c't 6/2017
S. 22
Prozessorgeflüster
AMD Ryzen

Prozessorgeflüster

Von Rap und Rock

AMD Ryzen war das herausragende Prozessor-Event der letzten Jahre, aber auch die Server-Prozessoren Naples und Skylake-EP werfen ihre Schatten voraus.

Ob sie denn einen Ryzen-Rap auf Lager hätte, fragte ich AMD-Chefin Lisa Su etwas neckisch bei der Ryzen-Party im Grand Hyatt in San Francisco. Nein, sie wolle die Gäste nicht vergraulen, und lächelte dabei. Meine Frage spielte auf die letzten großen und ähnlich optimistischen AMD-Events an, nämlich diejenigen zur Einführung der 64-Bit-„Hammer“-Prozessoren. Damals im Herbst 2002 rockte AMD-Chef Hector Ruiz mit seiner Gitarre die Bude und spielte zusammen mit Rock-Ikone Slash „Knockin’ on Intel’s Door“ – oder so ähnlich. Auch 2005 bei der Premiere der ersten 64-bittigen Dual-Cores in New York kam man in den Genuss der Ruizschen Rockability. Und Ruiz heizte damit nicht nur den Gästen ein, sondern setzte mit den Athlon-64- und Opteron-Chips den Konkurrenten Intel mächtig unter Druck. Mit 64 Bit, mit integrierten Speicher-Controllern, schnellen HyperTransport-Links und mit Zwei-Kern-Prozessoren war AMD damals technologisch weit voraus. Intel musste wohl oder übel die eigenen 64-Bit-Erweiterungen einstampfen und AMD hinterherlaufen.

AMD-Chefin Lisa Su hat einen steinigen Weg hinter sich, nun will sie mit Ryzen zu neuen Horizonten.

Weit voraus ist AMD inzwischen allerdings nicht mehr. Vielmehr musste die Firma jahrelang dem zwischenzeitlich in Fahrt gekommenen Konkurrenten hinterhertrotten, und so ging es jetzt erst einmal nicht ums Über-, sondern ums Aufholen. Um nachzuprüfen, ob das gelungen ist, blieben c’t nur zwei, drei Tage Zeit für die Benchmarks samt Artikel, und selbst da purzelten noch neue BIOSse rein. Für solche mehrtägigen Läufe wie bei SPEC CPU2006, etwa mit dem GCC 6.2, der bereits Zen-Optimierung kennt, reichte die Zeit schlichtweg nicht.

Angesichts des bedrohlich nahen Drucktermins dieser letzten verbleibenden großen Print-Computerzeitschrift – ja selbst Computerbild musste unlängst den Disclaimer „Europas Nr. 1“ von der Titelseite streichen, und in China, Indien oder Japan gibts offenbar nichts, was im IT-Bereich überhaupt jenseits der 100.000er Auflage läge – bekam ich von AMD immerhin gleich zwei Ryzen-Systeme vor Ort in die Hand gedrückt.

Nach den ersten Messungen siehts jedenfalls recht ordentlich aus (siehe S. 64), auch wenn längst nicht alles Gold ist. Wenn man die Ergebnisse dann aber in Relation zum Preis sieht, steht AMD in der jetzt vorgestellten Ryzen-7-Oberklasse meist blendend da – wie gut, dass man sich dort mit dem luxuriösen Xeon-Abkömmling Core i7-6900K mit acht Kernen vergleichen kann. Bei Ryzen 5 und 3 wird es dann wohl gegen den Core i5, i3 sowie Pentium und Celeron ein härterer Preiswettbewerb werden. Intel ist zudem an dem Punkt flexibel, hat bei den Preisen offenbar schon reagiert, wenn auch noch nicht selbst, aber über große Händler in den USA wie Micro Center. Fortan gibts den erwähnten Core i7-6900K für „nur“ noch 1000 US-Dollar. Das Kaby-Lake-Flaggschiff Core i7-7700K geht derweil für 299 US-Dollar über den Micro-Center-Ladentisch, 40 Dollar unter Intels Preisempfehlung.

Nachbarschaftshilfe

Dass der Linpack-Benchmark im Vergleich zu den Intel-Chips mit hochoptimiertem AVX2-Code mager aussehen würde, war klar, aber ganz so mager hatten wir es nicht erwartet – allerdings gibt es auch noch keinerlei Zen-optimierte Bibliotheken.

Damals beim Launch der Hammer-Prozessoren griff AMD-CEO Hector Ruiz frohgemut selbst in die Saiten.

