Make Magazin 4/2016
S. 28
Interview
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„Zusammenhänge zu verstehen ist wichtig“

Vor ihrer politischen Laufbahn lehrte Johanna Wanka Ingenieurmathematik an der Hochschule Merseburg in Sachsen-Anhalt. 1994 wurde sie zur Rektorin der Hochschule ernannt. Nach Stationen als Wissenschaftsministerin in Brandenburg und Niedersachsen folgte 2013 die Berufung zur Bundesministerin für Bildung und Forschung.Für die Maker Faire Hannover hat sie in diesem Jahr die Schirmherrschaft übernommen.

M ake: Frau Dr. Wanka, was gab den Ausschlag, die Schirmherrschaft für die Maker Faire Hannover zu übernehmen?

Dr. Johanna Wanka: Die Maker-Initiative ist eine Bewegung, deren Bedeutung in der Gesellschaft noch gar nicht voll erkannt ist. Ich halte sehr viel von dem, was vor allem junge Leute auf die Beine stellen und selber machen. Dahinter steckt ja ein beeindruckendes Verständnis für Technik und physikalische Phänomene. Diese Leidenschaft zu erleben, das begeistert mich. Bei unseren „Make Light“-Initiativen (Make 02/15, S. 82, d. Red.) haben wir die Erfahrung gemacht, dass über das Basteln auch das Interesse daran geweckt wird, wie etwas funktioniert, wenn ich die Teile zusammenstecke. Daraus ergibt sich die Beschäftigung mit der Theorie. Junge Leute für technische und naturwissenschaftliche Fächer zu begeistern ist mir sehr wichtig.

Make: Sie haben auf der Maker Faire Hannover Projekte im Rahmen Ihres „Make Light“-Wettbewerbs präsentiert. Warum spielt ausgerechnet das Thema Licht respektive Photonik eine so große Rolle?

Dr. Wanka: Weil es dort sehr viele einfache Möglichkeiten gibt, etwas selbst umzusetzen. Sie müssen nicht schweißen oder Fräsen bedienen, um etwas zu bauen. Mit der LED-Technik gibt es vielfältige Möglichkeiten, mit simplen Bauteilen schöne Ergebnisse zu erzielen. Die Einstiegshürde zum Gestalten ist niedrig. Und mit raffinierter Beleuchtung im eigenen Zimmer erzielen Sie beeindruckende Effekte.

Die LED-Technik haben wir sehr stark in Deutschland gefördert – vor allem die Anwendung der Technik, nachdem die Forschung erfolgreich war. Wir haben in Wettbewerben insgesamt 20 Millionen Euro bereitgestellt. Bewerben konnten sich Kommunen mit Projektideen, etwa um LED-Beleuchtung in Schulen und Kindergärten einzusetzen – und dafür je 2 Millionen Euro bekommen.

Make: Im Rahmen der „Make Light“-Initiative der Photonik engagieren Sie sich auch auf der Maker Faire Hannover und haben in diesem Jahr die Schirmherrschaft übernommen. In Ihrer Videogrußbotschaft hierzu sagten Sie, dass Sie Partner der Maker sind. Wo können sich Maker noch mehr einbringen? Gibt es weitere Aktivitäten des BMBF für die und mit der Maker-Szene?

Dr. Wanka: Ein spezielles Förderprogramm direkt für die Maker haben wir nicht. Die „Make Light“-Initiative hat in der Tat einen gewissen Leuchtturmcharakter für unsere Aktivitäten in diesem Bereich. Hier haben wir kürzlich mit dem Förderwettbewerb „Light Cares“ einen nächsten Schritt gemacht: In dem Wettbewerb geht es um gemeinsame Projekte von professionellen Einrichtungen, Makern und Leuten, die mit „Maker-Tools“ einfache Alltagshilfen für Menschen mit Behinderungen erfinden.

Im BMBF gibt es aber auch noch weitere Formate, die sich an die Maker-Szene wenden und an denen sich Maker beteiligen können. So haben wir zum Beispiel unser ZukunftsForum unter dem Motto „Tauschen, Teilen, Selbermachen“ mit einem „ZukunftsTag“ am 21.05. im betahaus Berlin und einer „ZukunftsNacht“ am 23.06. im BMBF veranstaltet. Hier waren alle Bürgerinnen und Bürger eingeladen, mit Wissenschaft und Politik über wegweisende Zukunftsentwicklungen und Themen wie die Sharing Economy, virtuelle Tauschplattformen und den Trend zum Selbermachen zu diskutieren. Weiter gibt es zum Beispiel unseren Schülerwettbewerb „INVENT a CHIP“, in dem Schüler ihren eigenen Mikrochip entwerfen und bauen.

