c't 18/2021
S. 98
Wissen
Gamescom-Special: Grafikkarten
Zwei aktuelle Grafikkarten, platzsparend, zweispaltig zusammengestellt: RX 6900XT und RTX 3090 FE.

Schön verspielt

Die wichtigsten Kriterien für den Grafikkartenkauf 2021

Als Spieler, der auch die neuesten Grafikkracher mit allen Details in hoher Auflösung genießen will, braucht man eine dicke Grafikkarte. Bei deren Auswahl sollte man auf einige Technik-und Ausstattungsmerkmale besonders achten.

Von Carsten Spille

Viele PC-Spiele ziehen Gamer mit opulenten 3D-Welten in ihren Bann. Damit der Spaß- und Eintauchfaktor nicht durch Ruckeln zerstört wird, braucht der Rechner eine kräftige Grafikeinheit. Eine schwächliche Ausführung davon ist bei vielen PCs und den meisten Notebooks in den Prozessor integriert und genügt für die Darstellung der Bedienoberfläche von Betriebssystem und Anwendungen, für Videos und optisch einfach gestrickte Spiele in niedriger Detailstufe.

Wer aber auch die neuesten Grafikkracher mit Raytracing auf hochauflösenden Bildschirmen flüssig zocken will, braucht eine leistungsfähige Grafikkarte mit viel Speicher. Doch auch da gibt es gravierende Unterschiede und schließlich will auch das Budget beachtet werden. Die Lage entspannt sich mit dem Abflauen des Kryptomining-Hypes zwar gerade etwas, aber die Preise liegen noch immer weit über den unverbindlichen Preisempfehlungen.

Wer eine aktuelle Grafikkarte haben möchte, greift derzeit zu Nvidias GeForce RTX 3000 oder einer Radeon RX 6000 von AMD. Beide Baureihen unterstützen die Schnittstelle DirectX 12 Ultimate und damit Techniken wie Hardware-Raytracing, Mesh Shader und Variable Rate Shading. Ebenso können sie das kommende Direct Storage nutzen, welches in Verbindung mit einer NVMe-SSD die Ladezeiten in Spielen massiv verkürzen soll. Dieses Technikniveau ist auch deshalb interessant, weil es den aktuellen Ausgaben der Spielkonsolen Xbox und Playstation entspricht, sodass mehr und mehr Spiele es nutzen werden.

Die älteren GeForce RTX 2000 haben denselben DirectX-Techniklevel, den Radeon-Grafikkarten der RX-5000-Reihe fehlen Raytracing und Direct Storage. Auch sind die Video-Decoder, die die CPU beim Abspielen von Filmen entlasten, auf älteren Karten nicht auf dem aktuellen Stand: AV1 beherrschen neben Intels integrierter Xe-Grafik nur RTX-3000- und RX-6000-Karten. Um 8K-Monitore mit 60 Hz oder etwa 4K-Displays mit schnellen 144 Hz anzusteuern, braucht man ebenfalls eine halbwegs aktuelle Grafikeinheit ab der RTX-2000- oder RX-5000-Generation; die integrierte Xe-Grafik kann das zwar auch, ist aber für Spiele zu lahm.

Was ist flüssig?

Niemand möchte beim Spielen ruckelnde Bildfolgen sehen, doch schon an der Definition des Begriff „flüssig“ scheiden sich die Geister. 30 Bilder pro Sekunde (frames per second, fps) gelten als das absolute Minimum für Spielbarkeit, ab 60 fps wirkt die Darstellung geschmeidig – aber mehr fps sind immer willkommen. Etliche Profi-Spieler schwören gar auf Bildschirme, die auch 240 oder sogar 300 fps anzeigen können. Aussagen wie „Das Auge kann nur 24 Bilder pro Sekunde wahrnehmen“ lassen sich getrost ins Reich der Mythen verbannen.

Sinken die Bildraten unter 60 fps, wird es oft und schnell ruckelig. Denn speziell wenn man mit aktiver vertikaler Synchronisation (VSync) spielt und das Spiel nur das sogenannte Double Buffering nutzt, sinkt die Bildrate direkt auf 30 fps, wenn der PC die 60 fps in einer anspruchsvollen Szene nicht mehr halten kann. Monitore, die variable Refreshraten unterstützen, also AMDs FreeSync oder Nvidias G-Sync, helfen dabei, dass die Bildfolgen sich geschmeidiger anfühlen. Die gute Nachricht: Seit mehreren Jahren unterstützen alle modernen Grafikkarten diesen flexiblen Bild-Refresh.

Wie viele fps genau nötig sind, hängt dabei vom Typ des Spiels, der Spielmechanik und dem individuellen Anspruch ab. Eher gemächliche Titel wie das Knobelspiel Lego: Builders Journey laufen schon mit 30 Bildern pro Sekunde prima; bei schnellen Rennspielen oder First-Person-Shootern kommt es indes auf exakte Lenkbewegungen und genaues Zielen an. Da kann ein hohes fps-Niveau schon mal darüber entscheiden, ob man den Einlenkpunkt in eine Spitzkehre trifft oder im Kiesbett landet. Wo Normalzocker einfach den vorigen Spielstand laden und es noch einmal versuchen, ist bei der E-Sport-Meisterschaft mindestens diese Runde gelaufen, wenn nicht das ganze Rennen.

