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eBay und die Paragrafen

Matthias Parbel

Das Spektrum etwaiger Ärgernisse auf Plattformen wie eBay reicht von verwirrenden Disclaimern über Handelspartner, die sich nach dem Kauf aus der Affäre ziehen, bis zu professionellen Täuschern. Wir zeigen, was das deutsche Recht zu typischen Fragen sagt.

Während der letzten 16 Jahre hat eBay sich von einem Auktions-Kuriosum für eingefleischte Netzbewohner zu einem globalen Versandflohmarkt für praktisch jedermann entwickelt. Ärger bleibt dabei für die Teilnehmer nicht aus. Der Online-Marktplatz ist juristisch gesehen schon lange kein unentdecktes Land mehr – zahllose Gerichtsurteile haben sich schon mit Streitigkeiten rund ums Kaufen und Verkaufen auf eBay befasst [1] [1]. Viele Probleme beginnen bereits mit beliebten Formulierungen in Artikelbeschreibungen. Manche windschiefe Klausel hat sich über Jahre geradezu epidemieartig verbreitet, weil ein Anbieter sie vom anderen abschrieb. Die scheinbar bewährten Disclaimer sehen so herrlich juristisch aus – man denkt sich, man könnte sich vielleicht damit absichern, und schaden könnte es ja auf jeden Fall nicht, den Eindruck zu erwecken, man sei in rechtlicher Hinsicht mit allen Wassern gewaschen.

Was ist davon zu halten, wenn ein Angebotstext Formulierungen enthält wie: "Nach dem neuen EU-Recht müsste ich eine Garantie übernehmen. Das kann ich aber als Privatmann nicht – es gibt auch keinen Umtausch nach dem Fernabsatzgesetz"?

Dieser echte Klassiker pseudojuristischen Wildwuchses ist wohl jedem eBay-Teilnehmer schon begegnet. Tatsächlich ist das, worum es geht, weder neu noch EU-Recht. Zum Jahresbeginn 2002 erfolgte eine Modernisierung des deutschen Schuldrechts. Hierbei wurde das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) an verschiedenen Stellen verändert und unter anderem durch Regelungen ergänzt, die bis dahin in eigenen Gesetzen wie dem Fernabsatzgesetz (FAG) zu finden waren. Außerdem wurden Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft in deutsches Recht umgesetzt. Was es rechtlich zu eBay-Transaktionen zu sagen gibt, richtet sich in Deutschland also ausschließlich nach dem seit über neun Jahren im Wesentlichen unveränderten deutschen Schuldrecht, das durch die Paragrafen 241 bis 835 des BGB bestimmt wird.

Rosstäuscher haben es auf Online-Verkaufsplattformen leicht – weil Käufer sich nur auf Angebotstexte und Fotos verlassen können. Für deren Zuverlässigkeit muss der Anbieter geradestehen.

Ein gesetzliches "Umtauschrecht" gibt es nicht und hat es nie gegeben. Was es gibt, ist das Recht für Verbraucher, ihre Kaufentscheidung innerhalb einer 14-tägigen Frist zu widerrufen, wenn sie im Internet etwas von einem Unternehmer oder Unternehmen erwerben. Dieses Widerrufsrecht können Verkäufer vertraglich in ein praktisch gleichwertiges Rückgaberecht umwandeln. Das Fernabsatzgesetz gibt es schon lange nicht mehr; die genannten Bestimmungen stehen jetzt hauptsächlich in den Paragrafen 312b, 312c und 355 des BGB. Und mit der "Garantie" ist das auch so eine Sache: Eine echte Garantie ist eine freiwillige Leistung – meistens von Herstellern, gelegentlich auch von Verkäufern [2] [2]. Was die üblichen Disclaimer meinen, ist vielmehr die gesetzliche Gewährleistung, genauer gesagt die Haftung für Mängel der Kaufsache [3] [3].

Bin ich daran gebunden, wenn es bei einer Auktion heißt "Wer hier mitbietet, erklärt sich dadurch einverstanden, auf Gewährleistungs- und Widerrufsrecht zu verzichten"?

Verschiedene Rechte, die das Gesetz vorsieht, dienen besonderen Verbraucherschutzzwecken. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob ein sogenannter Verbrauchsgüterkauf vorliegt: Dies ist dann der Fall, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Ausschließlich bei einem solchen Verbrauchsgüterkauf sieht das Gesetz ein Widerrufsrecht vor, wenn auf eBay Waren erworben werden. Bei Geschäften zwischen zwei Verbrauchern oder zwischen zwei Unternehmern besteht es ohnehin nicht. Verbraucher (im Volksmund auch gern "Privatleute" genannt) müssen weder Widerrufs- noch Rückgaberecht einräumen.