Im Foyer des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hängt ein Objekt aus Maker-Hand: Durch Knopfdruck wählt der Besucher …

Make: Und dafür laden Sie dann die entsprechenden Leute selbst ein, mit denen Sie sich austauschen wollen?

Dr. Wanka: Ja. Ein Beispiel: Wir hatten eine Veranstaltungsreihe vom Bundeskanzleramt „Gut leben in Deutschland“, da hatten wir hier eine erste Runde im Haus zum Thema Gesundheit. Da wurden Bürger eingeladen, zu Gesprächsrunden, insgesamt 200 Leute. Darunter befinden sich typischerweise welche, die sich für das Thema schon sehr interessieren und es umsetzen, aber auch Menschen, die dadurch erst angeregt werden. Andere wollen sich erst noch eine Meinung bilden oder sind vielleicht noch skeptisch, haben Fragen. Außerdem gibt es Citizen-Science-Projekte, die teilweise auch in Richtung Maker gehen. Da haben wir eine Schnittstelle geschaffen, um uns auszutauschen.

… was auf dem großen Pixel-Display an der Wand zu sehen ist – hier zum Beispiel eine Visualisierung der Geräusche im Raum.

Make: Gibt es denn schon konkrete Citizen-Science-Projekte, die von ihnen unterstützt werden?

Dr. Wanka: Ja, es gibt beispielsweise die senseBox (Make 04/15, S. 106, d. Red.). Mit ihr können Daten über Klima, Luftqualität, Verkehrsbelastung oder Lärmentwicklung vor Ort erfasst und über das Netz zur Auswertung übermittelt werden. Die Box vereint Maker- und Citizen-Science-Aspekte. Und noch im Sommer werden wir eine Förderrichtlinie für Citizen-Science-Projekte veröffentlichen, die sich auch an die Maker-Szene richtet.

Make: Warum ist Citizen Science für die Forschung so interessant? Braucht die institutionalisierte Forschung neue Impulse von Querdenkern?

Dr. Wanka: Es geht doch auch darum, die Zivilgesellschaft mit einzubeziehen und für Dinge zu begeistern, die die Forschung so nicht leisten kann. Mein Standardbeispiel aus der Archäologie ist die Bodendenkmalpflege, die es überall in der Republik gibt: Selbst wenn Sie die Landesämter für Denkmalpflege verdoppeln würden, könnten die trotzdem nicht laufend in alle Ecken sehen und alle Veränderungen im Auge haben oder mitbekommen, wenn ein Bauer was auf seinem Acker gefunden hat. Durch viele beteiligte Personen als Citizen Scientists ist eine bessere Bodendenkmalpflege dennoch machbar.

Citizen Science ist eine gute Ergänzung, überall dort, wo man Dinge nur durch eine Vielzahl von Leuten erreicht. Vogelbeobachtung gehört ebenfalls dazu, wenn beispielsweise Arten von Beobachtern in verschiedenen Gegenden im Auge behalten werden. Wenn man diese Ergebnisse zusammenbringt, kann man daraus Schlüsse ziehen. Aber die vielen Beobachter würden schwer zusammen kommen, wenn es nicht Strukturen wie Citizen Science gäbe.

Bundesforschungsministerin Dr. Wanka im Gespräch mit Make-Chefredakteur Daniel Bachfeld

Make: Was ist mit Forschungsergebnissen oder Ideen in der Maker-Bewegung, auf die die etablierte Forschung nicht gekommen ist?

Wanka: Das kommt weniger vor. Maker lösen selten die grundsätzlichen Forschungsfragen, mit denen sich die Wissenschaft beschäftigt. Durch die Maker-Bewegung wird aber der Transfer aus der Forschung in die Praxis angeregt: Maker wenden ähnliche Methoden an, um Probleme zu lösen.

Ein Beispiel: Ein Mensch mit Behinderung (Raul Krauthausen, raul.de, d. Red.) wollte sein Handy an seinem elektrisch angetriebenen Rollstuhl laden. Die Sicherheitsbestimmungen untersagen aber, den Akku des Rollstuhls direkt anzuzapfen, um dort ein USB-Ladekabel anzuschließen. So hat er sich überlegt, wie er das Problem lösen kann. Die Rollstühle haben einen Anschluss für Zigarettenanzünder wie im Auto. Dafür hat er sich dann einen Adapter gebastelt.

