c't 20/2022
S. 176
Wissen
Digitale Unterschrift

Echt oder nicht?

Der rechtliche Wert eingescannter Unterschriften

Wenn es darum geht, Verträge zu unterschreiben, behilft mancher sich damit, den unterzeichneten Text zu scannen und das Ganze als PDF-Datei zu mailen. Rechtlich steht eine Willenserklärung damit jedoch bisweilen auf dünnem Eis.

Von Harald Büring

Digitalisierung ist Trumpf. Verträge entstehen heute normalerweise als digitale Textdokumente. Damit man sie unterschreiben kann, werden sie ausgedruckt. Anschließend gehen sie in Papierform auf eine zeitraubende Reise, nur um dann schließlich doch wieder zum Archivieren elektronisch erfasst zu werden. Eine Unterschrift lässt sich aber doch bequem einscannen, mit oder ohne Vertragstext – und schon ist das digitale Dokument vermeintlich unterschrieben. Sobald jedoch jemand anzweifelt, dass es authentisch ist und der vorgeschriebenen Form entspricht, ist rechtlicher Ärger programmiert.

Eine als Bilddatei abgespeicherte gescannte Unterschrift ist schnell in ein vorbereitetes Textdokument eingefügt. Wenn das Gesetz Schriftform erfordert, ist solche Bastelarbeit jedoch ebenso wenig wert wie ein gemailter Komplettscan eines unterzeichneten Vertrags.
Eine als Bilddatei abgespeicherte gescannte Unterschrift ist schnell in ein vorbereitetes Textdokument eingefügt. Wenn das Gesetz Schriftform erfordert, ist solche Bastelarbeit jedoch ebenso wenig wert wie ein gemailter Komplettscan eines unterzeichneten Vertrags.

Formfreiheit – aber ...

Normalerweise sind Rechtsgeschäfte unabhängig von der Form wirksam, in der man sie abschließt. Diese Formfreiheit führt jedoch vielfach zu Beweisschwierigkeiten – und sie findet ihre Grenzen auch in gesetzlichen Vorschriften für besondere Geschäfte.

So erfordert manche Urkunde die Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Ein typisches Beispiel ist der Abschluss eines Versicherungsvertrags. Dafür reicht eine eingescannte Unterschrift tatsächlich aus.

Anders sieht es dort aus, wo der Gesetzgeber die Schriftform nach § 126 BGB vorschreibt. Das gilt nach § 14 Abs. 4 des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) etwa für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags. Wenn die vorgeschriebene Form nicht eingehalten wird, ist die Befristung unwirksam. Ein Arbeitnehmer wird dann so behandelt, als hätte er einen unbefristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen.

Das zeigt etwa ein Fall, den das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg im März dieses Jahres entschied: Eine Studentin war für eine Personalvermittlung tätig und stand für Einsätze als Messehostess zur Verfügung. Wenn sich ein Kunde aufgrund der hinterlegten Sedcard interessiert zeigte, fragte das Vermittlungsunternehmen bei der Frau nach. Auf ihr Okay hin erhielt sie die Arbeitsverträge per Post. Diese waren mit einer eingescannten Unterschrift des jeweiligen Geschäftsführers versehen. Nachdem sie so innerhalb von vier Jahren den 25. befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen hatte, machte die Mitarbeiterin geltend, dass die eingescannte Unterschrift formunwirksam sei, und wollte unbefristet weiterbeschäftigt werden.

Das Gericht entschied zu ihren Gunsten: Die eingescannte Unterschrift auf dem Arbeitsvertrag entspreche nicht der für eine Befristung vorgeschriebenen Schriftform. Eine eigenhändige Unterschrift wäre erforderlich gewesen – dem entspreche ein „mechanisch vervielfältigter“ Namenszug nicht.

Hör mal, Behörde!