Auf die Art des Geschäfts kommt es auch an, wenn das gesetzlich vorgesehene zweijährige Gewährleistungsrecht des Käufers beschnitten werden soll. Wenn ein Verbrauchsgüterkauf (Unternehmer an Verbraucher) vorliegt, ist eine Beschränkung des Gewährleistungsrechts nur in sehr engen Grenzen möglich: Ausschließlich bei Gebrauchtwaren lässt sich die Gewährleistungsfrist dann von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzen. Dies muss aber vertraglich so vereinbart werden. Andernfalls besteht die gesetzliche Gewährleistungspflicht für Neu- wie Gebrauchtwaren zwei Jahre lang. Sie bezieht sich allerdings nur auf Mängel, die bereits beim Kauf vorhanden oder angelegt waren. Dass dies der Fall ist, muss der Käufer nach Ablauf der ersten sechs Monate gegebenenfalls beweisen können.

Unter Verbrauchern lässt sich das Gewährleistungsrecht tatsächlich durch vertragliche Vereinbarung aus dem Weg räumen: Die Juristen sprechen von einem abdingbaren Recht. Das heißt allerdings keineswegs, dass ein Verbraucher als Anbieter bei einem Gewährleistungsausschluss nicht dennoch für das geradestehen müsste, was er anpreist und verkauft: Die Angebotsbeschreibung nebst Foto gilt rechtlich als verbindliche Grundlage des Kaufvertrags, da der Käufer ja keine andere Orientierungsmöglichkeit hat. Wenn ein Anbieter also vollmundig etwas verspricht, was er von vornherein nicht halten kann, muss er dafür ebenso haften wie für Mängel der Kaufsache, die er bewusst verschwiegen hat. Wenn es nämlich um arglistige Täuschung geht, helfen alle Gewährleistungsausschlüsse nichts [4] [4].

Ansonsten ist ein Gewährleistungsausschluss unter Verbrauchern aber grundsätzlich wirksam und lässt sich ohne großes fachchinesisches Brimborium vereinbaren. Eine solche Vereinbarung in einem Angebotstext wird in den Kaufvertrag einbezogen. Man sollte allerdings schon beachten, dass dies keine juristische Hängematte für alle Fälle ist. Wenn der Verkäufer seinen Gewährleistungsausschluss in einer Vielzahl von Auktionen verwendet oder – auch das reicht aus – das nur vorhat, greift das strenge Reglement des BGB für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB); es gilt auch für nicht gewerbliche Verkäufer. An die Formulierung eines wirksamen Haftungsausschlusses mittels AGB stellt das Gesetz hohe Anforderungen. So lässt sich die Haftung für grobes Verschulden und Vorsatz nie, die Haftung für einfache Fahrlässigkeit nur für Sachschäden wirksam beschränken [5] [5].

Ein eBay-typischer umfassender Gewährleistungsausschluss kann deshalb nur gelingen, wenn der Verkäufer ihn im Einzelfall verwendet. Vorsicht ist aber auch dann geboten, etwa wenn auf den Formulierungsvorschlag eines anderen aus dem Internet zurückgegriffen wird. Wie kürzlich das Oberlandesgericht Hamm [6] [6] entschied, muss es ein Verkäufer gegen sich gelten lassen, wenn die von ihm abgeschriebene Klausel ursprünglich für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen war. Das bedeutet: Auch wenn der Verkäufer selbst sie nur ein einziges Mal verwendet, handelt es sich dann rechtlich gesehen um AGB. Wer als professioneller Verkäufer [7] auf der sicheren Seite sein will, wird letzten Endes kaum um die Überlegung herumkommen, ob es sich nicht lohnt, einen Juristen mit der Abfassung rechtskonformer AGB [8] zu beauftragen. Dieser muss dann auch dafür haften, dass er saubere Arbeit abgeliefert hat.

Eine Macke am Gehäuse – der Verpackung hat man den offenbar unsanften Transport des Geräts zunächst nicht angesehen. Geht es um ein Geschäft zwischen Verbrauchern, ist der Verkäufer aus dem Schneider – sofern er die Ware hinreichend sorgfältig verpackt auf den Versandweg gebracht hat.