Wir investieren ja Millionen, um behindertengerecht zu bauen, aber manchmal bleiben Hürden. Er hat sich dann auch noch Keile für die unterschiedlichsten Bordsteinhöhen mit einem 3D-Drucker hergestellt. Die legt er dann einfach hin und fährt hoch. Die Idee und die Druckdateien hat er ins Netz gestellt. Das kann Tausenden von Rollstuhlfahrern nützen. Um es nochmal anders zu sagen: Die Forschung liefert beispielsweise die Grundlagen zur Entwicklung von 3D-Druckern, aber nicht unbedingt die Ideen für die späteren Einsatzszenarien. Mittlerweile gibt es aber einen Austausch zwischen Forschern und Makern, sodass schon während der Forschung praktische Ideen für spätere Einsatzzwecke einfließen.

Make: Wann haben Sie denn zuletzt was gebastelt oder repariert?

Dr. Wanka: Ich habe zuletzt ein Ikea-Möbel zusammengebaut – große Leistung (lacht). Als ich fertig war, hatte ich auch nur ein Brett vertauscht. Meine Kreativität liegt eher im gärtnerischen Bereich.

So wie das Selbermachen ist mir persönlich auch wichtig, dass Dinge nicht einfach weggeworfen werden. Das ist vielleicht etwas altmodisch. Ich finde es aber ganz schlimm, dass man komplette Geräte wegwerfen muss, weil man gar keine Chance mehr hat, das Gerät zu öffnen, um etwas selbst zu reparieren. Selbst wenn der Aufwand für die Reparatur gering wäre, weil vielleicht nur ein kleines Teil kaputt ist.

Diese Einstellung ist sicher auch damit begründet, dass ich aus der DDR mit einer Mangelwirtschaft komme. Sie ist aber nicht nur darauf begrenzt: Es ist eine Haltung zu Wertstoffen. Es geht ja auch um Ressourcen, sei es Holz, Plastik oder was auch immer. Vieles davon wirft man heute in den Container. Besser ist es doch, zu überlegen, was steckt drin was kann man daraus eventuell machen. Das ist mir persönlich sympathisch und wichtig. Und die Maker Faire ist dafür eine große Möglichkeit, solche Themen und Projekte zu präsentieren.

Der Weg in die höheren Stockwerke des Ministeriums führt über diese Treppe, der Aufstieg wird durch diese Lichtinstallation begleitet – wenn man Glück hat, denn wann sie aktiv wird, bestimmt der Zufall.

Make: Liegt das daran, dass die Hersteller das mit Absicht so versiegeln, oder eher daran, dass die Nutzer die Fähigkeiten zur Reparatur verlernt haben und die Geräte deshalb gar nicht mehr unter diesem Aspekt produziert werden?

Dr. Wanka: Vielleicht beides. Ich habe letztens das Buch „Die Kultur der Reparatur“ von Wolfgang Heckl geschenkt bekommen, dem Direktor des Deutschen Museums in München. Da beschreibt er den Fall einer kaputten Pumpe für seinen Pool. Eigentlich wäre er in der Lage gewesen, die Pumpe zu reparieren, aber letztlich hat er als Endkunde keine Ersatzteile vom Hersteller bekommen, beziehungsweise nur für einen hohen Preis. Da wäre der Neukauf günstiger gewesen.

Make: Zumindest hat Heckl die Fähigkeit, in Geräte reinzuschauen.

Dr. Wanka: Dass man Dinge auch ein bisschen versteht, dass man Zusammenhänge versteht, ist wichtig. Das bedeutet ja, nicht einfach ausgeliefert zu sein, sondern von der Welt und den technischen Dingen etwas zu begreifen.

Wer heute Auto fährt, hat damit aber schon ein Problem. Ich konnte damals noch Zündkerzen wechseln. Und heute macht man die Motorhaube auf und sieht nur noch eine Black Box. Da geht etwas verloren, wenn man einfachste Dinge nicht versteht.

Make: Sie sagten eingangs, dass Make Light und Maker Faire wieder das Interesse von Schülern geweckt hat, sich mit technischen Dingen zu beschäftigen. Was läuft dann in der Schule falsch, dass man das nicht dort schon schafft?

Dr. Wanka: Ich weiß nicht, ob man das auf die Schule schieben kann. Ich glaube generell, dass in der Schule zu wenig Wert auf handwerkliche Dinge gelegt wird. Im normalen Schulablauf werden bis zur 8. Klasse intellektuelle Fähigkeiten gefordert und gefördert. Aber Talente und Kreativität im handwerklichen Bereich spielen weniger eine Rolle.

