c't 11/2021
S. 16
Aktuell
TKG-Novelle

Wenig ambitioniert

Gesetzesnovelle soll schnelles Internet für alle bringen

Die Bundesregierung schafft erstmals ein Recht auf einen schnellen Internetanschluss, außerdem soll eine Umlage für Mieter den Glasfaserausbau in Städten beschleunigen. Doch bis schnelles Internet überall ankommt, wird es noch eine Weile dauern.

Von Urs Mansmann

Das schon seit vielen Jahren diskutierte Recht auf einen schnellen Internet­anschluss ist endlich in Gesetzesform gegossen. Die jüngste Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) verankert erstmals das Recht eines jeden Haushalts in Deutschland auf einen schnellen Internetanschluss. Der Bundestag hat das Gesetz am 22. April verabschiedet, allerdings hatte der Bundesrat bei Redaktionsschluss der Neuregelung noch nicht zugestimmt. Möglicherweise verlangt er noch Änderungen im Detail.

Eine bindende Vorgabe für die Qualität der Anschlüsse enthält das Gesetz nicht, sondern es orientiert sich dynamisch am bereits bestehenden Breitbandausbau. Das auch für Datenautobahnen zuständige Verkehrsministerium soll Vorgaben machen und jährlich überprüfen, ob sie noch zeitgemäß sind. Orientieren soll es sich dabei an der „von mindestens 80 Prozent der Verbraucher im Bundesgebiet genutzten Mindestbandbreite, ­Uploadrate und Latenz“.

Damit erfüllt Deutschland gerade so eben die Vorgaben der EU, nach denen E-Mails, Anrufe und Video-Calls in Standardqualität, die Nutzung sozialer Medien, Informationssuchen, Online-Bestellungen, Online-Banking und elektronische Behördendienste möglich sein müssen.

Niedrige Anforderungen

Die Orientierung an der genutzten Mindestbandbreite legt die Latte niedrig, denn viele Kunden nutzen nur einen Teil der am Anschluss verfügbaren Bandbreite, etwa aus Kostengründen oder weil sie einen funktionierenden Anschluss nicht mehr anfassen möchten. Immerhin ist in der ­Begründung die Rede von mindestens 30 MBit/s, was für Videokonferenzen mehr als ausreichend ist – sofern der bei den meisten Techniken deutlich lang­samere Upstream nicht zu mager ausfällt.

Abzuwarten bleibt, wer den Ausbau dann tatsächlich leisten wird. Klar ist ­bislang nur, wer die Mehrkosten zahlt, wenn Anschlüsse so teuer sind, dass sie sich wirtschaftlich nicht rechnen: Dafür gibt es einen Topf, in den die Netzbetreiber einzahlen. Diese legen diese Kosten naturgemäß wieder auf ihre Kunden um. Mittel- und langfristig könnte der flächendeckende Ausbau also zu höheren Preisen führen.

Allerdings tragen die Netzbetreiber die Kosten nicht alleine, denn sogenannte Over-the-Top-Anbieter (OTA), also Telefonieanbieter ohne eigene Netzinfrastruktur wie WhatsApp, Skype oder Signal können ebenfalls zur Kasse gebeten werden. Nicht treffen wird es jedoch die wirtschaftlich potenten Streamingdienste, obwohl diese auf die schnellen Leitungen in besonderem Maße angewiesen sind und als Treiber für die Nachfrage wirken. Weil sie keine OTA sind, können sie rechtlich nicht herangezogen werden.

Der Breitbandausbau in Deutschland steht und fällt mit dem Verlegen von Glasfaseranschlüssen.
Bild: Deutsche Telekom

Glasfaser in Wohnblöcken

Der Ausbau soll nicht nur die weißen Flecken in vorwiegend ländlichen Gebieten erreichen. Auch in den Städten soll die Infrastruktur modernisiert werden. Zu diesem Zweck hat der Gesetzgeber eine Bastion geschleift, die noch aus den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts stammt und damals den Ausbau der Kabelfernsehnetze beschleunigen sollte: Das sogenannte Nebenkostenprivileg läuft am 30. Juni 2024 aus. Von diesem Zeitpunkt an können die Kosten für Kabelanschlüsse in Mehrfamilienhäusern nicht mehr per Umlage an Wohnungsmieter weitergereicht werden. Mieter können künftig also auf den Kabelanschluss verzichten. Bislang müssen sie zahlen – ob sie den Anschluss gebrauchen können oder nicht.

Die Neuregelung der Umlage soll einen Anreiz für Hauseigentümer schaffen, möglichst rasch moderne Glasfaserinfrastruktur in die Wohnungen zu legen, über die schnelle Gigabit-Anschlüsse möglich sind, die in Zukunft bei Bedarf noch viel höhere Datenraten liefern ­können.

Höhere Kosten für Mieter?

Die Mieter profitieren von schnellen, zuverlässigen Internetanbindungen, für die Vermieter erhöht sich der Wert der Immobilie. Bis zu 5 Euro im Monat können die Vermieter künftig über die Nebenkosten abrechnen, wenn sie im Gegenzug einen Glasfaseranschluss bis in die Wohnung liefern. Die Glasfaseranschlüsse sollen sich fünf bis neun Jahre lang umlegen lassen, die Regelung gilt bis Ende 2027.

Anders als bei der bisherigen Nebenkostenregelung ist der Dienst über dieses Kabel allerdings nicht enthalten, der Mieter zahlt also für die nackte Glasfaser. Will er darüber beispielsweise Internet oder Linearfernsehen beziehen, muss er einen zusätzlichen Dienstleistungsvertrag abschließen und bezahlen. Wer weiterhin Kabelfernsehen beziehen will, muss dafür künftig wahrscheinlich mehr bezahlen, weil Mengenrabatte wegfallen und die Glasfaserumlage noch obendrauf kommt. Eine Entlastung sollten Mieter unterm Strich also nicht erwarten.

Keine Begeisterung

Der Breitbandverband ANGA ist von dem Vorstoß nicht begeistert und warnt, dass es für Mieter künftig teurer werde. Statt eines Gesamtpakets Kabelfernsehen inklusive aller Kosten müssten sie für das Fernsehen künftig separat bezahlen. Zusätzlich zu den 72 Euro für den Glasfaserausbau könnten sich die Kosten fürs Kabelfernsehen durch den Wegfall des Mengenrabatts mehr als verdoppeln.

Und auch das Recht auf einen schnellen Internetanschluss stößt bei den Branchenverbänden auf Ablehnung. Die neuen Vorgaben führten zu mehr Bürokratie und weniger Wettbewerb, sagte Bitkom-­Präsident Achim Berg. Der Ausbau werde verteuert und verlangsamt, es handle sich mithin um ein „Breitbandverhinderungsgesetz“.

Auch die Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) sieht die Änderungen kritisch. „Mehr als politische Placebos wurden nicht beschlossen“, urteilt Lina Ehrig, Leiterin des Bereichs Digitales und Medien. Der Verband bemängelt, dass eine konkrete Definition fehle und dass sich dadurch die tatsächliche Umsetzung einer angemessenen, flächendeckenden Breitband-Grundversorgung immer weiter nach hinten verschiebe. (uma@ct.de)

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