wer noch keine Kontakte im Unternehmen hat, wird es schwer haben, zu einem echten Entscheider vorgelassen zu werden. Haben Sie ein paar Tipps, wie man an der Assistenten-Mauer vorbeikommt?

Heinrich: Nun die Assistenz ist keine Mauer sondern eine Hilfestellung. Betrachten wir es doch bitte einmal aus der Sicht der anderen Seite. Entscheider kommunizieren in der Regel den ganzen Tag. Ausführlich und oft mit mehr Arbeitsstunden als der Durchschnittsverdiener. Allerdings entscheidet der Entscheider selbst, was ihn interessiert und nicht irgendein jüngst proklamierter Technologietrend. Und deshalb will er einfach nicht "einen neuen Lieferanten kennenlernen" oder "mal sehen, was ein anderer Dienstleister so drauf hat". Und er will auch nicht die "neuesten Möglichkeiten in der Cloud" besprechen – dazu liest er hoffentlich die richtigen Medien.

Aber er will sich mit seinen wichtigen Fragen, Problemen und Herausforderungen auseinandersetzen. Und wer es im Vertrieb nicht schafft, seine tollen Vorteile in die Nutzenerwartung des Entscheiders zu übersetzen, der hat ausgedient. Und da hilft auch kein Fingerzeig in Richtung Marketing – es geht um individuelle Auseinandersetzung mit dem Individuum. Die Kernfrage lautet: Womit beschäftigt sich der Entscheider meines Kunden und wie kann ich die Kraft meines Unternehmens in seinen Nutzen stellen. Wer versucht, das mit einer Standardpräsentation zu beantworten ist schneller draußen als er drin war. Wir brauchen keine Produkterklärer mehr. Wir brauchen Verkäufer, die echte Kundenversteher sind.

Stephan Heinrich hat 2001 die Heinrich Management Consulting gegründet. Schwerpunkte seiner Unternehmensberatung sind Vertriebsberatung und -training im B2B sowie individuelle Ausbildung von Führungskräften. Der Unternehmensberater und Buchautor lebt in München.

Macht es Ihrer Meinung nach Sinn, solche Top-Entscheider zunächst auf anderen Wegen zu kontaktieren? z.B. über Xing oder Facebook?

Heinrich: Klare Antwort: Nein. Etwas ausführlicher? Vergessen Sie Facebook im B2B. XING ist im deutschsprachigen Raum das beste Instrument um Informationen über Personen und Zusammenhänge im B2B zu erforschen. LinkedIn ist eher International ausgerichtet, hat in Deutschland nicht die hohe Verbreitung wie international, holt jedoch auf. Beide würde ich jedoch nicht als Kommunikationsmedium nutzen, wenn ich werthaltige Geschäftsbeziehungen anfangen will. Dazu eignet sich nach wie vor am besten Brief und Telefon.

Einen Top-Entscheider stellen wir uns als den typischen Chef vor, der eigentlich keine Zeit und keine Lust für dieses Meeting hat und vermutlich auch gar nicht so tief in der Materie ist, über die ich als Verkäufer mit ihm reden will. Ich hab ihn zwar dazu bekommen, dass er mir persönlich gegenüber sitzt, aber wie stelle ich es an, dass meine Botschaft wirklich ankommt und er sich nicht schon nach 5 Minuten – zumindest geistig – aus diesem Meeting verabschiedet?

Heinrich: Ich habe das neulich mal nachgemessen. Dabei hat sich eindeutig ergeben, dass wir alle gleich viel Zeit haben, nämlich 24 Stunden am Tag. Na klar hat der Entscheider keine Lust "tief in die Materie zu gehen". Er hasst das. Ich hasse das. Sie hassen das. Niemand hat Lust sich mit Dingen zu beschäftigen, die wir weder verstehen noch interessant finden.

Und niemand will dauernd etwas "rübergebracht" bekommen. Niemand wünscht sich eine neue Meinung. Niemand will überzeugt werden. Alpha-Tiere erst recht nicht.

Aber jeder, den ich kenne, will über Dinge sprechen, die ihm oder ihr auf dem Herzen liegen. Über den Erfolg wichtiger Vorhaben und Projekte. Über brennende Probleme und Sorgen. Und darauf müssen sich Verkäufer konzentrieren. Wir brauchen Verkäufer, die ihr Ego so gut beherrschen, dass Sie es auch mal für ein Gespräch im Handschuhfach auf dem Besucherparkplatz zurücklassen können. Und sich stattdessen voll auf ihr Gegenüber einlassen und wirklich verstehen, um was es dem Entscheider beim Kunden geht. Wer das drauf hat, wird die Unterschriften unter die großen Aufträge holen. (map)

Leserservice: Per E-Mail an info@heinrichmc.de mit dem Betreff "häufige Fehler" können Sie ein kostenlos und unverbindliches 17-seitiges PDF abrufen, das Fragen zu den Fehlern im Verkaufsgespräch und deren Vermeidung beantwortet. (masi)