c't 8/2021
S. 136
Wissen
Smartphone-Reparaturen
Bild: Thorsten Hübner

I fix it?

Ein Reparaturindex soll in Frankreich einfach zu reparierende Elektronik fördern

Ein Index informiert in Frankreich darüber, wie einfach sich Elektronik reparieren lässt. Lob gibt es dafür von Reparatur- und Verbraucherverbänden – und vom Bundesumweltministerium. Der Blick auf die ersten einsehbaren Bewertungen zeigt allerdings, dass die Kriterien noch nicht perfekt austariert sind.

Von Robin Brand

Smartphones werden schneller, besser, teurer. Nur nachhaltiger werden sie nicht. Frankreich versucht nun, das zu ändern. Ein Anfang des Jahres eingeführter Index informiert darüber, wie einfach sich Smartphones – aber auch andere Geräte wie Laptops, Fernseher oder Rasenmäher – reparieren lassen. Der französische Index ist auch ein Fingerzeig, wie ein solcher Index für die gesamte EU aussehen könnte und kann schon heute auch in Deutschland als praktischer Ratgeber vor der Kaufentscheidung dienen. Wir haben uns den Index für Smartphones genauer angeschaut – manche Bewertung hat uns stutzig gemacht.

Die Grundlage des Index ist das im Februar 2020 erlassene Gesetz zur Abfallbekämpfung und Kreislaufwirtschaft. Das Prinzip ist schnell erklärt: Anhand von fünf Kriterien wird die Reparierbarkeit von Geräten bewertet. Daraus ergibt sich eine Gesamtwertung auf einer Skala von 0 bis 10 Punkten. Zu den bewerteten Kategorien zählen Dokumentation, Zerlegbarkeit, Verfügbarkeit von Ersatzteilen, deren Preis sowie Produktspezifisches (Details siehe Kasten auf S. 139). Im Falle von Smartphones fällt unter die letzte Kategorie zum Beispiel, wie gut der Hersteller über anstehende Updates informiert oder ob er kostenlos per Ferndiagnose bei Reparaturen unterstützt.

Vorreiter in Europa

Die Hersteller müssen den Punktwert der Produkte anhand des offiziellen Kriterienkatalogs ermitteln und an Händler weitergeben. Diese wiederum müssen Kundinnen und Kunden darüber informieren – online genauso wie im Markt. Falschangaben sollen von 2022 an bestraft werden können. Von Anfang 2024 an plant Frankreich einen verpflichtenden Haltbarkeitsindex. Dieser soll die Zuverlässigkeit und Robustheit von Produkten anzeigen und den Reparaturindex ergänzen. Die Europäische Kommission will ebenfalls die Reparierbarkeit von Elektronikprodukten vereinfachen: Sie verpflichtet zum Beispiel Hersteller von Fernsehern und Haushaltsgeräten, Ersatzteile vorrätig zu halten. Einen europa­weiten Reparierbarkeits-Index gibt es aber noch nicht.

Lob für die französische Initiative gibt es von Expertinnen für Reparatur und Verbraucherschutz. „Der Index kann dazu beitragen, Verbraucherrechte zu stärken und Ressourcen zu sparen“, sagt Katrin Meyer vom Verein „Runder Tisch Reparatur“. Auch Verbraucherschützerin Elke Salzmann vom Bundesverband der Verbraucherzentralen begrüßt die Idee des Index, da er „Verbrauchern Entscheidungshilfen bei der Produktauswahl gibt“.

Bernhard Rohleder, Hauptgeschäftsführer des Industrieverbands Bitkom, lässt auf Anfrage dagegen mitteilen, dass ein geräteübergreifendes Label – der Index bewertet neben Smartphones und Laptops auch Rasenmäher und Waschmaschinen – wenig sinnvoll sei: „Wenn man Äpfel mit Birnen vergleicht, schafft man keine Transparenz, sondern Verwirrung.“

105 Smartphones im Ranking

Bei Redaktionsschluss waren 105 Smartphones auf der Übersichtsseite indicereparabilite.fr gelistet. Die Geräte lassen sich nach Popularität, Aktualität oder Gesamtnote ordnen. Eine Sortierung nach dem Abschneiden in einer bestimmten Kategorie ist nicht möglich. Hinter drei Smartphones des französischen Herstellers Crosscall ganz oben platziert: das Fair­phone 3 mit einer Wertung von 8,7 und guten Bewertungen in allen fünf ­Kategorien und der Bestnote für einfache Zerlegbarkeit. Das Ergebnis entspricht auch unserem Eindruck von dem Gerät [1]. Ob Batterie, Kamera, Display oder Ladebuchse: Die Teile sind direkt beim Hersteller verfügbar und in wenigen Handgriffen selbst ausgetauscht. Das dafür notwendige Werkzeug liegt dem Gerät bei – ein Kreuzschlitzschrauben­dreher.

Das Fairphone 3 überzeugte im c’t-Test durch sein ­modulares Design. Auch im französischen ­Reparaturindex erhält es eine gute Bewertung.

