Vertriebsbüros als strategische Waffe

Für die Einen sind sie unverzichtbar, für die Anderen ein unnötiger Kostenfaktor. Sicher ist: Es gibt wieder mehr Distributoren mit Vertriebsniederlassungen. Gelegentlich dienen die Büros als Auffangbecken für Mitarbeiter anderer Grossisten. Nützlich aber sind sie für den Fachhandel nur, wenn damit Vor-Ort-Dienstleistungen verbunden werden.

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Von
  • Matthias Parbel
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Durch Vertriebs- niederlassungen noch näher am Kunden: Gabi Sobota-Fischer, Senior Director Channel Line Key Accounts Ingram Micro

(Bild: Ingram)

Ähnlich dem Außendienst haben auch externe Repräsentationen der Grossisten wieder an Wert gewonnen. Besonders dort, wo etablierte Distributoren in wirtschaftliche Turbulenzen geraten sind. Bestes Beispiel: Als Mitte dieses Jahres die COS vorübergehend Insolvenz anmeldete, zog es andere Distributoren plötzlich an den COS-Standort Linden. Sie hofften vor allem darauf, wechselwillige Vertriebsspezialisten und natürlich deren Kundenkontakte übernehmen zu können. "Das ist ein bekanntes Spiel. Kaum geht’s mit einem Konkurrenten bergab, schon stürzen sich manche Kollegen wie die Geier auf die Hinterlasssenschaften", bemerkt ein Distributionsgeschäftsführer, der sich schon vor langer Zeit von Vertriebsbüros verabschiedet hat. "Bringt nichts, kostet nur Geld", lautet sein knapper Kommentar. Dabei haben die Büros durchaus ihre Berechtigung, wenn Fachhändler vor Ort besondere Dienstleistungen des Grossisten nutzen können. So unter anderem beim beratungsintensiven Value-Add-Geschäft, für regionale Seminare und Veranstaltungen zusammen mit Herstellern, und nicht zuletzt zur Betreuung der regionalen Key-Account-Kunden.

Dem kann sich Gabi Sobota-Fischer, Senior Director Channel Line Accounts bei Ingram Micro nur anschließen. Sie ist von Vertriebsniederlassungen überzeugt, sofern sie in das Gesamtkonzept des Unternehmens langfristig eingebunden sind: "Durch Vertriebsniederlassungen und einen Vertriebsaußendienst können wir noch näher am Kunden sein, deshalb halten wir an dieser Strategie auch schon viele Jahre fest." Der Broadliner betreut über seine Vertriebsbüros in Lippstadt und Braunschweig sowie über den Außendienst vor allem Key-Kunden in den Regionen.

Zudem, und darin sehen die Grossisten eine Ergänzung zum Außendienst-Team, werden Kunden mit beratungsintensivem Value-Add-Geschäft vom Außendienst unterstützt. Das gezielte Engagement in den zwei Niederlassungen begründet Gabi Sobota-Fischer mit der "regionalen und emotionalen Nähe zum Kunden". Gerade durch diese Nähe würden sich die Kunden stärker mit dem Unternehmen identifizieren. "Außerdem wird eine Niederlassung aufgrund ihrer Organisationsgröße oft als schneller und flexibler wahrgenommen als die Mutterorganisation", fügt die Managerin hinzu, die in ihrer Funktion für den Business Channel einschließlich der Niederlassungen und des Außendienstes verantwortlich ist.

Tatsächlich dienen Vertriebsbüros den Grossisten zu einem wesentlichen Teil zur Betreuung der strategisch wichtigen Kunden. Und das zum Teil sehr stabil seit vielen Jahren. So feierte beispielsweise Ingram Micro in diesem Jahr das zehnjährige Jubiläum seiner Vertriebsniederlassung in Braunschweig. Andererseits hat sich die Funktion dieser Niederlassungen in den vergangenen Jahren geändert. Als Abhollager für Kunden aus der näheren Umgebung hat das Vertriebsbüro längst ausgedient. "Die Logistik der Distribution ist zentral gesteuert", merkt Torsten Seiferth an. Der ehemalige Vertriebs-Chef von Actebis Peacock und jetzige Vertriebsleiter bei MediaCom IT-Distribution , sieht keinen "sinnvollen Grund" für einen Distributor, ein Abhollager zu unterhalten. Dafür sind die komplexen Prozesse in der Lagerlogistik, insbesondere auch unter dem Aspekt Kostendruck, nicht geeignet. "Auch Fachhändler müssen sehr genau rechnen. Da lohnt sich der Ausflug ins Abhollager kaum, wenn der Großhandelspartner binnen 24 Stunden die bestellte Ware liefern kann".