Intels eigener Linpack-Code schließt rigoros jedwede Nicht-Intel-Prozessoren aus – allerdings nicht bei uns, da hilft ein kleiner Patch, und schon läufts auch mit dem Nachbarn aus Sunnyvale, wenn auch nicht unbedingt optimal. Das mit dem Nachbarn kann man übrigens wörtlich nehmen, denn AMD zieht demnächst von Sunnyvale zum Santa Clara Square Complex um – nicht einmal 800 Meter von Intels Robert-Noyce-Building entfernt.

Zufälligerweise hat Intel just am Tag des Ryzen-Events einen neuen Linpack-Code 2017.2 herausgebracht, der noch ein bisschen fixer ist und etwa meinen Arbeitsplatzrechner mit dem kleinen Vierkerner Haswell Core i5-4570 mit 3,2 GHz auf über 150 GFlops bei 10k Gleichungen hievt. Bei Ryzen 7 1800X konnten wir bislang bei dieser Matrizengröße nur schlappe 85 GFlops bei 64-Bit-Code herauskitzeln, erstaunlicherweise etwas mehr bei altem SSE3-32-Bit-Code, nämlich 96 GFlops. Mit besserem Code ist da wohl noch viel Luft nach oben.

Immerhin sind auch die Zen-Nachfolger schon weit fortgeschritten: Zen 2 wurde parallel zu Zen entwickelt und nähert sich der Prototyp-Phase und Zen 3 ist auch schon längst in Arbeit – da kann man noch allerhand erwarten. Von Intel allerdings auch, und das trifft vor allem für den Serverbereich zu. AMDs für diesen Markt vorgesehener 32-Kerner mit Codenamen Naples soll vor allem mit seiner Speicher-Performance dank seiner acht Speicherkanäle punkten. Offiziell ist es nicht bestätigt, aber vermutlich verteilen sich die Kerne auf vier Dies in einem Multichip-Modul, intern und extern verknüpft über das Infinity-Fabric, das AMD im letzten Jahr auf dem Tech Summit 2016 vorgestellt hatte. Dabei handelt es sich um eine Cache-kohärente Weiterentwicklung von HyperTransport – und sicherlich immer noch mit dem A20-Gate im Protokoll …

In die Zange

In der zweiten Märzwoche beginnt in San Francisco der Open Compute Summit 2017 – und AMD als Silbersponsor hält mehrere Vorträge über Naples, das lässt auf mehr Informationen hoffen. Herauskommen soll Naples dann irgendwann gegen Ende des zweiten Quartals.

Da wäre etwa die Anfang Juni tagende Computex in Taiwan, aber die ist für Server nicht wirklich die richtige Umgebung – so bietet sich die etwas später stattfindende ISC 2017 in Frankfurt als Premierenplattform an. Vielleicht wird ebendort zudem Cavium seinen ThunderX-2 mit bis zu 54 ARM64-Kernen präsentieren, sodass Intel wie ein Frankfurter Würstchen von zwei Seiten in die Zange genommen wird.

Aber Intel hat mit dem Skylake-EP was Mächtiges zum Kontern. Dessen offizieller Launch als Xeon E5-2600v5 wird zwar noch ein bisschen auf sich warten lassen, aber Intel hat bereits an Großkunden wie Google, Facebook und Microsoft zuhauf Skylake-EP-Hardware ausgeliefert. Der Skylake-EP unterscheidet sich ja nicht nur durch viel mehr Kerne – bis hinauf zu 28, die irgendwo mal kolportierten 32 Kerne sind nur eine Schimäre –, sondern auch durch die Erweiterung auf 512-bittige AVX-Einheiten mit 32 doppeltgenauen Flops (Fused Multiply Add) pro Takt und Kern von dem nur 256-bittigen Desktop-Kollegen (16 Flops/Takt).

Hübsch und stabil sehen sie aus, die Holzkisten für die Ryzen-Systeme – nur wie kriegt man die ins Handgepäck in die Economy-Class?

Google hat als erster angekündigt, dass man den Skylake-EP mit seiner AVX512-Vektorerweiterung schon im März in der Google Cloud Platform offerieren werde. Mehr dazu soll man in der zweiten Märzwoche auf der Google Cloud Next in San Francisco erfahren – während die Kollegen parallel dazu auf dem Open Compute Summit in Santa Clara die 48-Volt-OpenPower-Plattform vorstellen. Komisch, dass Google dort gar nicht als Sponsor auftritt, ganz im Unterschied zu den anderen Cloud-Giganten Facebook und Microsoft, die neben Intel als Platin-Sponsoren fungieren – und auch die dürften ihre Skylake-EP-Angebote präsentieren, etwa das Projekt Olympus für die Azure-Cloud. Viel los also in der Bay Area, da hätte ich ja gleich dableiben können. (as@ct.de)