Die Bewertungen

Schwerer taten wir uns, einige andere Bewertungen nachzuvollziehen. Dass zum Beispiel das Samsung Galaxy Note20 Ultra mit verklebter Glasrückseite besser abschneidet als das Galaxy XCover Pro (8,0 vs. 6,3) des gleichen Herstellers, ­verwundert. So lassen sich beim Outdoor-Smartphone XCover Pro Akku und Rückabdeckung ganz ohne Werkzeug wechseln. Beim Note20 Ultra hingegen sind keinerlei Reparaturen möglich, ohne die verklebte Rückseite mit Spezialwerkzeug zu lösen – auf die Gefahr hin, dass die Glasrückseite splittert oder nicht mehr wasserdicht angebracht werden kann. Selbstredend ist der Akku dann noch einmal zusätzlich ins Gehäuse geklebt.

Wer das Note selbst reparieren möchte, sollte also Erfahrung mitbringen. Beim XCover Pro ist diese zumindest für den Akkutausch nicht notwendig. Und auch das in den Rahmen geklebte Display lässt sich leichter tauschen als das des Note20, da es sich direkt aus dem Gehäuse lösen lässt. Beim Note ist der Umweg über die Rückseite notwendig. In anderen Worten: Man muss fast das gesamte Smartphone auseinandernehmen. Kein Wunder, dass die Reparaturspezialisten von iFixit das Note20 Ultra mit einem miserablen Score von 3/10 bedacht haben – das XCover hatten sie noch nicht in den Fingern.

Dass das Samsung Galaxy Note20 Ultra (rechts) im französischen Reparaturindex besser wegkommt als das Outdoor-Smartphone Galaxy XCover Pro mit Wechselakku, ist schwer nachvollziehbar.
Bild: indicereparabilite.fr

Ein Blick auf die Detailwertungen erklärt die gute Bewertung für das Note teilweise. Im Kapitel Dokumentation attestiert sich Samsung 17,7 von 20 möglichen Punkten. In den Kategorien 4 (Ersatzteilpreise) und 5 (Produktspezifisches) gibt’s gar die Maximalausbeute. Die Ersatzteilpreise werden ins Verhältnis zum teuren Kaufpreis des Note20 von fast 1500 Euro gesetzt werden – da kann das 400 Euro teure XCover Pro nicht mithalten (jeweils UVP). Ironischerweise kritisierte iFixit in seinem Teardown gerade die „unnötig teuren“ Displayreparaturen des Note20. Auch in Sachen Dokumentation (3,8) und Ersatzteilverfügbarkeit (10,7) lässt das XCover Pro gegenüber dem Note20 Federn. Zum Testzeitpunkt konnten wir allerdings problemlos Rückabdeckungen, Displays, Ladebuchsen und Ersatzakkus über eBay beziehen. Wie es langfristig aussieht, können wir nicht beurteilen.

Recht dürftige Bewertungen erhalten Apples iPhones. Die Werte liegen zwischen 4,5 (iPhone 11 Pro Max, iPhone XR) und 6,7 Punkten (das iPhone 7). Dabei schneiden die aktuellen 12er-iPhones, die allesamt bei 6 von 10 Punkten liegen, etwas besser ab als ihre direkten Vorgänger (4,5 bis 4,6). Während die 11er-Serie keinerlei Punkte in der Kategorie „Ersatzteilpreise“ erhielt, gibt es für die iPhone-12-Serie durchweg 12 von 20 möglichen Punkten. Ob es im Falle der iPhones 11 an den hohen Preisen liegt oder daran, dass der ­Konzern keine Angaben zu den Preisen macht, geht aus der Detailbewertung nicht hervor.

Letzter Platz: Mit einem Score von 4,5 von 10 war das iPhone 11 Pro Max bei Redaktionsschluss das am schlechtesten bewertete Smartphone unter 105 Geräten im ­französischen Reparaturindex.

Erst seit Kurzem stellt Apple freien Werkstätten überhaupt iPhone-Originalersatzteile und Spezialwerkzeug zur Verfügung [2]. Dafür müssen diese allerdings Apples „Programm für unabhängige Reparaturanbieter“ beitreten und Auflagen befolgen. Das solle die „Sicherheit und Qualität“ wahren, so der Konzern. Zuvor war es für freie Reparaturbetriebe unmöglich, Apple-Originalteile zu beziehen.

Auch die Verwendung von Ersatz­teilen vom Graumarkt erschwert Apple. So erscheint zum Beispiel ein Warnhinweis, wenn das System Ersatzteile nicht als Originalware verifizieren kann – selbst wenn sie technisch gesehen einwandfrei sind. Auf neueren iPhones zeigt iOS entsprechende Hinweise beim Einbau von Fremd-Akkus und Nicht-Original-Displays oder -Kameras.

