Make Magazin 4/2017
S. 128
Was uns inspiriert

Mit dem Feuer spielen

Bild: LWL Museum für Kunst und Kultur

Was tun, wenn der Handy-Akku stirbt? Installationskünstler Aram Bartholl verbindet in Münster gerade moderne mit archaischer Technik. Im Rahmen der Skulptur-Projekte gibt es drei Arbeiten zu sehen, die Feuer in Strom umwandeln – Thermoelektrik und Peltier-Elementen sei Dank. Am Pumpenwerk von 1901 können die Besucherinnen und Besucher der öffentlichen Ausstellung ihre Mobiltelefone an einem Lagerfeuer laden. Statt Marshmallows oder Stockbrot gibt es kleine Generatoren in Schalen, die mit großen Stöcken über das lodernde Feuer gehalten werden. Titel der Installation ist passend „5 Volt“.

Nur „3 Volt“ gibt es im Tunnel zum Schlossplatz, dafür spenden hier fünf Kronleuchter gleich doppelt Licht. Pro Leuchte versorgen jeweils zehn Teelichter zehn LED-Campinglampen über ein Peltier-Element mit Spannung. Aus der stillgelegten Fußgängerunterführung wird so ein kleiner Festsaal, der täglich mit neuen Teelichtern ausgerüstet wird. Ein Spielplatz neben dem Fernmeldeturm ist um einen Ofen reicher, an dem ein kleiner Offline-Router hängt. Mit dem Smartphone kann man aus seiner Datenbank nun Anleitungen für ein Leben ohne Internet herunterladen und eigene Ideen teilen. Die Ausstellung läuft noch bis zum 1. Oktober 2017 und der Eintritt ist frei. —hch

Volle Kraft voraus

Was andere nach einmaligem Gebrauch wegwerfen, ist für Lothar Bunscheit nützliches Baumaterial: abgebrannte Streichhölzer. Aus Tausenden davon baut er – im wahrsten Sinne des Wortes in Kleinarbeit – ausgewachsene, maßstäbliche Schiffsmodelle nach Vorbildern wie Feuerlöschbooten, Seenotrettungskreuzern, dem Forschungsschiff Meteor oder dem Kreuzfahrtriesen Aida blu. Für Letztere leimte der Rentner aus Rhauderfehn über 15 000 der abgebrannten Hölzchen zu seinem Modell im Maßstab 1:200 zusammen, das es auf eine Länge von 1,27 Meter bringt. Das fertige Schiff versah er mit einem wasserdichten Anstrich aus Bootslack, baute eine Fernsteueranlage mit vielen Sonderfunktionen ein – denn so gut wie alle Produkte seiner Modell-Werft sind schwimmfähig.

Der 1,30 m lange Nachbau des britischen Passagierschiffes Oriana verschlang 11 000 Streichhölzer und 140 Tage Arbeitszeit. Bild: Lothar Bunscheit

Sein erstes Streichholzschiff baute Lothar Bunscheit bereits im Jahr 1955: Damals ließ er eine relativ kompakte Version der Santa Maria, des Flaggschiffs von Columbus auf seiner berühmten Reise im Jahr 1492, vom Stapel. Bei diesem Modell bestehen sogar die geblähten Segel aus Streichhölzern. Einmal entflammt, ließen ihn die abgebrannten Hölzchen nicht mehr los, und so baut er bis heute Schiff um Schiff. Auf der Maker Faire in Hannover vom 25. bis 27. August kann man die Streichholzschiffe von Lothar Bunscheit aus nächster Nähe betrachten – und in Aktion: Der Teich im Stadtpark auf dem Festivalgelände ist schon fest als Modell-Ozean für Aida blu & Co. gebucht. pek

Kunstvolles Elektronikspielzeug aus Papier

Aus Propellern, Photowiderständen und Piezosummern auf Papierbögen zaubern Marion Pinaffo und Raphaël Pluvinage Spielzeuge, die hüpfen, musizieren und versteckte Botschaften enthüllen. Seit über zwei Jahren hat das französische Design-Duo am Büchlein Papier Machine gearbeitet, dessen Seiten mit speziellen Tinten zu 13 interaktiven Projekten gefaltet werden. Batterien und einfache elektronische Bauteile sorgen für vielfältige Effekte.

Bild: Papier Machine

Auf spielerische Weise wollen Pinaffo und Pluvinage damit einen Zugang zu Elektronik bieten: ein Aluminiumball wird zum Schalter, ein Blatt mit S-förmigem Stromkreis zum Gyroskop, und Fantasiekreaturen reagieren auf Licht und Farbe. Statt Drähten verbindet leitfähige Tinte die eingesteckten und aufgeklebten Bauteile. Die Linien sind klar zu sehen, auch wenn ihre Funktion erst auf den zweiten Blick deutlich wird. Zum Zusammenbau gibt es jeweils nur kurze Anleitungen, die Raum lassen für eigene Spielereien und an die minimalistischen Herausforderungen von MacGyver erinnern sollen: ein Bleistift und eine Batterie reichen, um einen kleinen Sequenzer zu bauen. Bisher ist das Projekt nur bei Ausstellungen zu sehen und nicht als Buch oder Kit erhältlich. Pinaffo und Pluvinage arbeiten aber an einer Crowdfunding-Kampagne, um eine Produktion zu finanzieren. hch