c't 18/2023
S. 132
Wissen
Recht auf Reparatur

Reparieren bleibt ein teurer Spaß

Batterieverordnung, Recht auf Reparatur, Ökodesign: Was die EU-Regeln für Smartphones bringen

Die EU stärkt das Recht auf Reparatur, Apple und Samsung liefern Ersatzteile für Smartphones. Trotzdem kritisieren Reparaturfirmen die Politik und die Hersteller. Was ist da los?

Von Robin Brand

Recht auf Reparatur, Batterieverordnung, Ökodesign: Mit gleich mehreren Vorhaben rückt die EU derzeit der Elektronikbranche zu Leibe. Besonders die Smartphoneindustrie ist im Fokus der Regulierer: Ihre Geräte sollen langlebiger und einfacher zu reparieren werden. Erste Hersteller reagieren bereits mit längeren Updateversprechen und dem Verkauf von Ersatzteilen. Wir beleuchten, was die EU-Pläne im Einzelnen bedeuten und warum Wiederaufbereiter und Reparaturfirmen Kritik üben.

Am weitesten gediehen sind die Ökodesign-Verordnungen für Smartphones und Tablets: Das Gesetzespaket dazu hat die EU-Kommission Mitte Juni angenommen. Es macht Vorgaben, wie Hersteller ihre Smartphones und Tablets künftig bauen, mit Updates versorgen und über ihre Beschaffenheit informieren müssen. Die Regeln verpflichten Hersteller, die Geräte fünf Jahre lang mit Updates zu versorgen, die Frist beginnt dabei ab Auslieferung der letzten Exemplare an den Handel.

Außerdem müssen Hersteller für Smartphones fünf Jahre lang und für Tablets sechs Jahre lang Ersatz für bestimmte Bauteile an Reparaturbetriebe liefern und Reparaturanleitungen sieben Jahre nach Ende des Inverkehrbringens verfügbar halten. Akkus von Smartphones und Tablets müssen austauschbar sein oder alternativ nach 500 Ladezyklen noch mindestens 83 Prozent und nach 1000 Ladezyklen mindestens 80 Prozent ihrer ursprünglichen Kapazität aufweisen. Smartphones, deren Akku sich nicht austauschen lässt, müssen zudem staub- und wasserdicht gemäß IP67 sein.

Ein Energielabel soll über Energieeffizienz, Langlebigkeit des Akkus, Schutz vor Wasser und Staub sowie Widerstandsfähigkeit gegen Sturzschäden informieren. Die Verordnungen sehen nach ihrem Inkrafttreten eine 21-monatige Übergangszeit vor, bevor die Anforderungen anwendbar werden. Dem Plan nach soll das neue Energiekennzeichen in der gesamten EU spätestens von 2025 an auf Geräten zu finden sein. Mehr über die Ökodesign-Regeln und das Energielabel lesen Sie in [1].

Mitte März hat die EU-Kommission einen Vorschlag für ein Recht auf Reparatur vorgelegt [2]. Dieses entfaltet seine Wirkung schon während, vor allem aber nach Ablauf der Gewährleistungsfrist und umfasst Waren in Produktgruppen, für die es bereits Ökodesign-Anforderungen an die Reparierbarkeit gibt. Dazu gehören Waschmaschinen, Trockner, Geschirrspüler, Kühlgeräte und Staubsauger, aber in Zukunft auch Smartphones und Tablets.

Während der Gewährleistungsfrist will die EU Hersteller verpflichten, Defekte stets zu reparieren; Ersatz dürfen sie nur dann liefern, wenn er nachweislich günstiger ist als eine Reparatur. Größere Wirkung dürften aber die Bestimmungen entfalten, die nach Ablauf der Gewährleistungsfrist greifen. Denn auch dann sollen Verbraucher künftig ein Recht auf Reparatur haben, allerdings dürfen Hersteller sie dafür zur Kasse bitten. Jedes Land soll zudem eine Onlineplattform einrichten, auf der Reparaturbetriebe gelistet sind. Vor der Reparatur müssen Reparaturbetriebe und Hersteller einen Kostenvoranschlag in standardisierter Form ausstellen.

Wechselbare Akkus, aber ...

Die Batterieverordnung wiederum sieht vor, dass Geräte künftig so gestaltet sein müssen, dass Verbraucher die Batterien selbst austauschen können. Ausnahme sind Geräte, die vornehmlich für den Gebrauch in feuchter Umgebung vorgesehen sind, zum Beispiel elektrische Zahnbürsten. Im Juni hatte das Europaparlament der Batterieverordnung zugestimmt. Sie gilt – die Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten vorausgesetzt – nach einer Übergangszeit von 42 Monaten. Das bedeutet allerdings nicht, dass künftig alle Smartphones und Tablets mit austauschbaren Akkus gebaut werden müssen. Für sie greifen die vorab beschriebenen, speziell auf sie zugeschnittenen Ökodesign-Anforderungen, wie die EU-Kommission auf Nachfrage von c’t mitteilte.

Die EU-Kommission verspricht sich viel von den angestoßenen Maßnahmen. Allein die Ökodesign-Regeln würden dafür sorgen, dass der Primärenergieverbrauch von Smartphones und Tablets im Jahr 2030 um ein Drittel niedriger ausfällt als ohne Regulierung (25,4 TWh statt 39,3 TWh). Das Recht auf Reparatur wiederum spare in den kommenden 15 Jahren 18,4 Millionen Tonnen CO2 ein.