Muss ich tatsächlich in die Röhre gucken, weil gekaufte Ware bei mir beschädigt ankam und der Angebotstext die Klausel enthielt "Das Versandrisiko geht zu Lasten des Käufers"?

Wenn ein Verbraucher etwas von jemandem kauft, der bei eBay als Unternehmer handelt, ist er in puncto Versandrisiko gut dran, selbst wenn der Angebotstext etwas anderes behauptet. Der Unternehmer muss das Risiko dafür tragen, dass die gekaufte Sache während des Versands beschädigt werden oder verloren gehen kann. Von dieser gesetzlichen Vorschrift darf er nicht zu Lasten des Verbrauchers abweichen [7] [9]. Anders liegt der Fall, wenn es um ein Geschäft zwischen Verbrauchern geht. Dann trägt der Käufer tatsächlich das Versandrisiko – und zwar völlig unabhängig davon, ob der Angebotstext etwas darüber sagt oder nicht.

Der Verkäufer ist in diesem Fall nur verpflichtet, die Ware sicher zu verpacken und dem Frachtunternehmen zu übergeben. Wenn dieses den Schaden oder Verlust zu vertreten hat, kann ein geschädigter Käufer sich allerdings direkt an dieses wenden und Schadenersatz fordern. Früher war es nötig, dass der Verkäufer als Auftraggeber Ansprüche gegen den Transporteur geltend machte oder diese Ansprüche ausdrücklich an den Käufer abtrat, damit dieser selbst aktiv werden konnte.

Ein Anbieter droht in seinem Text damit, Spaßbieter würden von seinem Anwalt hören und eine Anzeige riskieren. Er schreibt auch, wer immer auf seinen Auktionen mitbietet, würde sich dadurch bereit erklären, bei einem Rückzieher einen Schadenersatz von 30 Prozent des Kaufpreises zu zahlen. Ist das rechtens?

Als Spaßbieter gelten diejenigen, die "aus Spaß", also ohne ernste Kaufabsichten, bei einer Auktion mitbieten. Wer zum Abschlusszeitpunkt als Höchstbieter dasteht, schließt einen wirksamen Kaufvertrag mit dem Anbieter. Ein solcher wirksamer Vertrag kommt auch dann zustande, wenn der Bieter eigentlich gar nichts kaufen will. Das BGB spricht bei solchen Fällen von einem "geheimen Vorbehalt", und der ist unwirksam. Wenn der Bieter den Kaufpreis nicht zahlt, verletzt er seine Vertragspflichten und macht sich damit schadenersatzpflichtig. Er muss also dem Verkäufer den Schaden ersetzen, der diesem durch die Vertragsverletzung entstanden ist. Wie hoch der allerdings ist, darüber kann man im Einzelfall trefflich streiten. Dass eBay-Bieter, die einen voreiligen Kauf sofort bedauern und einen stillen Rückzieher machen wollen, Post vom Anwalt des Verkäufers mit einer Schadenersatzforderung bekommen, kann also durchaus passieren. Vor Gericht wird eine solche Forderung allerdings nur dann Bestand haben, wenn sie in der Höhe angemessen ist. Zu erstattende Anwalts- und gegebenenfalls Gerichtskosten können die Schadenshöhe allerdings schnell wachsen lassen.

Auch die Ankündigung einer bestimmten Schadenssumme für Nichtzahler im Angebotstext ist nicht nur heiße Luft, sofern es Geschäfte zwischen zwei Verbrauchern oder zwischen zwei Unternehmern betrifft: In einer Entscheidung aus dem Jahr 2005 hat das Amtsgericht Bremen hierin die wirksame Vereinbarung einer Vertragsstrafe gesehen und einen eBay-Teilnehmer zur Zahlung von 30 Prozent des Kaufpreises verurteilt [8] [10]. Auf dieses Urteil werden sich Verkäufer allerdings nur im Ausnahmefall berufen können: Üblicherweise verwenden Anbieter derartige Formulierungen in jeder ihrer Auktionen, sodass man von AGB sprechen muss, und die wären dann unwirksam. Es muss sich also schon um eine charakteristische Vereinbarung im Einzelfall handeln.

