eBay und die Paragrafen

Das Spektrum etwaiger Ärgernisse auf Plattformen wie eBay reicht von verwirrenden Disclaimern über Handelspartner, die sich nach dem Kauf aus der Affäre ziehen, bis zu professionellen Täuschern. Wir zeigen, was das deutsche Recht zu typischen Fragen sagt.

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Lesezeit: 20 Min.
Von
  • Matthias Parbel
Inhaltsverzeichnis

Während der letzten 16 Jahre hat eBay sich von einem Auktions-Kuriosum für eingefleischte Netzbewohner zu einem globalen Versandflohmarkt für praktisch jedermann entwickelt. Ärger bleibt dabei für die Teilnehmer nicht aus. Der Online-Marktplatz ist juristisch gesehen schon lange kein unentdecktes Land mehr – zahllose Gerichtsurteile haben sich schon mit Streitigkeiten rund ums Kaufen und Verkaufen auf eBay befasst [1]. Viele Probleme beginnen bereits mit beliebten Formulierungen in Artikelbeschreibungen. Manche windschiefe Klausel hat sich über Jahre geradezu epidemieartig verbreitet, weil ein Anbieter sie vom anderen abschrieb. Die scheinbar bewährten Disclaimer sehen so herrlich juristisch aus – man denkt sich, man könnte sich vielleicht damit absichern, und schaden könnte es ja auf jeden Fall nicht, den Eindruck zu erwecken, man sei in rechtlicher Hinsicht mit allen Wassern gewaschen.

Was ist davon zu halten, wenn ein Angebotstext Formulierungen enthält wie: "Nach dem neuen EU-Recht müsste ich eine Garantie übernehmen. Das kann ich aber als Privatmann nicht – es gibt auch keinen Umtausch nach dem Fernabsatzgesetz"?

Dieser echte Klassiker pseudojuristischen Wildwuchses ist wohl jedem eBay-Teilnehmer schon begegnet. Tatsächlich ist das, worum es geht, weder neu noch EU-Recht. Zum Jahresbeginn 2002 erfolgte eine Modernisierung des deutschen Schuldrechts. Hierbei wurde das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) an verschiedenen Stellen verändert und unter anderem durch Regelungen ergänzt, die bis dahin in eigenen Gesetzen wie dem Fernabsatzgesetz (FAG) zu finden waren. Außerdem wurden Richtlinien der Europäischen Gemeinschaft in deutsches Recht umgesetzt. Was es rechtlich zu eBay-Transaktionen zu sagen gibt, richtet sich in Deutschland also ausschließlich nach dem seit über neun Jahren im Wesentlichen unveränderten deutschen Schuldrecht, das durch die Paragrafen 241 bis 835 des BGB bestimmt wird.

Rosstäuscher haben es auf Online-Verkaufsplattformen leicht – weil Käufer sich nur auf Angebotstexte und Fotos verlassen können. Für deren Zuverlässigkeit muss der Anbieter geradestehen.

Ein gesetzliches "Umtauschrecht" gibt es nicht und hat es nie gegeben. Was es gibt, ist das Recht für Verbraucher, ihre Kaufentscheidung innerhalb einer 14-tägigen Frist zu widerrufen, wenn sie im Internet etwas von einem Unternehmer oder Unternehmen erwerben. Dieses Widerrufsrecht können Verkäufer vertraglich in ein praktisch gleichwertiges Rückgaberecht umwandeln. Das Fernabsatzgesetz gibt es schon lange nicht mehr; die genannten Bestimmungen stehen jetzt hauptsächlich in den Paragrafen 312b, 312c und 355 des BGB. Und mit der "Garantie" ist das auch so eine Sache: Eine echte Garantie ist eine freiwillige Leistung – meistens von Herstellern, gelegentlich auch von Verkäufern [2]. Was die üblichen Disclaimer meinen, ist vielmehr die gesetzliche Gewährleistung, genauer gesagt die Haftung für Mängel der Kaufsache [3].

Bin ich daran gebunden, wenn es bei einer Auktion heißt "Wer hier mitbietet, erklärt sich dadurch einverstanden, auf Gewährleistungs- und Widerrufsrecht zu verzichten"?

Verschiedene Rechte, die das Gesetz vorsieht, dienen besonderen Verbraucherschutzzwecken. Es kommt dabei entscheidend darauf an, ob ein sogenannter Verbrauchsgüterkauf vorliegt: Dies ist dann der Fall, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Ausschließlich bei einem solchen Verbrauchsgüterkauf sieht das Gesetz ein Widerrufsrecht vor, wenn auf eBay Waren erworben werden. Bei Geschäften zwischen zwei Verbrauchern oder zwischen zwei Unternehmern besteht es ohnehin nicht. Verbraucher (im Volksmund auch gern "Privatleute" genannt) müssen weder Widerrufs- noch Rückgaberecht einräumen.

