Mac & i 5/2016
S. 3
Editorial
Immo Junghärtchen

Post-Event-Depression

Auf eines kann man sich verlassen in der IT-Welt: Nach jeder Veranstaltung von Apple folgt das große Jammern und Wehklagen. Meist wird Apple vorgeworfen, zu wenig Innovation gebracht zu haben. Manchmal war es auch zu viel davon – oder die ganz falsche.

Man kann schon beinahe von einer „Post-Event-Depression“ sprechen, die Fachjournalisten, Blogger und TV-Kommentatoren erfasst: Befeuert durch das über Wochen anschwellende Gerüchte-Crescendo aus mehr oder minder glaubwürdigen Quellen sitzt alle Welt gespannt vor Live-Stream oder -Ticker und will trotzdem noch überrascht und verblüfft werden. Darauf muss ja zwangsläufig ein Kater folgen, denn sämtliche Wünsche und Hoffnungen kann Apple unmöglich erfüllen.

Auch an den Produkten gibt es stets etwas auszusetzen. Zu klein sei der Speicherplatz ausgefallen, zu gering die erlaubte Wassertiefe, zu eng die Bindung der Kunden an die Plattform. Vor allem aber scheinen stets die Preise zu hoch zu sein.

Täuschen Sie sich nicht. Apples Bestreben ist es nicht, tolle neue Produkte so günstig wie möglich zu verkaufen. Tim Cook und sein Management haben ganz andere Interessen. Wie jedes börsennotierte Unternehmen ist Apple dem Profit verpflichtet und muss alle drei Monate seinen Investoren erklären, wie stark Umsatz und Gewinn gestiegen sind. Anleger erwarten keine gesenkten Preise, sondern Bilanzrekorde im Quartalstakt. Dass das Unternehmen die größten Margen der Branche kassiert und auf riesigen Bargeldreserven sitzt, interessiert die Börse nicht.

Auch wenn manche der Image-Videos einen anderen Eindruck hinterlassen wollen: Apple ist kein Weltverbesserer, sondern ein marktwirtschaftliches Unternehmen. Es hebt sich von anderen lediglich dadurch ab, dass es bessere Produkte baut.

Unterschrift Immo Junghärtchen Immo Junghärtchen