Wenn Unternehmer etwas an Verbraucher verkaufen, greift die Vereinbarung einer Vertragsstrafe für einen Rückzieher des Käufers ins Leere: Diesem steht ja sein gesetzliches Widerrufsrecht zu; er kann es ohne weitere Begründung ausüben, auch wenn er ein "Spaßbieter" ist. Dafür muss er übrigens nicht einmal das Auktionsende und damit den Abschluss des Kaufvertrages abwarten. Das Widerrufsrecht lässt sich vielmehr schon unmittelbar nach Abgabe der Vertragserklärung ausüben, also nach dem Gebot.

Sofern von einer "Anzeige" die Rede ist, kann es realistisch gesehen nur um eine Meldung an eBay gehen. Das Nichtbezahlen stellt einen Verstoß gegen die eBay-AGB dar; der Marktplatzbetreiber kann den Account von unzuverlässigen Bietern sperren. Strafrechtlich ist das "Spaßbieten" hingegen meistens irrelevant, sofern nicht tatsächlich der Tatbestand des Betrugs gegeben ist. Wenn der Bieter etwa nicht nur zahlungsunwillig, sondern auch zahlungsunfähig ist und Anbieter damit täuscht, könnten sich auch die Ermittlungsbehörden dafür interessieren.

Bei einer Auktion soll ein elektronisches Gerät verkauft werden; die Gebote stehen zunächst bei unter 10 Euro. Im Text schreibt der Anbieter allerdings "Unter 200 Euro gebe ich das Gerät nicht her". Was ist, wenn ich mit 20 Euro zum Höchstbieter werde?

Wer sich dagegen schützen möchte, einen Artikel bei wenig Interessenten allzu billig abgeben zu müssen, kann die Auktion mit einem hinreichend hohen Startgebot beginnen lassen; bei etlichen Artikelrubriken ist auch das Setzen einer Sperre in Form eines geheimen Mindestpreises möglich. Beides macht die Auktionen jedoch für den Anbieter teurer als die standardmäßige Option "ab 1 Euro". Die eBay-AGB erlauben es nicht, die Hintertür zu nutzen, die darin besteht, dass man in der Artikelbeschreibung selbst einen bestimmten Mindestpreis festlegt.

Wenn ein Anbieter das trotzdem tut, verstößt er gegen die eBay-Bestimmungen und riskiert Sanktionen der Marktplatzbetreiber. Andererseits kann sich ein Bieter, der mit seinem Höchstgebot unterhalb des ausdrücklich verlangten Minimums zum Zuge kommt, rechtlich nicht darauf berufen, dass der Anbieter so etwas ja nicht durfte. Es kommt dann jedenfalls kein wirksamer Kaufvertrag zustande, da der Anbieter seine Willenserklärung ("Ich will verkaufen") ausdrücklich unter eine Bedingung gestellt hat.

Was ist davon zu halten, wenn ein "privater" Anbieter in seinen Angebotstexten kategorisch "Keine Rücknahme!" verkündet?

Viele Anbieter sehen vor ihrem inneren Auge ein Schreckgespenst in Form von mäkelnden Käufern, denen die ersteigerte Ware nicht gefällt, und möchten nach dem Auktionsabschluss nichts mehr damit zu tun haben. Tatsächlich ist ein privater Verkäufer grundsätzlich nicht zur Rücknahme verpflichtet, sofern er den verkauften Artikel nicht wissentlich falsch beschrieben hat. Wenn das jedoch der Fall sein sollte, kann der Käufer den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten und Rückabwicklung verlangen.

Unter Umständen kann er zudem Schadenersatz verlangen. Bei alledem muss man aber berücksichtigen, dass dem Verkäufer in einem Gerichtsverfahren nachgewiesen werden müsste, dass ihm die Unrichtigkeit der Beschreibung bewusst war. Ein solcher Beweis ist oft schwer zu führen. Ein arglistig täuschender Verkäufer wiederum riskiert nicht nur zivilrechtlichen Ärger – er kann sich außerdem noch als Betrüger strafbar machen.

Ich habe mich darauf gefreut, einen per Auktion angebotenen Artikel zu ergattern. Als ich kurz vor Auktionsschluss ins eBay-System schaute, hieß es, der Verkäufer habe das Angebot vorzeitig beendet. Kann ich etwas dagegen tun?

