c't Fotografie 3/2018
S. 112
Anders fotografieren
Aufmacherbild

Fotografieren und Meditation

Mit der Kamera lässt es sich wunderbar zur Ruhe kommen. Obwohl man mit einem technischen Gerät hantiert, taucht man bei der Suche nach Motiven in einen intensiven Prozess ein, der den Geist in den Zauber des unmittelbaren Moments führt und zur inneren Entschleunigung beiträgt. Was das mit Meditation zu tun hat, beleuchtet der künstlerisch arbeitende Fotograf Torsten Andreas Hoffmann in diesem Beitrag.

Das kleine Bild zeigt die Skyline von New York mit der Brooklyn Bridge, wie man sie kennt. Nimmt man jedoch einmal das kleine künstlerische Glashaus in den Vordergrund, so kommt man weg vom allzu oft Gesehenen. Das Glashaus ist wie die Meditation, eine kleine Oase in einer lauten Umgebung.

Da der Begriff Meditation bei manchen Menschen Gedanken an etwas Unseriöses wie seichte Esoterik, unwissenschaftliche Behauptungen oder Ähnliches auslöst, möchte ich mich hier auf die seriöse japanische Zen-Philosophie beziehen und Ihnen aufzeigen, dass sie viel mit der Herangehensweise der Fotografie gemeinsam hat. Schon der berühmte Fotograf Henri Cartier-Bresson hat sich mit Zen beschäftigt und Zen ist in seine Fotografien und Zeichnungen eingeflossen. Meditation hat viel mit dem heute oft benutzten neudeutschen Wort Flow (fließen, rinnen, strömen) zu tun. Damit ist ein als beglückend erlebter Gefühlszustand gemeint. Wie man in solch einen Flow kommen kann, wird auch Gegenstand der folgenden Betrachtungen sein.

Meditation und Fotografie haben mehr gemeinsam als man gemeinhin denkt: Beides ist auf den gegenwärtigen Moment bezogen, beides erfordert ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit, und beides gelingt am besten, wenn der Geist frei von störenden Gedanken und damit unvoreingenommen ist. Mit Vorurteilen oder festen Vorstellungen behaftet, lässt sich nämlich nicht gut fotografieren. Und so ist es eine gute Voraussetzung für die Fotografie, sich der vielen „Schubladen“ im Kopf bewusst zu werden und sie loszulassen, um die Welt unvoreingenommen zu betrachten.

Zen und Meditation