Wer den Akku eines aktuellen iPhones selbst wechseln möchte, braucht viel Fingerspitzengefühl und Spezialwerkzeug.
Wer den Akku eines aktuellen iPhones selbst wechseln möchte, braucht viel Fingerspitzengefühl und Spezialwerkzeug.

Schon jetzt legen Hersteller wie Apple, Microsoft und Samsung eigene Reparaturprogramme auf und rühren dabei heftig die Werbetrommel, vermutlich auch ein Vorgriff auf kommende Richtlinien. Auch, dass Hersteller von Android-Smartphones zumindest im High-End vermehrt fünf Jahre Updates für die Geräte in Aussicht stellen, dürfte nicht von ungefähr kommen; bald werden sie ohnehin dazu verpflichtet.

Softwareblockaden

Dennoch erkennen Reparaturbetriebe und Wiederaufbereiter nur einen ersten Schritt in die richtige Richtung und noch einen weiten Weg zu gehen. Es sei erfreulich, dass die EU sich in die richtige Richtung bewege, sagt Robert Fritsche, Country Manager Germany beim iPhone-Wiederaufbereiter Swappie. „Aber wenn wir uns die jüngsten Rechtsvorschriften ansehen, hätte es noch stärkere Verbesserungen geben können.“ Vor allem, dass es Herstellern wie Apple weiterhin erlaubt sei, Bauteile per Software mit dem Smartphone zu koppeln, um Reparaturen zu kontrollieren und im Zweifel zu unterbinden, stört ihn [3]. „Herstellern sollte verboten sein, unabhängige Reparaturen durch restriktive Praktiken wie die Serialisierung von Bauteilen und die Kopplung von Software einzuschränken, denn nur so können wir die Reparatur gegenüber dem Neukauf wirksam fördern und nachhaltigeren Konsum durchsetzen“, sagt Fritsche. Mit seiner Meinung steht er nicht allein da.

Auch Steffen Vangerow, Geschäftsführer der Vangerow GmbH, die bundesweit Reparaturexperten ausbildet, moniert, dass die EU in ihren Vorschlägen Softwareblockaden ignoriere. Dabei ließen sich Apple-Geräte eigentlich am günstigsten reparieren, „weil Apple nicht selber produziert.“ Es gebe einen freien Ersatzteilmarkt mit aufbereiteten Teilen, neue OEM-Komponenten und Nachbauten verschiedenster Qualitätsstufen. „Man kriegt günstige Ersatzteile und deswegen können wir ein iPhone günstig reparieren. Das kotzt Apple an und was machen sie? Sie setzen Softwareblockaden ein.“ In der Ökodesign-Verordnung heißt es zwar, Hersteller müssten Zugang zu Ersatzteilen, Reparatur- und Wartungsinformationen oder zu Reparatursoftware, Firmware und ähnlichen Hilfsmitteln gewähren. Von einem Verbot der Serialisierung ist aber keine Rede.

Ersatzteilpreise nicht gedeckelt

Auch ein weiteres Versäumnis wiegt nach Vangerows Ansicht schwer: „Sehr negativ ist, dass das Thema Ersatzteilpreise gar nicht angegangen wird. Das ist das wichtigste Kriterium für Reparatur und das ist der Hebel, den die Industrie hat, um Reparatur zu verhindern. Ohne Ersatzteile ist alles andere wertlos.“

Aktuell sieht er die Gefahr, dass das Recht auf Reparatur die Macht der Hersteller gar stärke, schließlich sind diese der erste Ansprechpartner, wenn es um Ersatzteile geht. Vangerow fordert deshalb einen offenen Ersatzteilmarkt, „damit Wettbewerb entsteht – ähnlich wie im Automobilsektor.“ Auch Fritsche sieht das als notwendigen Bestandteil eines ehrgeizigeren Rechts auf Reparatur, „damit nicht nur die Originalhersteller Kontrolle über den After-Sales-Markt haben, sondern dieser offen für Drittanbieter wie Refurbisher und Reparaturdienstleistende ist“.

Tim Seewöster, Geschäftsführer des Wiederaufbereiters Asgoodasnew kritisiert ebenfalls, dass das Recht auf Reparatur Ersatzteilpreise nicht berücksichtige: „Was nutzt ein Ersatzdisplay, das ich bei einem Hersteller bestellen kann, wenn es fast genauso teuer wie das Neugerät ist? Das Right to Repair muss diesen schmutzigen Tricks der Hersteller effektiv einen Riegel vorschieben.“

Ein Bonus gegen die hohen Kosten?

Ein Blick auf die Preise, die Apple und Samsung aufrufen, bestätigt die Befürchtungen der Reparaturbranche teilweise eindrücklich. 458,82 Euro kostet ein Ersatzdisplay für das iPhone 14 Pro Max; leiht man sich noch Apples Werkzeugset dazu, muss man mehr als 500 Euro berappen.

Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) bringt staatliche Zuschüsse ins Spiel, um Reparaturen attraktiver zu machen. Kurzfristig könnten diese aus dem Klima- und Transformationsfonds finanziert werden. Doch mittelfristig sollen sich aus Sicht des vzbv die Hersteller an den Kosten beteiligen. Verknüpfe man die Höhe der Zahlungen mit der Reparaturfähigkeit der Produkte, werde gleichzeitig ein Anreiz geschaffen, diese haltbarer zu bauen, argumentieren die Verbraucherschützer. (rbr@ct.de)

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