In der Praxis meistens nicht, obwohl es bereits einzelne spektakuläre Gegenbeispiele gegeben hat. Im Normalfall läuft eine einmal gestartete Auktion unaufhaltsam ab, und zum Ablaufzeitpunkt kommt ein Kaufvertrag zwischen dem Anbieter und dem Höchstbietenden zustande. Das eBay-System sieht aber einige Ausnahmebedingungen vor, unter denen ein Anbieter eine Auktion vorzeitig beenden kann: wenn der angebotene Artikel verloren gegangen, beschädigt worden oder anderweitig nicht mehr zum Verkauf verfügbar ist oder wenn dem Anbieter beim Eingeben des Angebots, des Startpreises oder des Mindestpreises ein Fehler unterlaufen ist. Passend dazu räumt auch das Gesetz dem Verkäufer ein, dass er sich unter eng gesteckten Voraussetzungen von seinem Angebot lösen darf. So gibt es etwa die Vertragsanfechtung aufgrund eines Erklärungsirrtums.

Ungeklärt ist bisher, ob auch die anderen von eBay angebotenen Möglichkeiten, Auktionen vorzeitig zu beenden, juristisch gesehen zu einer Vertragsanfechtung berechtigen können – etwa wenn es darum geht, dass ein angebotener Artikel vor Auktionsablauf zerstört worden ist. Das Landgericht Fulda hat das im November 2010 bejaht [9] [11]. Dieses Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig; im Laufe der kommenden Monate wird der BGH über die Frage abschließend entscheiden. Im Zweifel müsste der Verkäufer aber beweisen, dass die geltend gemachte Ausnahme auch tatsächlich zutrifft. Und wenn ein leer ausgegangener Käufer es auf einen Rechtsstreit ankommen lässt, kann auf den Anbieter selbst nach einer erfolgreichen Vertragsanfechtung möglicherweise noch eine böse Überraschung warten. Er schuldet dem Handelspartner dann womöglich noch Schadensersatz, wenn dieser das Recht hatte, auf die Gültigkeit des Vertrags zu vertrauen, und ihm durch die Anfechtung seitens des Verkäufers ein Schaden entstanden ist.

Wenn die Vertragsanfechtung vor Gericht keinen Bestand hat, bleibt der Verkäufer an den Kaufvertrag gebunden und schuldet dem Käufer die Kaufsache. Weigert er sich, kann der Käufer stattdessen "Schadensersatz statt der Leistung" verlangen. Bei der Schadensberechnung wird dann nicht der Verkaufswert des Artikels, sondern der Marktwert zugrunde gelegt. So verurteilte das AG Gummersbach 2010 einen eBay-Händler zur Zahlung von über 3000 Euro Schadenersatz, nachdem dieser eine Auktion vorzeitig abgebrochen hatte und die angebotenen hochwertigen Aluminiumfelgen nicht für einen Euro an den Höchstbietenden herausgeben wollte [10] [12]. In besonders krassen Fällen kann man mit solchen Forderungen jedoch auch abblitzen. Das Landgericht Koblenz wies 2009 eine Klage ab, mit der ein Käufer 75 000 Euro Schadenersatz verlangte, weil er einen ersteigerten Porsche nicht für sein Höchstgebot von 5,50 Euro erhalten hatte [11] [13].

Das Gericht bejahte zwar die Schadenersatzpflicht des Verkäufers dem Grunde nach, aber der Unterschied zwischen dem Marktwert des Fahrzeugs und dem Verkaufspreis schien ihm denn doch allzu groß. Angesichts dessen erklärte es die Forderung des Käufers für rechtsmissbräuchlich, da sie gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstieß. Verkäufer, die leichtfertig ohne zutreffenden Anfechtungsgrund die Reißleine des vorzeitigen Auktionsabbruchs ziehen, sollten sich jedoch nicht darauf verlassen, dass ein Gericht im Zweifelsfall für sie einen solchen juristischen Fallschirm öffnet.

Ein unzufriedener Käufer hat mir in seinem Bewertungskommentar eine Breitseite verpasst und dabei auch Dinge behauptet, die unwahr sind. Kann ich mich dagegen wehren?

eBay-Bewertungen sind wie andere Aussagen im Internet öffentliche Äußerungen. Insofern gibt es nicht nur eine moralische, sondern auch rechtliche Pflicht, verantwortungsvoll mit diesem Instrument umzugehen [12] [14]. Gerade bei Verkäufern können prekäre Inhalte von Bewertungskommentaren an der Reputation kratzen. Als Folge lässt sich dann befürchten, dass manche Kaufinteressenten die Angebote des Gescholtenen meiden und insofern ein gewisser Geboteschwund eintritt. Manchmal wird eine Bewertung irrtümlich falsch abgegeben oder es geraten aus momentanem Zorn Behauptungen hinein, die sich später nicht halten lassen. Diese kann ein Bewerteter beim Schreiber reklamieren, und der kann durch eine nachträgliche Bearbeitung die Sache wieder geraderücken.