Aber das wäre in Kombination mit Physik und Chemie auch etwas, was mehr Begeisterung für Schule wecken würde. Wenn über die Maker-Bewegung ein Interesse entsteht und es Erfolgserlebnisse gibt, dann halte ich das für wichtig. Ich finde es ohnehin schön, wenn man sich mit realen Dingen beschäftigt.

Make: Das klingt aber fast so, als würden Sie sagen, da ist ein Stück Allgemeinbildung für handwerkliche Dinge verloren gegangen.

Dr. Wanka: Ja, eindeutig. Es ist auch leider die Neugier verloren gegangen, wie etwas funktioniert – und das finde ich schlimm.

Make: Sehen Sie da eine Entwicklung?

Dr. Wanka: Ja. Die Beschäftigung mit realen Dingen hat sich durch die virtuelle Welt verändert. Dass man sich stundenlang aus dem Internet alle Informationen runterladen kann, ist einerseits komfortabel, aber andererseits glaube ich, dass man auch eine gewisse Einfachheit im Leben braucht und eine Freude an den natürlichen Dingen. Und das hat sich zum Negativen entwickelt, glaube ich.

Make: Ist es dann nicht wichtig, wieder einen Wertewandel anzustoßen? Wo müsste man ansetzen?

Dr. Wanka: Sie setzen da ja an.

Make: Aber wir sind eigentlich zu spät dran. Muss man die Weichen nicht schon in der Grundschule stellen?

Dr. Wanka: Wir versuchen das unter anderem mit dem „Haus der kleinen Forscher“. Im Kita- und Grundschulalter werden Veranstaltungen angeboten, also beispielsweise mit Plastikflaschen oder Überraschungs-Eiern gebastelt und Versuche gemacht. Kleine Kinder sind begeistert, das habe ich schon oft erlebt. Die Kinder erzählen davon wiederum ihren Eltern, die dann selber neugierig werden. Wir bieten das jetzt bis in die 4. Klasse an und binden auch die Eltern gerne ein. Daneben haben wir weitere Programme wie „Invent a Chip“ oder den MINT-Pakt.

Make: Das sind schöne Versuche, schöner wäre es, das flächendeckend durchzuführen. Müssten dafür nicht mehr Ministerien zusammenarbeiten, um mehr zu bewegen?

Dr. Wanka: Ministerien müssen immer zusammenarbeiten, und das tun wir auch. Die angesprochenen Programme stehen bundesweit zur Verfügung. Grundsätzlich ist es wichtig, dass Kinder schon früh mit den praktischen Dingen des Alltags in Berührung kommen. Als Ministerin in Niedersachsen habe ich mich für das Schulfach „Alltagswissen“ engagiert. Es ist interessant zu wissen, was Chemie mit Kuchen backen zu tun hat. Da läuft ein chemischer Prozess ab. Dass man einfach nur eine Tiefkühlpizza in die Mikrowelle steckt, finde ich zu wenig.

Make: Haben wir eine spezielle Situation in Deutschland, spüren Sie eine Technikfeindlichkeit?

Dr. Wanka: Das habe ich auch immer gedacht, dass das in der Mentalität der Deutschen liegt, die bei neuer Technik immer erst Risiken sehen. Es wurde aber untersucht, wie wir Deutsche eingestellt sind, im Vergleich mit anderen Ländern. Und da zeigte sich, dass die Ansichten in Deutschland ähnlich sind wie in Finnland oder Schweden, die sehr viel risikofreundlicher sind. Also muss es ein bisschen an den Rahmenbedingungen oder vielleicht sogar an der Politik liegen.

Im Ministerium gibt es verschiedene Veranstaltungsräume. In einem davon arbeitet dieser Roboter, der die Tafel mit Darstellungen von Meilensteinen der Forschungsgeschichte füllt …

Make: Das heißt, die Vorstellung, dass Deutsche Angst vor Technik haben, ist eigentlich unbegründet?

Dr. Wanka: Zumindest gibt es keine Angst. Aber eine höhere Skepsis gegenüber Technik. Das ist Fakt. Aber das ist nicht per se so, es scheinen die Rahmenbedingungen zu sein – und es ist auch stark abhängig vom Thema.

Make: Welche Rahmenbedingungen stören dann? Müsste man das nicht ebenfalls erforschen?

Dr. Wanka: Es gibt ganz viele Forschungsprojekte, und über Akzeptanzprobleme wird auch in den Akademieprojekten geforscht. Bei der Energieforschung zum Beispiel beziehen wir von Anfang an die Zivilgesellschaft ein, also Kammern, Verbände und Bürgerinitiativen. Wir wollen mehr Berührungspunkte und Austauschmöglichkeiten schaffen.