Auch Schriftsätze, die sich an Justiz- und andere Behörden richten, können die Einhaltung der Schriftform erfordern. Das gilt etwa für Klagen beim Finanzgericht. § 64 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sagt: „Die Klage ist bei dem Gericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu erheben.“ Schriftlich muss dabei allerdings nicht immer „eigenhändig unterschrieben“ bedeuten. Wie ein Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom Juni 2010 zeigt, kann man eine solche Klage unter bestimmten Umständen auch mit eingescannter Unterschrift formwirksam einlegen.

Ein Steuerpflichtiger hatte gegen Steueränderungsbescheide geklagt. Dabei schickte die Kanzlei seines Prozessbevollmächtigten eine Klageschrift zum Finanzgericht (FG), die mit einer eingescannten Unterschrift des Steuerberaters versehen war. Der Berater hatte die Klageschrift zunächst angefertigt und dann per E-Mail an einen Mitarbeiter geschickt. Dieser wiederum hatte das Dokument mit der eingescannten Unterschrift des Beraters versehen, ausgedruckt und dann an das FG gefaxt. Es wies die Klage als unzulässig ab. In der Revision hob der BFH diese Entscheidung auf: Zwar müsse auch eine Klage per Fax normalerweise eigenhändig unterschrieben sein. Eine Ausnahme gelte aber zumindest dann, wenn die Klageschrift an einen Dritten mit der tatsächlich ausgeführten Weisung gemailt werde, sie mit dem Unterschriftsscan zu versehen, auszudrucken und per Fax ans Gericht zu senden. In diesem Fall habe der Steuerberater die erforderliche Schriftform eingehalten: Ebenso wie bei einer persönlichen Übersendung eines herkömmlich unterzeichneten Faxdokuments habe festgestanden, dass die Klage mit Wissen und Wollen des Klägers erhoben wurde.

Tücken des Videoident-Verfahrens: Beim Abgleich des Kundengesichts mit dem Ausweisdokument können die Nerven auf beiden Seiten der Leitung schon mal blank liegen.
Tücken des Videoident-Verfahrens: Beim Abgleich des Kundengesichts mit dem Ausweisdokument können die Nerven auf beiden Seiten der Leitung schon mal blank liegen.

Keine Gnade für einen Unterschriftsscan kannte hingegen das Hessische LAG gegenüber einem Prozessbevollmächtigten, der einen Berufungsbegründungsschriftsatz mit eingescannter Unterschrift im Mail-to-Fax-Verfahren an das Gericht geschickt hatte. Er hatte einen Service genutzt, der Schriftsätze per E-Mail entgegennimmt und sie als Fax weitersendet. In dem entschiedenen Fall sah das Gericht die eingelegte Berufung als unzulässig an: Die nach § 130 Nr. 6 und § 519 Abs. 4 sowie § 520 Abs. 5 der Zivilprozessordnung (ZPO) notwendige Schriftform vertrage sich in diesem Fall nicht mit der eingescannten Unterschrift. Das Mail-to-Fax-Verfahren sei nämlich nicht mit einem Computerfax über eine Ende-zu-Ende-Telefonleitung vergleichbar. Der Serviceanbieter transportiere nicht einfach bloß eine fremde Erklärung, sondern wandle ein Dokument in ein zu übermittelndes technisches Format um.

Gegen diese Entscheidung des Hessischen LAG ist ein Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) anhängig (Az. 3 AZR 159/22).

Elektronisch signieren

Für elektronische Dokumente gibt es in Europa durch Zertifikate abgesicherte elektronische Signaturen [1]. Diese erfordern technischen und wirtschaftlichen Aufwand und sind im alltäglichen Rechtsverkehr zwischen Privatleuten bislang wenig verbreitet. Allerdings werben viele Dienstleister am Markt damit, Verträge unkompliziert digital zu signieren und zu versenden. Damit ein solches Verfahren die eigenhändige Unterschrift ersetzen kann, muss der betreffende Anbieter das Dokument, das den Namen des Ausstellers trägt, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (QES) gemäß § 126a Abs. 1 BGB versehen. Die Anforderungen daran ergeben sich EU-weit aus der sogenannten eIDAS-Verordnung [2].

