Verloren im Belehrungsdschungel

Seite 2: Verbraucherschutz-Wust

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Verbraucherschutz-Wust

Allerdings krankt der Entwurf, wie schon sein Vorgänger, daran, dass er wieder nur eine Umsetzung als Verordnung vorsieht. Eine Verordnung hat aber nicht die gleiche Qualität wie ein Gesetz und ist für die Gerichte bei ihrer Urteilsfindung nicht bindend. Weitaus sinnvoller wäre es gewesen, die Musterinformationen in den Rang eines Gesetzes zu erheben und etwa im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zu verankern. Daher wird es auch bei dem neuen Entwurf nur eine Frage der Zeit sein, bis neue Unklarheiten und damit erneut Arbeit für Abmahner und Richter entstehen.

Ein erster Ansatz für neue Abmahnungen könnte schon in der fehlenden Transparenz des neuen Entwurfs liegen. Denn statt für Vereinfachung und mehr Verständlichkeit gerade auch für die betroffenen Verbraucher zu sorgen, bewirkt der Neuentwurf das glatte Gegenteil. Vor allem sieht das Muster eine erhebliche Ausweitung an Informationspflichten vor, die der Shop-Betreiber dem potenziellen Käufer bereits vor Vertragsschluss mitteilen muss. Diese bereits derzeit nicht gerade kurzen und verständlichen Inhalte sollen nach dem Willen des Gesetzgebers künftig zu einem Umfang aufgebauscht werden, die von Juristen bereits als "Irrsinn" oder "absoluter Wahnsinn"“ bewertet werden.

So sieht der Entwurf vor, dass dem Verbraucher künftig in vielen Fällen eine ganze Reihe von Vorschriften aus dem BGB und der BGB-InfoV im Wortlaut und Volltext mitzuteilen ist. Im Regelfall würde sich danach allein der juristisch höchst komplizierte Text der Informationspflichten auf einen Umfang von über 12.000 Zeichen – also den doppelten Umfang dieses Artikels – aufblähen. Dies würde in der Praxis wohl kaum zu mehr Transparenz auf Seiten des nun völlig überforderten Verbrauchers führen.

Der Entwurf liegt derzeit den Ländern und den betroffenen Verbraucher- und Wirtschaftsverbänden zur Stellungnahme vor. Zu einer Lösung des Problems und einer Einschränkung des Abmahnungsmissbrauchs trägt jedoch der jetzige, völlig praxisferne Text nur sehr eingeschränkt bei. Er bedarf der gründlichen Überarbeitung. Und bis dahin müssen die Betreiber von Online-Shops weiter mit einer völlig unklaren Rechtslage leben und arbeiten. (hob)

Joerg Heidrich ist Justiziar des Heise Zeitschriften Verlags und Rechtsanwalt in Hannover. (map)