Ich glaube, die Menschen wollen nicht belehrt werden, sondern von Anfang an ernst genommen werden – mit ihren Sorgen, aber auch ihren Ideen. Und hier kommt wieder Citizen Science ist Spiel. Der Dialog zwischen Wissenschaft und Zivilgesellschaft schafft Vertrauen. Das sollte die Wissenschaft auch als Chance sehen. Auf der anderen Seite instrumentalisieren manche Organisationen die Skepsis oder gar Angst vor bestimmten Technologien. Diese Stimmungsmache halte ich für falsch und gefährlich.

Jemand hat mal gesagt, heute könnte man in Deutschland wahrscheinlich kein Stromnetz mehr einführen: das wäre als Tod aus der Steckdose sofort verschrien.

Es ist eine Aufgabe für die Wissenschaft, Menschen aufzuklären und so wichtige Entwicklungen aktiv zu begleiten. Um Vertrauen zu schaffen, brauchen wir zum Beispiel auch Citizen-Science-Projekte, bei denen Wissenschaft und Bürger zusammenarbeiten und sich austauschen.

Make: Man hört ja immer wieder, dass viele Forscher wegen Rahmenbedingungen lieber ins Ausland gehen. Wie steht es denn überhaupt um den Forschungsstandort Deutschland?

Dr. Wanka: Der Forschungsstandort Deutschland hat enorm an Attraktivität gewonnen. Wir sind jetzt in einer sehr guten Position. Aber die Frage, warum man ganze Bereiche tabuisiert und Forschung teilweise in unserem Land unmöglich macht, die ist ein Problem. Und deswegen sind manche Forschungsabteilungen aus Deutschland weg und kommen wohl auch nicht wieder.

Und das bedeutet, dass manche Produktion hier nicht mehr stattfindet. Deshalb ist es für die Wissenschaft wichtig, gut zu argumentieren. Der BASF-Chef formulierte es sehr treffend als faktenbefreite Diskussion.

… sein eigenes Werk mit dem eingebauten Schwamm aber auch regelmäßig wieder löscht, um Platz für Neues zu schaffen. Das Kunstwerk von Thomas Henninger und Axel Anklam trägt den Titel: Die Fröhliche Wissenschaft.

Make: Von welchen Technologien reden wir genau?

Dr. Wanka: Gentechnik, Pflanzenzüchtung. Die neue Crispr-Methode (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) zur Gentherapie bietet beispielsweise vielversprechende neue Möglichkeiten, erfordert aber auch eine Debatte über ihre Anwendungsgrenzen. Das sind aber Bereiche, in denen schnell versucht wird, mit Verboten auszubremsen. Dabei sind ethische und soziale Fragestellung längst fester Bestandteil unserer Forschung.

Auch Fusionsforschung steht in der Kritik. Wenn es nach manchen Kritikern ginge, würde die sofort aus Deutschland verschwinden. Wir haben gerade Erfolge mit dem Wendelstein-Experiment. Selbst wenn diese Technik erst in 50 Jahren angewendet werden könnte, würden sich völlig neue Chancen für unsere Gesellschaft eröffnen. Beispielsweise wäre die Stromversorgung von Mega-Citys gelöst. Und wenn es nie funktioniert, dann haben sie im Laufe der Jahre dennoch viel Ingenieurwissen, Patente und Erfahrungen erarbeitet. Es gibt ganz viele Nebenprodukte, die man in anderen Bereichen einsetzen kann. Offenheit lohnt sich in jedem Falle.

Make: Wie sieht es denn mit den gerade aufstrebenden Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz aus? Gibt es da auch schon Bedenken?

Dr. Wanka: Es gibt Mentalitätsunterschiede. Beispielsweise hat Japan eine ähnliche demografische Situation wie Deutschland. Die Menschen werden älter und brauchen Unterstützung. In Japan ist die Akzeptanz für den Einsatz von Service- und Pflegerobotern schon deutlich ausgeprägter als in Deutschland. Die Entwicklung von Servicerobotern ist dennoch weiterhin in unserem Interesse.

Wir treiben aber auch aktuell die Entwicklung von Robotern für den Einsatz in menschenfeindlichen Umgebungen voran. Da gibt es gute Forschung in Deutschland, die wir in einem Kompetenzzentrum bündeln wollen.

Make: Wir bedanken uns für das Interview. dab