Außer QES kennt die Verordnung auch „einfache“ und „fortgeschrittene“ elektronische Signaturen. Beide erfüllen nicht die Voraussetzung der gesetzlich definierten Schriftform. In einem Fall hatte ein Arbeitgeber mit einem Mechatroniker einen befristeten Arbeitsvertrag abgeschlossen. Arbeitgeber und -nehmer unterzeichneten diesen Vertrag elektronisch mit dem Tool eSign. Nach rund drei Wochen klagte der Arbeitnehmer auf unbefristete Weiterbeschäftigung: Die Befristung sei mangels Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Schriftform unwirksam, denn die Unterzeichnung per eSign genüge nicht den Anforderungen, die das Gesetz an eine QES stelle.

Das Arbeitsgericht (ArbG) Berlin gab dem Arbeitnehmer recht: Das Signieren mit eSign liefere lediglich eine sogenannte fortgeschrittene elektronische Signatur. Es fehlt dabei die Zertifizierung durch die Bundesnetzagentur, die die qualifizierte elektronische Signaturerstellungseinheit als verordnungskonform bestätigt.

Bin ich wirklich ich?

Unabhängig vom Signieren eines konkreten Dokuments stellt sich bei vielen Geschäften die Frage, wie sich ein Verbraucher als Vertragspartner schnell über die Datenleitung als der ausweist, der er ist. Ein Weg, den Unternehmen dafür nicht selten wählen, führt über sogenannte Videoident-Verfahren. Es gibt sie in mehrerlei Ausprägung. Am Markt sind Agenturen aktiv, die so etwa für Geldinstitute Authentifizierungen von Vertragspartnern einholen. Meistens leitet ein Operator über einen Videochat den zu Identifizierenden an, seinen Ausweis und sein Gesicht für einen Abgleich in die Webcam oder Smartphone-Kamera zu halten. Wenn es um einen Vertragsschluss geht, bestätigt man diesen zudem vor der Kamera. Der Dienstleister dokumentiert das Ergebnis digital; der Auftraggeber hat auf solchen Umwegen wieder einen digital in Quasi-Echtzeit abgesicherten Vertrag vorliegen.

Bei Videoident-Sitzungen treten in der Praxis mancherlei Schwierigkeiten auf, die mit der für Ausweisprüfungen eigentlich ungeeigneten Technik zusammenhängen. Schlimmer noch: Erst kürzlich hat der Chaos Computer Club (CCC) gezeigt, wie leicht sich die Verfahren überlisten lassen [3]. Wenn ein Rechtsstreit eine solchermaßen hergestellte Authentifizierung tatsächlich infrage stellt, kann die Beweislage schwierig sein.

Es kommt mal wieder drauf an

Insgesamt kann man sich im Einzelfall nicht darauf verlassen, dass eine eingescannte Unterschrift bei Dokumenten wirksam ist, für die der Gesetzgeber die Schriftform verlangt. Das gilt etwa für Verbraucherdarlehen nach § 492 BGB, für die Kündigung eines Mietvertrags gemäß § 568 BGB, die Kündigung von Arbeitsverträgen sowie den Abschluss eines Aufhebungsvertrags nach § 623 BGB.

Aber auch die Authentifizierung mit Hilfe von digitalen Signaturdiensten hat ihre Tücken. Wichtig ist, dass die Anforderungen an die qualifizierte elektronische Signatur erfüllt sind und der Gesetzgeber nicht nach § 126 Abs. 3 BGB die elektronische Form für die betreffende Art des Geschäftsvorgangs ausgeschlossen hat. (psz@ct.de)

Quellen und Entscheidungen: ct.de/ygxj

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