Zuerst kommt die Rechung, dann die (Zahlungs-)Moral

Experten rechnen aufgrund der Wirtschaftskrise mit einer Verschlechterung der Zahlungsmoral. Besondern negativ fällt bereits heute die TK-Branche auf. Die IT-Unternehmen dagegen liegen deutlich besser als der Durchschnitt. Auch eine Frage der Erziehung?

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Damian Sicking

Lieber Ingram-Micro-Manager Marcus Adä,

das Credit-Management-Unternehmen Intrum Justitia meldet: "IT- und Telekom-Branche leidet unter schlechter Zahlungsmoral." Der ITK-Experte Till Roth sagt, "dass deutlich mehr Kunden inzwischen die zweite oder dritte Mahnung abwarten, bevor sie eine Rechnung begleichen. Dieser Negativtrend wird sich in den kommenden Monaten weiter verschärfen, wir erwarten auch mehr Forderungsausfälle." Auch der Wirtschaftsinformationsdienstleister D&B stellt in einer Studie eine Verschlechterung der Zahlungsmoral in der deutschen Wirtschaft fest.

Ingram-Manager Marcus Adä

Ingram-Manager Marcus Adä

(Bild: Ingram Micro)

Vor allem Verbandsgeschäftsführer rufen vor diesem Hintergrund gerne nach dem Gesetzgeber. Der soll etwas tun, damit die Firmen ordnungs- und fristgemäß ihre Rechnungen bezahlen. Bereits seit dem Jahr 2000 gibt es das sogenannte "Zahlungsmoral-Gesetz". Doch noch immer kritisieren Experten, dass dieses Gesetz in der Praxis keine durchschlagende Verbesserung gebracht hat. Was ja bei genauer Überlegung auch kein Wunder ist, wenn Sie mich fragen. Ein "Zahlungsmoral-Gesetz" kann ja gar nicht funktionieren. Denn für die Moral ist bekanntlich nicht der Gesetzgeber zuständig, sondern – unter anderem – der Priester. Ob aber beten viel nutzt, ist fraglich. Der Priester ist dann doch wohl eher für das Beichten zuständig – für den Sünder also, der durch sein skandalöses Zahlungsverhalten andere Unternehmen in Schwierigkeiten gebracht hat.

Nein, es ist zu befürchten, dass jede Firma mehr oder weniger auf sich selbst gestellt ist, wenn es um einen fristgerechten Zahlungseingang und das Vermeiden von Forderungsausfällen geht. Auf die Moral und den Anstand seiner Kunden kann sich dabei niemand verlassen. Es kann nicht schaden, wenn man sie erzieht. So wie dies offenbar die IT-Distributoren mit den Fachhändlern erfolgreich getan haben. Schlechtes Benehmen beim Begleichen der Rechnungen wird hier konsequent sanktioniert. Mit dem Ergebnis, dass die IT-Branche inzwischen einer der Wirtschaftszweige in Deutschland mit der besten "Zahlungsmoral" ist. Das zeigt zumindest die oben zitierte D&B-Studie. Während über alle Branchen hinweg weniger als 80 Prozent der Firmen ihre Rechnungen fristgerecht bezahlen, sind es in der IT-Branche immerhin knapp 84 Prozent. Damit gehört die IT-Branche zu den Vorbildern. Am besten ist die Zahlungsmoral mit einem Index-Wert von 94 in der Pharmabranche (das heißt, dass 94 Prozent der Pharma-Unternehmen ihre Rechnungen pünktlich bezahlen). Ganz schlecht dagegen schneiden die Telekommunkationsfirmen ab. Sie tragen in der D&B-Studie sogar die rote Laterne. Ihr Zahlungsverhalten ist noch mangelhafter als das der Automobil- und Zuliefererbranche (Index-Wert 74).

Sie selbst, lieber Herr Adä, hatten bei unserem letzten Gespräch Mitte Januar unterstrichen, dass Zahlungsausfälle bei Ingram Micro "noch kein großes Thema" seien. Auch Ihr Kollege Günter Schiessl von Tech Data sagte mir damals, dass sich das Zahlungsverhalten seiner Kunden trotz Krise nicht verändert habe. Würde mich interessieren, ob das heute auch noch so ist. Ihren Kunden, den IT-Händlern, empfahlen Sie seinerzeit, neben der eigenen Finanzierung ("Cash is king") zunehmend darauf zu achten, wie ihre Kunden finanziert sind. Und zwar nicht nur ihre Neukunden, sondern auch ihre Bestandskunden. Im Verdachtsfall lieber vor der Warenlieferung noch mal die Bonität prüfen und gegebenenfalls auch mal auf Vorkasse bestehen. Sicher ein heikles Thema vor allem bei bereits länger existierenden Kundenbeziehungen. Es besteht die Gefahr, dass man den Kunden verärgert und dieser womöglich die Beziehung beendet. Die mögliche Alternative – Zahlungsausfall – ist aber sicher noch unerfreulicher.

Beste Grüße

Damian Sicking

Und hier die Antwort von Ingram-Manager Marcus Adä.

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