Seiferth lässt sich von seiner These auch nicht durch vereinzelte Äußerungen von Händlern abbringen, die "bei dringend benötigter Ware schnell mal in den Abholshop fahren", wie ein Reseller gegenüber heise resale sagt. Wäre dieser Händler beispielsweise Kunde bei Api, dann könnte er noch immer "jede Woche mal hinfahren und meine Produkte dort direkt abholen". Da sich der Firmensitz des COS-Kunden aber nicht in der Nähe von Aachen, sondern nahe Linden befindet, gibt es für ihn keine Möglichkeit mehr der Direktabholung. "Unsere Lagerlogistik befindet sich jetzt ausschließlich im Zentrallager von Devil in Braunschweig. Darum gibt es auch kein Abhollager mehr in Linden", erklärt COS-Vorstand Dirk Rahn. Dafür würden die früheren Selbstabholer aber die Lieferungen frachtfrei erhalten.

Viel wichtiger als Abhollager, so Christian Weinelt, sind "Schulungen und Veranstaltungen, die in den Vertriebsbüros stattfinden". Der Director SMB & Specialised Sales bei Tech Data, betrachtet weiteres Investment in den Außendienst und Vertriebsbüros wie in Duisburg für sehr wichtig. Sein Ziel sei es, "vor allem den kleinen und mittleren Händlern einen besseren Service vor Ort zu bieten und es dieser Händlergruppe möglichst einfach zu machen, mit uns ins Geschäft zu kommen".

Das Thema externe stellt sich für NT plus nicht: Scott Rankin, Gesamtvertriebsleiter NT plus

(Bild: NT plus)

Ganz so weit will sich beispielsweise Actebis Peacock nicht aus dem Fenster lehnen. Der Grossist aus Soest baut lieber auf die Außendienstler, die laut Stephan Kober, Vertriebsleiter Key Account, "unseren Fachhandelspartnern durch die persönliche Präsenz vor Ort wesentlich mehr bringen als ein dezentrales Vertriebsbüro". Dem schließt sich Scott Rankin von NT plus gern an. Für den Gesamtvertriebsleiter seien Vertriebsbüros kein Thema. Er baut lieber auf den Außendienst, der in Kombination mit dem Innendienst eine starke Präsenz zeigt. "Dank des flächendeckenden und engagierten Auftritts unserer Außendienstmitarbeiter fühlen wir uns und unsere Kunden sehr gut vertreten", bekräftigt Rankin.

Dabei sind die Grossisten, vor allem die IT-Großhändler, gern und häufig mit einer oder auch mehreren Niederlassungen präsent. Interessanterweise hat sich Braunschweig zu einem kleinen Zentrum für Vertriebsbüros entwickelt. Warum ausgerechnet Braunschweig, darüber rätseln selbst die dort vertretenen Distributoren. Unter Umständen ist es das Rattenfänger-Syndrom. Gehen mehrere Distributoren an einen bestimmten Standort, folgen die anderen in der Hoffnung, dort das Glück der Erde zu finden, oder zumindest die verstärkte Aufmerksamkeit der Fachhändlerschaft. So sind in Braunschweig unter anderem neben Ingram Micro, auch B.com, Siewert & Kau und Api vertreten. Zudem unterhält Also aus Straubing dort seit 2006 sogar sein zentrales Lager.

Vertriebsbüros sind eine sinnvolle Erweiterung: Thomas Lantermann, Vertriebsleiter Retail Api

(Bild: Api)

Überhaupt sieht man bei Api in Köln in den Vertriebsbüros (neben Braunschweig auch in Linden, Dülmen, München und Neuwied) "eine sinnvolle Erweiterung unseres Know-how". Außerdem habe man sich durch den Zugewinn der Mitarbeiter qualitativ steigern können, erklärt Thomas Lantermann, Vertriebsleiter Retail. Mit dem Hinweis auf die Mitarbeiter will er wohl, ohne näher darauf einzugehen, auf das Engagement in Linden ansprechen. Dort hatte Api von den Turbulenzen bei COS profitiert. Unabhängig davon erkennt Lantermann durch die Vertriebsbüros eine Menge Vorteile für die Reseller: "Durch die Qualität der Mitarbeiter in den Vertriebsbüros und in Aachen erfährt der Fachhandel den besten Support in allen Geschäftsbereichen."

Ernüchternd dagegen klingt das Argument, das Seiferth als einen Grund für Vertriebsniederlassungen anführt: "Die externen Büros können durchaus dann sinnvoll sein, wenn zum Beispiel ein anderer Distributor schließt. Dann besteht die Chance, fähige Vertriebsmitarbeiter zu übernehmen, die nur ungern – aus welchen Gründen auch immer – ihren Lebensmittelpunkt verlegen wollen." Zugleich würde sich die Möglichkeit bieten, neben den neuen Mitarbeitern auch von deren Kundenkontakten zu profitieren. "Denn gut organisierte Distributoren unterscheiden sich doch im Grunde nur noch durch die Menschen, die in den Unternehmen tätig sind." (map)