Runder Tisch Reparatur fordert mehr

In vielen Fällen deckt sich die Bewertung des französischen Index mit unseren Eindrücken von den Geräten. Katrin Meyer vom Runden Tisch Reparatur rät, sich nicht nur nach der Gesamtnote zu richten. „Es empfiehlt sich für Verbraucherinnen und Verbraucher, genauer hinzuschauen und besonders auf die Verfügbarkeit und die Zerlegbarkeit zu achten.“ Beherzige man das, biete der Index eine gute Orientierung – auch für Kundinnen und Kunden aus Deutschland. Dennoch sieht sie den Index nur als einen Schritt auf dem Weg zum Recht auf Reparatur, das der Tisch fordert.

Sie halte sie es für möglich, dass Smartphones fünf bis sieben Jahre genutzt und nicht alle zwei bis drei Jahre ausgetauscht würden. Die Entwicklungsschritte zwischen den Generationen seien längst nicht mehr so groß wie noch vor zehn Jahren, der Wunsch zum Neuen entsprechend geringer ausgeprägt. „Wir wissen, dass viele Leute zufrieden mit ihren Geräten sind und gar nicht tauschen wollen, aber teilweise müssen, wenn das Smartphone kaputt ist“, sagt Meyer.

Regulierung oder Subventionierung?

Statt auf Vorgaben setzt Branchenvertreter Rohleder auf vereinfachte Reparaturen. Ein wirksamer politischer Hebel dafür seien „Steuervergünstigung für Reparaturen, damit sie für Verbraucher auch erschwinglich sind“, so der Bitkom-Chef, der außerdem in der Förderung und Erforschung neuer Technologien, wie der ­Herstellung von Ersatzteilen aus dem 3D-­Drucker, große Potenziale sieht. „Das ist nicht nur günstiger und umweltschonender als Ersatzteile etwa aus Asien nach Deutschland zu fliegen – sondern es ­eröffnet auch die Möglichkeit, Ersatzteile für ältere Geräte herzustellen.“

Im Unterschied dazu sähe Verbraucherschützerin Salzmann den Markt zusätzlich zu einem möglichen Index gerne stärker reguliert. „Eine deutlich größere Hebelwirkung hätte es, wenn die EU Mindeststandards formuliert, die Hersteller erfüllen müssen. Denn eine Regulierung, die den gesamten Markt betrifft, hat immer eine größere Lenkungswirkung als eine Selbstverpflichtung.“

Wenn die Hersteller zum Beispiel in die Pflicht genommen würden, längere Garantien zu gewähren, hätten sie ein eigenes Interesse daran, die Produkte haltbarer zu gestalten. Auch eine Ergänzung des Reparaturindex um einen Haltbarkeitsindex, wie ihn Frankreich für 2024 plant, sei sinnvoll, um einschätzen zu können, ob sich eine Reparatur überhaupt noch lohnt. „Wenn die Politik die richtigen Rahmenbedingungen setzt, können sich die Dinge auch in diese Richtung bewegen“, glaubt Salzmann.

Ausblick

Der Reparaturindex ist ein komplexes Gewerk. Dass er auch Ersatzteilpreise und -verfügbarkeit sowie die Dokumentation berücksichtigt und nicht bloß abbildet, wie einfach sich ein Smartphone öffnen lässt, ist positiv. Es birgt aber auch die Gefahr, dass die Ergebnisse verzerrt werden. Einige kaum von Laien zu reparierende Geräte mit guten Bewertungen zeigen, dass die Parameter noch nicht perfekt austariert sind – ein Blick in die Detailbewertungen ist Pflicht.

Gerade die Detailbewertungen bieten schon jetzt eine gute Orientierung, wie einfach spätere Reparaturen sein werden. In Kombination mit einem Haltbarkeitsindex, wie ihn Frankreich ebenfalls anstrebt, könnte der Index auch das Geschäft mit gebrauchten Smartphones ankurbeln. Selbst wer sein Smartphone ohnehin alle zwei Jahre wechselt, könnte dann auf einen guten Reparaturscore achten, dürfte dieser doch für einen höheren Wiederverkaufswert sorgen.

Allein: Einen Index nach französischem Vorbild strebt Deutschland nicht an. Auf c’t-Anfrage äußert sich das Bundesumweltinisterium zwar wohlwollend über den Reparaturindex. Man begrüße diesen und halte es für wichtig, „dass die Franzosen als Vorreiter vorangehen und damit auch Druck auf die anderen Mitgliedstaaten und die Kommission aufbauen.“ Doch, dass Deutschland sich anschließt und damit den Druck weiter erhöht, ist unwahrscheinlich. Man wünsche sich eine europäische Lösung, da diese eine größere Reichweite auf dem EU-Binnenmarkt und damit auch weltweit habe, teilt das Umweltministerium mit und verweist auf eine derzeit laufende EU-Studie zum „Reparability Scoring“. Immerhin: Der Blick auf den französischen Index ist auch von Deutschland aus möglich – und das heute schon. (rbr@ct.de)

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