c't 18/2023
S. 168
Story
Schreibblockade
Bild: KI Midjourney | Bearbeitung c’t

Schreibblockade

Kreative Autoren leben von den Narben, die ihnen ein gelebtes Leben geschlagen hat, von menschlichen Unzulänglichkeiten und Verletzlichkeiten, von Zeitdruck und Verzweiflung. Und jetzt scheint es, als würden sie auch noch ihre letzten Aufträge verlieren – an preisgünstige Large Language Models, die von all dem im Grunde nicht mehr verstehen als eine Stubenfliege von der Systemprogrammierung.

Von Nathalie Mierse

Ernest konnte an nichts anderes denken als an die fast leere Seite, an der er festhing. „Jung bis in die Knochen!“ Das versprachen die wenigen Buchstaben, die seit gefühlten Stunden vor einem leeren Hintergrund standen. Karg und traurig. Mehr als diese billige Headline war ihm für den Artikel, eine Auftragsarbeit, nicht eingefallen. Gleichsam als Manifestation seiner Schreibblockade starrte sie ihn erwartungsvoll an, fast hämisch.

Wie sollte man ein Lesepublikum denn auch für Osteoporose-Medikamente interessieren? Ernest spürte, wie Resignation an seine innere Tür klopfte und hartnäckig Einlass begehrte. Das letzte Major Release von creates4us hatte den Markt mit einer regelrechten Flut an hochperformanten Chatbots und KI-getriebenen Suchmaschinen überrollt. Seitdem war Ernests Alltag ein einziger Überlebenskampf. Der Leistungsdruck wuchs. Die meisten Autoren waren bereit, so ziemlich jeden Auftrag anzunehmen, um sich über Wasser zu halten.

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