Eine regelrechte Entfernung von Bewertungen kann nur eBay vornehmen, und dafür gibt es einen Katalog möglicher Bedingungen. Diese betreffen beispielsweise jugendgefährdende, rassistische oder im strafrechtlichen Sinne beleidigende Kommentarinhalte, außerdem die Preisgabe von Klarnamen oder anderen persönlichen Daten. Rechtlich gesehen sind Werturteile, die in Kommentaren auftauchen, normalerweise vom Grundrecht des Schreibers auf freie Meinungsäußerung gedeckt – solange sie nicht die Grenze zur Schmähkritik überschreiten. Falsche Tatsachenbehauptungen hingegen muss ein Bewerteter nicht dulden.

Strafrechtlich – etwa über eine Anzeige wegen Beleidigung – lässt sich in diesem Bereich nur in ganz krassen Fällen etwas ausrichten. Normalerweise spielt sich der Streit um eBay-Bewertungen auf dem Boden des Zivilrechts ab. Wer rechtlich gegen Bewertungen vorgehen will, durch die er sich in seinen Rechten verletzt sieht, wendet sich zunächst über das eBay-eigene Nachrichtensystem an den Bewerter. Wenn dieser sich uneinsichtig zeigt, kann man ihm eine Abmahnung schicken mit der Aufforderung, die gemachten Behauptungen künftig zu unterlassen und eine entsprechende Unterlassungserklärung abzugeben. Sofern er die dafür gesetzte Frist fruchtlos verstreichen lässt, kann man eine gerichtliche Entscheidung gegen ihn erwirken.

Ein Gerichtsverfahren kann einige Zeit in Anspruch nehmen, in der die falsche Bewertung den Profilglanz trübt. Wie im März 2011 das Oberlandesgericht Düsseldorf entschieden hat, kann ein Betroffener dennoch nicht im sogenannten einstweiligen Verfügungsverfahren schnell eine vorübergehende Regelung erreichen [13] [15]. Das Gericht fand die besondere Dringlichkeit, die für den sogenannten einstweiligen Rechtsschutz nötig ist, nicht gegeben – denn das eBay-Bewertungssystem biete ja dem Betroffenen die Möglichkeit, als Zusatzkommentar gleich seine eigene Sicht der Dinge zu schildern und einer falschen Bewertung so inhaltlich entgegenzutreten. Das Abwarten einer gerichtlichen Entscheidung im länger dauernden Hauptsacheverfahren sei ihm deshalb zuzumuten. (psz [16])

  1. Kai Mielke, Nachschlag zum Zuschlag, Kleine Gesetzeskunde für Geschäfte bei eBay & Co., c’t 19/03, S. 82; Kai Mielke, Drei, zwei, eins? – Ärger?, Spezielle Rechtsfragen rund um Internet-Auktionen, c’t 4/04, S. 96
  2. Garantie: § 443 BGB [18]
  3. Mängelhaftung: § 437 BGB [19]
  4. § 444 BGB [20]
  5. § 309 Nr. 7 BGB [21]
  6. OLG Hamm, Urteil vom 13. 1. 2011, Az. 2 U 143/10
  7. Versandrisiko: §§ 474, 475 BGB [22]
  8. AG Bremen, Urteil vom 20. 10. 2005, Az. 16 C 168/05; Kai Mielke, Teurer Spaß, Bieten ohne Kaufabsicht bei Online-Auktionen kann kostspielig werden, c’t 14/06, S. 191
  9. LG Fulda, Urteil vom 12. 11. 2010, Az. 1 S 82/10
  10. AG Gummersbach, Urteil vom 28. 6. 2010, Az. 10 C 25/10
  11. LG Koblenz, Urteil vom 18. 3. 2009, Az. 10 O 250/08
  12. Kai Mielke, Geschmäht, gelogen, gelöscht, Neuere Rechtsprechung zu eBay-Bewertungen, c’t 3/07, S. 176
  13. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. 3. 2011, Az. I-15 W 14/11

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[18] http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__443.html
[19] http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__437.html
[20] http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__444.html
[21] http://www.gesetze-im-internet.de/bgb/__309.html
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