c't 9/2018
S. 138
Hintergrund
UKW-Radio
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Bild: Media Broadcast

Teure Resteverwertung

Streit um hohe Antennenkosten beim UKW-Radio

Musik statt Rauschen. Eine großflächige Sendepause von UKW-Radioprogrammen in Deutschland wurde gerade noch abgewendet – vorerst.

Für Anfang April drohte bei etlichen öffentlich-rechtlichen und privaten UKW-Programmen ein Blackout. Ursache ist ein Streit über die Konditionen, zu denen die rund 1000 Sendeantennen weiterbenutzt werden können, die der vormalige Monopolist Media Broadcast Ende 2017 verkauft hatte. Ab dem 1. April sollten die rund 30 neuen Eigentümer eigentlich beinahe alle Anlagen übernehmen.

Video: Nachgehakt

Doch Mitte März 2018 schlug der Beirat der Bundesnetzagentur Alarm, weil sich die Beteiligten nicht einigen konnten. Die Streitparteien sind die neuen Antenneneigentümer, die Programmanbieter und die Sendernetzbetreiber. Letztere übertragen die Programme zu den Antennentürmen im Verbreitungsgebiet und besitzen die Sender.

Die Landesmedienanstalten riefen Mitte März zu einem runden Tisch. Offenbar haben Sendernetzbetreiber, Antenneneigentümer, Inhaber der Funktürme sowie Vertreter der Länder, der Bundesnetzagentur und der Kartellbehörde drei Monate mehr Verhandlungszeit vereinbart. Die Abschaltung ist also vorerst abgewendet.

Der Konflikt

Nach dem Verkauf der Antennen Ende 2017 flatterten Programmanbietern oder den von ihnen beauftragten Sendernetzbetreibern Briefe der neuen Antenneneigentümer ins Haus: mit Preiserhöhungen von 25 bis 60 Prozent, teils sogar noch mehr. Etliche Sendernetzbetreiber wollen die neuen Summen nicht zahlen. Ihr Problem: Ihre Verträge mit den Programmanbietern sind langfristig und fußen auf den von der Bundesnetzagentur regulierten günstigeren alten Preisen. Die massiven Erhöhungen lassen sich nicht einfach an die Programmanbieter durchreichen. Auch Programmanbieter, die nur ihre Antennen bislang mieten mussten, trifft die Situation hart, besonders dort, wo sie viele Antennen für ein kleines Empfangsgebiet brauchten.

Die Firma Aeos Energy ist einer der neuen Antenneneigentümer. Nach den Gründen für die massiven Preiserhöhungen befragt, erklärte Geschäftsführer Günter Fiebes im Gespräch mit c’t: „In vielen Fällen konnte der frühere Eigentümer Media Broadcast per Mischkalkulation besonders hohe Einzelforderungen für bestimmte Standorte durch einen Einheitspreis mildern. Nachdem die Antennen nun vielen Einzelunternehmen gehören, ist das nicht mehr möglich.“ Fiebes rechnete ein Beispiel für eine Senderkette vor: Für jeden ihrer 20 Antennenstandorte in NRW fallen jährlich rund 10.000 Euro Kosten an. Ein großer Teil davon ist die Turmmiete. Hinzu kommen rund jeweils rund 1700 Euro für den laufenden Betrieb und Kosten aus regulierten Vorleistungen. Fiebes: „Damit wir selbst noch rentabel arbeiten können, müssten wir von einzelnen Programmanbietern theoretisch rund dreimal so viel verlangen wie den bisherigen regulierten Preis.“

Die neuen Antenneninvestoren haben viel Geld für Hardware bezahlt, die schon das Verfallsdatum des Umstieges auf den digitalen Rundfunk DAB+ trägt und müssen die nächsten Jahre nutzen, um damit noch Geld zu verdienen.

Nun könnte man fragen, ob denn die Sender und Netzbetreiber nicht eigene Antennen aufstellen können. Frei nach UKW-Radio Eriwan: Im Prinzip ja. Aber UKW-Frequenzen sind weitgehend vergeben und für jeden neuen Standort sind langwierige bau- und genehmigungsrechtliche Abläufe festgelegt. Und: Auf den für die Funkausbreitung optimalen Standorten sitzt bereits die Deutsche Funkturm GmbH (DFMG).

Sendernetzbetreiber und Programmanbieter haben keine Mittel, sich gegen die Preiserhöhungen zu wehren. Denn die Bundesnetzagentur kann in die Preisgestaltung nicht eingreifen, weil keiner der neuen Eigentümer eine marktbeherrschende Stellung hat – anders als das vormals beim Monopolisten Media Broadcast war.

Keine Antenne ist auch keine Lösung

Wie konnte es zu dieser verkorksten Situation kommen? Dazu muss man ein bisschen in der Vergangenheit graben. Viele Programmanbieter haben in der Regel keine eigenen Sender und Antennen, denn in der guten alten Zeit gab es nur die öffentlich-rechtlichen Radiosender und die Sender samt Antennen gehörten der Deutschen Bundespost.

