Ist Face ID ein Fortschritt?
Apple feiert seine Gesichtserkennung als technologischen Fortschritt. Face ID soll viel sicherer sein als Touch ID. Doch bietet die neue Entsperrmethode für iOS-Geräte wirklich Vorteile in der Praxis?
Pro
Für Leonhard Becker ist die Gesichtserkennung ein großer Schritt nach vorne.
Face ID macht das Entsperren für mich endlich wieder so „magisch“ wie beim allerersten iPhone: Kurz übers Display wischen und s chon öffnet sich der Homescreen. Während einst die persönlichen Daten für Dritte offenlagen, sind sie nun durch Code und Verschlüsselung bestens geschützt, ohne dass ich etwas umständlich ein- oder antippen muss. Dass das iPhone X neue Mitteilungen standardmäßig erst enthüllt, wenn ich drauf schaue, ist das Sahnehäubchen und bringt ein Plus an Privatsphäre, ohne die sonst so häufig damit einhergehenden Abstriche beim Komfort. Laut Apple ist Face ID zudem generell sicherer als Touch ID. Auch meine Kinder können das iPhone X nicht gegen meinen Willen öffnen; wer einen „bösen Zwilling“ hat, sollte dieses Gerät eh nicht verwenden – oder Face ID abschalten. Bin ich mit Fahrradhelm und Sonnenbrille verkleidet, wird das Telefon übrigens problemlos freigegeben – das ist schlicht beeindruckend. Völlige Dunkelheit stellt auch keine Hürde für das System dar. Neben der Sicherheit ist Face ID aber in ganz anderer Hinsicht ein enormer Gewinn: Die Technik macht nicht nur das langatmige Ertasten des Home-Buttons überflüssig, sondern den gesamten Knopf. So räumt das iPhone X endlich mehr Platz ein für das allerwichtigste Element: ein viel größeres, flächendeckendes Display in einem dennoch kaum gewachsenen Gehäuserahmen. Zugegeben, die Gesichtserkennung könnte schneller arbeiten, das war bei der ersten Generation von Touch ID jedoch nicht anders. Dafür gibt Face ID das iPhone auch mit verschwitzten Fingern frei, das finde ich höchst praktisch etwa beim Sport – Touch ID sperrte mich da stets konsequent aus. Jetzt muss es Apple nur noch schaffen, die Technik auch in den Mac und das iPad zu bringen sowie mehr als ein Gesicht zu unterstützen. ( lbe )
Contra
Johannes Schuster sieht keine Vorteile von Face ID gegenüber Touch ID.
Ich benutze mein innig geliebtes iPhone X jetzt seit Anfang November 2017 täglich und habe mich sehr sc hnell an Face ID gewöhnt. Trotzdem muss ich nach einem halben Jahr in der Praxis sagen, dass es mir keine Vorteile bringt. Im Gegenteil: Das Entsperren dauert einen Moment länger. Außerdem muss ich das iPhone X erst mit einem Fingertipp aufwecken und es mir dann in einem bestimmten Abstand vor das Gesicht halten, während ich bei Touch ID das Aufwecken mit dem Identifizieren in einer einzigen Fingerberührung verbinden konnte. Bei jedem App-Kauf muss ich zwei Mal auf die rechte Seitentaste drücken und zusätzlich das Telefon hochnehmen, um hinein zu schauen – umständlich. Habe ich das iPhone X quer in ein Stativ eingespannt, muss ich es mit dem Pin-Code entsperren oder meinen Hals verrenken. In der Jackentasche oder in der Mittelkonsole im Auto funktioniert Face ID ebenfalls nicht. Apple wirbt damit, dass man viel seltener auf ein gleiches Gesicht als auf einen gleichen Fingerabdruck stößt. Allerdings wissen Menschen mit gleichen Papillarlinien meist nichts voneinander, während die „Evil Twins“ in der engen Verwandtschaft auftreten: Geschwister, Kinder oder Eltern konnten Face ID (in seltenen Fällen) bereits überlisten. Mein iPhone möchte ich aber nur selbst nutzen. Löst Face ID demnächst Touch ID auch auf dem iPad ab, erwarte ich weitere Nachteile. In unserer Familie benutzen wir ein Wohnzimmer-Tablet (mit Absicht) gemeinsam, aber die Gesichtserkennung funktioniert nur mit einer Person, während man bei Touch ID auch mehrere Finger verschiedener Personen einspeichern kann. Selbst den sonstigen Möglichkeiten der Gesichtserkennung per Infrarot kann ich keinen praktischen Nutzen abgewinnen. Die Masken von Snapchat treffen wohl eher den Geschmack pubertierender Teenager und Animojis habe ich nach meinem Test nicht ein einziges Mal verschickt, weil mir schon Emojis oftmals auf den Geist gehen. ( jes )