Viel Platz für Schönes

Eine wichtige Kenngröße ist der Grafikspeicher. Sobald er mit Daten überläuft, verwandelt sich flüssiges Spielvergnügen in eine Diashow, im schlimmsten Fall garniert mit Bildfehlern. Dann muss man Details wie Schatten oder Texturen reduzieren, wodurch aber das Bild matschiger wirkt. Moderne Spiele-Grafikkarten sollten für höchste Grafikpracht auch bei kommenden Spielen schon in Full-HD-Auflösung mindestens 6, besser gleich 8 GByte Grafikspeicher haben. Für volle Details in 2560 × 1440 Bildpunkten (WQHD) gelten 8 GByte als Minimum. Spielen Sie in Ultra-HD-Auflösung (3840 × 2160 Pixel), sind mindestens 10 GByte für die höchste Detailstufe anzuraten, wobei kommende Spiele auch von Speichergrößen von 12 bis 16 GByte profitieren dürften. Hier greift ebenfalls der Konsoleneffekt: Playstation 5 und Xbox Series X haben 16 GByte Speicher, der erfahrungsgemäß auch gern genutzt wird. Zudem beanspruchen die Datenstrukturen für Raytracing zusätzlichen Speicherplatz.

Der Speichertyp, also GDDR5, 6, 6X oder HBM(2)-Stapelspeicher, ist zwar ein wichtiger Faktor bei der Speichergeschwindigkeit. Die ist aber heute meistens recht gut auf die Leistungsfähigkeit des Grafikchips abgestimmt.

Verfolgte Strahlen

Raytracing ist noch immer der letzte Schrei. Dabei werden Spiele mithilfe der Strahlenverfolgungstechnik durch genauen Schattenwurf, detaillierte Reflexionen oder realistische Lichtbrechungen, etwa durch eine Glasscheibe hindurch, aufgehübscht [1]. Seit Einführung der Technik mit Nvidias RTX-2000-Grafikkarten vor knapp drei Jahren hat sich die Zahl der Titel, die das Feature nutzen, deutlich erhöht. Aber neben den Millionensellern Minecraft und Fortnite verschönern auch Rennspiele wie Dirt 5 oder F1 2021, Action-Rollenspiele wie Shadow of the Tomb Raider oder Cyberpunk 2077 und Knobelspiele wie Deliver us the Moon oder Lego Builder’s Journey ihre Spielwelten mit Raytracing. Dafür ist mindestens eine RTX-2000- oder Radeon-RX-6000-Grafikkarte nötig und auch die frisch angekündigte Handheld-Konsole Steam Deck beherrscht diese Technik [2]. Es gibt inzwischen sogar erste Spiele, die nur mit Raytracing-fähiger Hardware starten: das Indiespiel Stay in the Light und die Enhanced Edition des Endzeit-Shooters Metro Exodus.

Tricksereien

Raytracing kostet eine Menge fps, auf Radeon-Karten meist mehr als auf GeForces, sodass die Option oft nicht mit der nativen Auflösung des Monitors flüssig dargestellt werden kann. In Cyberpunk 2077 etwa schwächelt selbst die extrem teure GeForce RTX 33090 in 4K. Um den Performancefresser zu bändigen, gibt es inzwischen viele Tricks. Einer davon ist in mehr und mehr Spielen zu finden: Renderscale berechnet das Bild zunächst in geringerer Auflösung und skaliert das Bild anschließend auf die Bildschirmauflösung hoch. Allerdings gehen dabei Details verloren. Nvidia und AMD haben die Techniken DLSS und FSR entwickelt, um diesen Detailverlust in verschiedenem Maße einzudämmen.

Deep Learning Super Sampling, wie DLSS ausgeschrieben heißt, läuft nur auf GeForce-RTX-Karten. Es nutzt die sonst oft brachliegenden Tensorkerne der RTX-Grafikchips, um aus der verringerten Auflösung Details zu rekonstruieren, indem es mehrere gerenderte Bilder in die Auswertung einbezieht. Ein neuronales Netz hilft dabei, die richtigen Entscheidungen zu treffen, wie das Bild schlussendlich am besten aussieht. AMDs Fidelity FX Super Resolution, kurz FSR, arbeitet etwas einfacher: Es erkennt Kanten und schärft Flächen nach. Dafür läuft es aber nicht nur sogar auf schwächeren Grafikchips bis hinab zu integrierter Grafik, sondern auch auf Nvidia- und Intel-GPUs.

Je nach Spiel und Abstimmung zeitigen beide Verfahren gute Ergebnisse bei einem deutlichen fps-Zuwachs. Oft ist Nvidias Technik die ausgereiftere und hübschere, die aber auch potentere Hardware voraussetzt – und zwar exklusiv von Nvidia. In manchen Spielen entstehen jedoch Schlieren an bewegten Objekten, auch wenn mit neuen Spielen stetig neue DLSS-Versionen geliefert werden, die das Ergebnis sukzessive verbessern. AMDs FSR ist noch jung und steht am Anfang der Entwicklung.

Cyberpunk 2077 ist einer der Raytracing-Vorzeigetitel, dessen 3D-Welt dank der Strahlenverfolgungstechnik an Realismus gewinnt.

Abwarten und Tee trinken

Obwohl die Hochphase des Krypto-Booms vorüber zu sein scheint und die Preise wieder sinken, ist eine Grafikkarte jeder Leistungsklasse immer noch deutlich teurer als vor einem Jahr. Das gilt speziell für die aktuellen GeForce RTX 3000 und die Radeon RX 6000, die nach wie vor 50 bis 100 Prozent über dem Listenpreis gehandelt werden. Positiv betrachtet ist jetzt also noch genügend Zeit, sich darüber klar zu werden, wie viel Grafikleistung man braucht und welches Modell es sein soll – nur kaufen sollten Sie jetzt noch nicht. (csp@ct.de)

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