Mit der Privatisierung des Staatsunternehmens änderten sich die Eigentümer: Die Deutsche Funkturm (die zur Telekom gehört) bewirtschaftet bis heute die Sendestandorte; der Sendenetzbetrieb ging an die Firma Media Broadcast (vormals T-Systems Broadcast & Media) über, die 2016 von Mobilcom Debitel (Freenet) übernommen wurde. Die zweite Novelle des Telekommunikationsgesetzes sollte 2012 den UKW-Sendermarkt für weitere Anbieter öffnen. Der Sendernetzbetrieb wurde 2016 liberalisiert.

Da Media Broadcast als bisheriger Monopolist eine marktbeherrschende Stellung innehatte, unterlag deren Preisgestaltung seit 2014 der Regulierung durch die Bundesnetzagentur. 2015 drohte Media Broadcast mit einer Abschaltung der UKW-Anlagen, um höhere Preise bei den Programmanbietern durchzusetzen, was letztlich im August 2016 endgültig scheiterte. Anfang Februar 2017 griff die Bundesnetzagentur erneut ein und setzte Preise neu fest. Daraufhin stieg Media Broadcast aus dem Geschäft mit analogen UKW-Sendern aus. Noch als Mitte März 2017 der Verkauf von Sendern und Antennen im vollen Gange war, versuchten Sendernetzbetreiber und Vertreter von Privatradios, die günstigere Tarifkalkulation aus der Regulierung in die neue Zeit zu retten. Einige der neuen Antenneneigentümer stiegen deswegen aus dieser sogenannten Frankfurter Erklärung aus. Ende 2017 waren die Antennentechnik sowie die meisten Sender an rund 30 Investoren verkauft. Ganz raus ist Media Broadcast aus der analogen Technik aber nicht, denn auf Nachfragen von c’t bei Sendernetzbetreibern und bei Media Broadcast werden diese größtenteils von Media-Broadcast-Technikern weiterbetrieben.

Brisanter Brief der Bundesnetzagentur

Besonders das 2013 gegründete Düsseldorfer Unternehmen Uplink-Network wirft Media Broadcast ein undurchsichtiges Verfahren beim Verkauf der Technik vor. Das weist die Firma von sich und verweist auf die Zustimmung von Medienpolitik und Behörden. Laut einem Sprecher der Media Broadcast wurden Sender und Antennen zuerst Programmanbietern und Sendernetzbetreibern angeboten. Technik, die auf diesem Wege nicht verkauft wurde, gelangte in eine offene elektronische Auktion. So kaufte die SBW Sendernetzbetrieb Baden-Württemberg GmbH (Antenne 1, Radio 7 und baden.fm) in der ersten Phase für ihre Hörfunkveranstalter 37 UKW-Antennen und freute sich über „tragfähige Konditionen“.

Etliche Sendernetzbetreiber verzichteten in beiden Phasen allerdings auf einen Kauf, so auch Uplink-Network. Es wickelt den Sendebetrieb unter anderem für den Deutschlandfunk sowie einige Programme des NDR, RBB und des SR ab. Geschäftsführer Michael Radomski erklärte die Entscheidung gegenüber c’t: „Wir haben Angebote abgegeben, die im Durchschnitt auf Basis des heutigen regulierten Marktpreisniveaus kalkuliert waren. Wenn wir im größeren Stil Antennen hätten kaufen können, was wir wollten, wären wir möglicherweise als marktmächtiges Unternehmen direkt Ziel der Regulierung geworden und hätten damit auch nur die heutigen Marktpreise durchsetzen können.“

Der Uplink-Geschäftsführer lehnt sich weit aus dem Fenster: „Media Broadcast hebelt die Regulierung der Bundesnetzagentur aus; durch den strategisch geplanten Verkauf ihrer Antennen an fünf Unternehmen aus dem Umfeld der Freenet AG: die AEOS Infrastruktur GmbH, die KIO Vermögensverwaltung GmbH, die Baum Broadcast GmbH i. G. sowie die Deutsche UKW Infrastruktur- und Vermarktung GmbH, ferner die Milaco GmbH.“ Diese übernahmen etwa 68 Prozent der Media-Broadcast-Antennen. Für eine Zusammenarbeit gibt es tatsächlich Hinweise, aber mehr auch nicht.

Ein Schreiben der Bundesnetzagentur an die Staatssekretärin Heike Raab, die Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz für Medien und Digitales, das der Redaktion vorliegt, enthält ein brisantes Detail: Demnach prüfe die Behörde, ob auch die neuen Antenneneigentümer der Regulierung unterliegen, also ihre Preise nicht selbst festsetzen können. Das tut die Behörde normalerweise nur bei marktmächtigen Unternehmen. Nachvollziehbar ist, dass auch kleinere Antenneneigentümer über die nötige Marktmacht verfügen. Denn Programmanbieter sind vor Ort auf genau diejenigen Antennen angewiesen, die das Sendegebiet abdecken, haben also gar keine andere Wahl als den jeweiligen Antennenbetreiber.

Fazit

Der Beirat der Bundesnetzagentur malte bereits das Szenario an die Wand, dass die neuen Antenneninvestoren Pleite machen, wenn niemand die neuen Preise zahlen würde und dass für diesen Fall die Regulierung des Marktes gescheitert sei. Ob die dreimonatige Pause für die Rettung reicht, erscheint fraglich. Der Facebook-Status für die Beziehungen der Parteien untereinander würde lauten: Es ist kompliziert. (mil@ct.de)