Wie talentiert müssen Vertriebsbeauftragte sein?

Manche Leute meinen, es gebe den "geborenen Verkäufer". Mag sein, dass sie Recht haben. Das Problem ist nur: Woran erkennt man diese Ausnahmetalente, und zwar BEVOR sie zum Top-Verkäufer werden?

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Lesezeit: 5 Min.
Von
  • Damian Sicking

Liebe Heiko van Eckert, Inhaber der Salegro-Vertriebsberatung in München

ich geb´s zu: Nachdem sich Hubert Burda ("Focus","Bunte") mit 48 Millionen Euro bei der Xing AG beteiligt hat, habe ich ebenfalls ein paar Aktien des "Social Network"-Anbieters gekauft. Was soll ich auch sonst machen? Die Hoffnung, mit ehrlicher Arbeit reich zu werden – ich will jetzt keinen Kommentar in der Art hören "Journalist und ehrliche Arbeit, haha"! –, habe ich inzwischen aufgegeben, jetzt müssen es lukrative Wertpapiergeschäfte bringen. Und dass die Xing-Aktie nach oben schießen wird, das steht ja wohl fest. Gut, zunächst ist sie mal ein bisschen nach unten gerutscht, aber das ist ganz sicher nur vorübergehend. Das hoffe ich zumindest sehr.

Jedenfalls habe ich die Gelegenheit genutzt, mich mal wieder in den diversen Gruppen auf Xing herumzutreiben. Dabei bin ich auf die unterhaltsame und kontroverse Diskussion über das Thema "Wie erkennt man eine Vertriebsbegabung?" in der Gruppe "Vertrieb und Verkauf" gestoßen. Die Frage lädt zum Plaudern ein, und ganz ehrlich, viele der Beiträge dazu sind auch nichts anderes als Geschwafel ("Erfolgreiche Vertriebler sind authentisch und lieben ihre Kunden."). Das liegt in erster Linie an der unpräzisen Fragestellung. Genauso kann man fragen: Wie erkennt man eine sportliche Begabung, wie eine künstlerische, wie eine technische? Und zwar BEVOR jemand auf dem betreffenden Gebiet etwas zustande gebracht hat. Ich vermute, die Antwort lautet: Gar nicht! Sicher, wer unterdurchschnittlich klein und schmächtig ist, wird voraussichtlich geringe Chancen auf eine olympische Goldmedaille im Kugelstoßen haben. Es gibt überall ein paar k.o.-Kriterien, die zum sofortigen Ausschluss führen. Im Vertrieb sind dies aus meiner Sicht die Beherrschung der deutschen Sprache sowie der vier Grundrechenarten und der wichtigsten Benimmregeln. Das zusammen ist aber noch keine Begabung. Ob jemand für eine Tätigkeit wie zum Beispiel Vertrieb begabt ist, stellt sich nach meiner Überzeugung erst durch das Tun, das Machen, also in der die Praxis heraus.

Lieber Herr van Eckert, Sie sind der Gründer der Salegro-Vertriebsberatung in München, haben mal Informatik studiert und zehn Jahre im Vertrieb gearbeitet. Zu Ihren Kunden zählen auch bekannte Firmen aus der IT-Branche wie Ingram Micro, Sun, DNS, PC-Spezialist oder T-Systems. Sie haben sich in der Xing-Diskussion ebenfalls zu Wort gemeldet und zwar mit einer notwendigen Präzisierung der Ausgangsfrage. Sie haben folgende Situation konsturiert: Ein Unternehmen sucht einen Berufsanfänger (oder eine Berufsanfängerin), der zum zum Vertriebsbeauftragten (VB) ausgebildet werden soll. 100 Bewerbungen liegen auf dem Tisch. Nach welchen Kriterien wählen Sie die zehn Kandidaten für ein Vorstellungsgespräch aus? Das ist eine schöne und konkrete Frage. Leider haben weder Sie noch die vielen anderen Diskussionsteilnehmer diese Frage beantwortet. Statt dessen ergehen sich die meisten Schreiber in mehr oder weniger geschwurbelten Allgemein- und/oder Glaubenssätzen.

Also blieb die Arbeit wieder an mir hängen. Tja, welche Bewerber würde ich zum Vorstellungsgespräch einladen? Wie gesagt, keiner der Kandidaten hat Berufspraxis und entsprechende Erfolge und Zeugnisse vorzuweisen. Ich denke, ich würde diejenigen einladen, die in ihrem Anschreiben gesagt haben "Ich will ein Verkäufer werden". Und wenn alle 100 Bewerber dies geschrieben haben, dann würde ich alle 100 einladen. Richtig schwierig wird es erst dann, wenn ich am Ende nur einen einzigen behalten kann. Vermutlich würde ich dann den nehmen, der sich im Bewerbungsgespräch am besten "verkauft" hat.

Lieber Herr van Eckert, die amerikanische Fluggesellschaft Southwest Airline hat eine Maxime für die Einstellung von neuen Mitarbeitern, die mir gut gefällt: "Hire for attitude, train for skills." Auf deutsch: Stelle jemanden wegen seiner inneren Einstellung ein – im Vertrieb etwa "Ich will Erfolg und bin bereit, dafür viel zu lernen, hart zu arbeiten und mich zu quälen" – und bringe ihm dann das Nötige bei. Spricht etwas dagegen, bei der Rekrutierung des Vertriebsnachwuchses ebenso vorzugehen wie die US-Airline? Ich denke nicht. Aus meiner Sicht bekommt man auf diese Weise eher gute und erfolgreiche VBs, als durch die Suche nach irgendeiner speziellen Begabung oder eines Talents. Denn ich vermute, auch beim Vertriebler gilt der Erfahrungssatz: Erfolg ist zu 10 Prozent Inspiration (Talent/Begabung) und zu 90 Prozent Transpiration (Fleiß).

Beste Grüße!

Damian Sicking

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