Auf die Art des Geschäfts kommt es auch an, wenn das gesetzlich vorgesehene zweijährige Gewährleistungsrecht des Käufers beschnitten werden soll. Wenn ein Verbrauchsgüterkauf (Unternehmer an Verbraucher) vorliegt, ist eine Beschränkung des Gewährleistungsrechts nur in sehr engen Grenzen möglich: Ausschließlich bei Gebrauchtwaren lässt sich die Gewährleistungsfrist dann von zwei Jahren auf ein Jahr verkürzen. Dies muss aber vertraglich so vereinbart werden. Andernfalls besteht die gesetzliche Gewährleistungspflicht für Neu- wie Gebrauchtwaren zwei Jahre lang. Sie bezieht sich allerdings nur auf Mängel, die bereits beim Kauf vorhanden oder angelegt waren. Dass dies der Fall ist, muss der Käufer nach Ablauf der ersten sechs Monate gegebenenfalls beweisen können.

Unter Verbrauchern lässt sich das Gewährleistungsrecht tatsächlich durch vertragliche Vereinbarung aus dem Weg räumen: Die Juristen sprechen von einem abdingbaren Recht. Das heißt allerdings keineswegs, dass ein Verbraucher als Anbieter bei einem Gewährleistungsausschluss nicht dennoch für das geradestehen müsste, was er anpreist und verkauft: Die Angebotsbeschreibung nebst Foto gilt rechtlich als verbindliche Grundlage des Kaufvertrags, da der Käufer ja keine andere Orientierungsmöglichkeit hat. Wenn ein Anbieter also vollmundig etwas verspricht, was er von vornherein nicht halten kann, muss er dafür ebenso haften wie für Mängel der Kaufsache, die er bewusst verschwiegen hat. Wenn es nämlich um arglistige Täuschung geht, helfen alle Gewährleistungsausschlüsse nichts [4].

Ansonsten ist ein Gewährleistungsausschluss unter Verbrauchern aber grundsätzlich wirksam und lässt sich ohne großes fachchinesisches Brimborium vereinbaren. Eine solche Vereinbarung in einem Angebotstext wird in den Kaufvertrag einbezogen. Man sollte allerdings schon beachten, dass dies keine juristische Hängematte für alle Fälle ist. Wenn der Verkäufer seinen Gewährleistungsausschluss in einer Vielzahl von Auktionen verwendet oder – auch das reicht aus – das nur vorhat, greift das strenge Reglement des BGB für allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB); es gilt auch für nicht gewerbliche Verkäufer. An die Formulierung eines wirksamen Haftungsausschlusses mittels AGB stellt das Gesetz hohe Anforderungen. So lässt sich die Haftung für grobes Verschulden und Vorsatz nie, die Haftung für einfache Fahrlässigkeit nur für Sachschäden wirksam beschränken [5].

Ein eBay-typischer umfassender Gewährleistungsausschluss kann deshalb nur gelingen, wenn der Verkäufer ihn im Einzelfall verwendet. Vorsicht ist aber auch dann geboten, etwa wenn auf den Formulierungsvorschlag eines anderen aus dem Internet zurückgegriffen wird. Wie kürzlich das Oberlandesgericht Hamm [6] entschied, muss es ein Verkäufer gegen sich gelten lassen, wenn die von ihm abgeschriebene Klausel ursprünglich für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen war. Das bedeutet: Auch wenn der Verkäufer selbst sie nur ein einziges Mal verwendet, handelt es sich dann rechtlich gesehen um AGB. Wer als professioneller Verkäufer auf der sicheren Seite sein will, wird letzten Endes kaum um die Überlegung herumkommen, ob es sich nicht lohnt, einen Juristen mit der Abfassung rechtskonformer AGB zu beauftragen. Dieser muss dann auch dafür haften, dass er saubere Arbeit abgeliefert hat.

Eine Macke am Gehäuse – der Verpackung hat man den offenbar unsanften Transport des Geräts zunächst nicht angesehen. Geht es um ein Geschäft zwischen Verbrauchern, ist der Verkäufer aus dem Schneider – sofern er die Ware hinreichend sorgfältig verpackt auf den Versandweg gebracht hat.

Muss ich tatsächlich in die Röhre gucken, weil gekaufte Ware bei mir beschädigt ankam und der Angebotstext die Klausel enthielt "Das Versandrisiko geht zu Lasten des Käufers"?

Wenn ein Verbraucher etwas von jemandem kauft, der bei eBay als Unternehmer handelt, ist er in puncto Versandrisiko gut dran, selbst wenn der Angebotstext etwas anderes behauptet. Der Unternehmer muss das Risiko dafür tragen, dass die gekaufte Sache während des Versands beschädigt werden oder verloren gehen kann. Von dieser gesetzlichen Vorschrift darf er nicht zu Lasten des Verbrauchers abweichen [7]. Anders liegt der Fall, wenn es um ein Geschäft zwischen Verbrauchern geht. Dann trägt der Käufer tatsächlich das Versandrisiko – und zwar völlig unabhängig davon, ob der Angebotstext etwas darüber sagt oder nicht.

Der Verkäufer ist in diesem Fall nur verpflichtet, die Ware sicher zu verpacken und dem Frachtunternehmen zu übergeben. Wenn dieses den Schaden oder Verlust zu vertreten hat, kann ein geschädigter Käufer sich allerdings direkt an dieses wenden und Schadenersatz fordern. Früher war es nötig, dass der Verkäufer als Auftraggeber Ansprüche gegen den Transporteur geltend machte oder diese Ansprüche ausdrücklich an den Käufer abtrat, damit dieser selbst aktiv werden konnte.