Warum Ex-HP-Chefin "Kettensägen" Carly Fiorina unser Vorbild ist

Die ehemalige HP-Chefin Carly Fiorina strebt ein politisches Amt an. Wenn sie als Politikerin so agiert wie damals als CEO von HP, dann, ja dann wird ganz bestimmt alles wieder gut.

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Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Ex-HP-Chefin Carly Fiorina,

eine der wichtigsten Fähigkeiten eines Managers ist das Delegieren. Männer tun sich schwerer mit Delegieren als Frauen, glaube ich zumindest. Vor allem machen Männer oft einen entscheidenden Fehler: Sie delegieren mit Vorliebe solche Tätigkeiten, die sie selber gut können. Das tun sie deshalb, weil sie in diesem Fall das Ergebnis kompetenter beurteilen und den Mitarbeiter aufgrund seiner schlechten Leistung besser zur Sau machen können. Optimal ist das nicht. Besser ist es, wenn die Führungskraft solche Aufgaben delegiert, die sie selber nicht so gut kann. Männer haben damit oft Schwierigkeiten, weil viele erstens immer noch nicht kapiert haben, dass sie nicht überall die Champions sein können, und weil sie zweitens diesen Kontrollzwang haben.

Liebe Frau Fiorina, wie man liest, wollen Sie nun in die Politik einsteigen. Als ich davon erfuhr, war mir sofort klar, dass ich meinen Senf dazu abgeben muss. Doch dann dachte ich: "Wieso ich? Vielleicht ist jemand anders viel besser dazu geeignet als ich? Wäre es in diesem Fall nicht sinnvoller, diese Aufgabe an ihn oder sie zu delegieren?" Es dauerte keine drei Sekunden, da fiel mir jemand ein: Meine Frau. Warum gerade sie? Drei Gründe: Erstens ist sie selbst eine Frau, zweitens ist sie eine großartige Journalistin und drittens hat sie als Redakteurin jahrelang über die IT-Branche geschrieben. Mit dem Versprechen, mit ihr im Kino diesen Frauenfilm anzusehen, gelang es mir, sie für diesen Job zu begeistern. Ich übergebe also jetzt an meine Frau.

Liebe Carly Fiorina,

mein Mann hat mich gebeten, Ihnen ein paar Zeilen zu Ihrem geplanten Einstieg in die Politik zu schreiben. Ich tue dies gerne, weil ich erstens mal wieder ins Kino will und Sie zweitens echt "lässig" finde. Viele Menschen mögen Sie nicht sonderlich, zum Beispiel die 36 000 Mitarbeiter, die Sie während Ihrer Amtszeit bei HP vor die Tür setzten. Deshalb nennt man Sie auch "Kettensägen-Carly".

Nach Ihrem Rausschmiss bei HP im Jahr 2005 hat man eine ganze Weile nichts mehr von Ihnen gehört. Hin und wieder konnte man ein Interview mit Ihnen lesen wie das heute noch lesenswerte im Stern vom Dezember 2006, in dem Sie "über Einsamkeit, Psychotricks und die Angst der Männer vor starken Frauen" sprechen. Dann, im vergangenen Jahr, tauchten Sie wieder auf – als Beraterin des US-Präsidentschaftskandidats John McCain. Doch ebenso wie McCain verschwanden auch Sie nach kurzer Zeit wieder in der Versenkung. Bis vor kurzem: Anfang des Monats schwappten Meldungen über den großen Teich zu uns rüber, dass Sie jetzt aktiv in der Politik mitmischen wollen, und zwar als Senatorin in Kalifornien. Nächstes Jahr im Herbst wird gewählt, und dann wollen Sie gewinnen.

Liebe Frau Fiorina, ich weiß nicht, warum Sie in die Politik gehen wollen. Vielleicht haben Sie eine Wette verloren, vielleicht wollen Sie Buße tun, vielleicht auch wollen Sie die Welt verbessern. Was ich aber glaube, liebe Frau Fiorina, ist, dass Sie das Zeug zu einer echt guten Politikerin haben. Warum ich das glaube? Weil Sie gut delegieren können. Ich sag´s, wie es ist: Sie sind für mich ein leuchtendes Beispiel für erfolgreiches Delegieren von Schwächen. Sie haben ganz klare Stärken wie zum Beispiel Übernehmen von Firmen (Compaq) und Massenentlassungen von Mitarbeitern. Da macht Ihnen so leicht keiner etwas vor. Sie haben aber auch Ihre Schwächen. Die liegen aus meiner Sicht vor allem in dem, was man den menschlichen oder sozialen Bereich nennen könnte. Sie tun sich halt schwer mit Nettsein und Freundlichkeit. Außerdem haben Sie es nicht so mit Demut und Bescheidenheit. Nicht dass Sie mich missverstehen, liebe Frau Fiorina, das ist kein Vorwurf, um Himmels willen. Nobody is perfect. Die Frage ist ja immer: Wie gehe ich mit meinen Schwächen um? Und da sind Sie für mich ein absolutes Vorbild. Ja wirklich.

Was ich an Ihnen bewundere, ist, dass Sie Ihre Schwächen konsequent an Ihre Mitarbeiter delegiert haben. Ich meine, in einem Laden wie HP und überhaupt auf der ganzen Welt gibt es Haufenweise Menschen, die sozusagen von Natur aus nett und bescheiden sind, die sich dafür nicht verbiegen müssen, die gar nicht anders können als nett, freundlich und bescheiden zu sein. Und da wäre es doch töricht, wenn man diese Menschen nicht das tun ließe, was sie am besten können, oder? Ebenso töricht wäre es, wenn man eine Menschen, dem Nettigkeit und Bescheidenheit nun einmal absolut wesensfremd sind, dazu zwingen würde, eben dies den ganz Tag zu sein. Dieser Mensch würde sich verbiegen, und das Ergebnis wäre doch nur Murks. Liebe Frau Fiorina, was ich an Ihnen schon immer toll fand, ist, dass Sie diese Zusammenhänge kapiert haben und entsprechend handelten. Delegieren von Freundlichkeit, Bescheidenheit, kurz, von Menschlichkeit an andere, die das viel besser können als Sie. Großartig!

Und Hand aufs Herz: Ein Top-Manager wie Sie damals bei HP wird nicht dafür bezahlt, dass er nett, freundlich, bescheiden und menschlich wird. Das ist bei einem Politiker nicht anders. Der Politiker wird dafür bezahlt und gewählt, dass er, nunja, eben das tut, was Politiker so tun, aber doch nicht dafür, dass er freundlich, bescheiden und menschlich ist. Dafür findet sich immer jemanden draußen auf der Straße. In diesem Sinne, liebe Frau Fiorina:

Good Luck!

Ihre Marzena Fiok

Hallo Frau Fiorina,

ich noch mal. Wollte nur noch mal kurz "Tschüss" sagen. Dieses Delegieren ist wirklich eine tolle Sache: Während meine Frau an dem Text arbeitete, konnte ich mit dem Hund eine runde Laufen gehen. Sollte man öfter tun.

Beste Grüße auch von mir!

Damian Sicking

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