MIT Technology Review 1/2016
S. 66
TR Mondo

USA

Zulassung für Gentechnik-Lachs

Erreicht sein Schlachtgewicht in der Hälfte der Zeit: der Turbolachs von AquaBounty Technologies. Foto: Aqua Bounty Technologies

Zwei Jahrzehnte ließ sich die FDA, die US-Behörde für Lebensmittelsicherheit, Zeit. Jetzt hat sie das erste transgene Tier für den menschlichen Verzehr zugelassen. Dabei handelt es sich um eine genetisch veränderte Variante des beliebten Atlantiklachses. Im Unterschied zu seinen natürlichen Verwandten wächst er doppelt so schnell und erreicht bereits nach eineinhalb statt nach drei Jahren sein Schlachtgewicht von drei Kilogramm.

Um dies zu realisieren, flochten die Entwickler des Turbofisches bei der Firma AquaBounty Technologies in Maynard, Massachusetts, ein Wachstumsgen des Königslachses in seine DNA ein. Zusätzlich stellten sie das Tier unter die Kontrolle eines Regulationsgens aus einer völlig anderen Fischart, die im Englischen „Ocean Pout“ heißt. Sie kommt an der Küste Neuenglands vor und ist mit der europäischen Aalmutter verwandt. Dank dieser Kombination wächst das AquAdvantage genannte Tier das ganze Jahr über und nicht nur im Sommer, wie bei Lachsen üblich.

In den USA darf der Turbolachs zwar jetzt auf den Teller, aber noch nicht gezüchtet werden. Denn um ganz sicher zu gehen, will man ihn in behördlich zugelassenen, hochsicheren Anlagen weiterzüchten. So entsteht ein ungewöhnlich kompliziertes Verfahren: Die Larven wachsen in Tanks an der Küste Kanadas bis zum Jungstadium heran. Da sie nur in Süßwasser überleben, würden sie eingehen, falls sie aus den Zuchtanlagen direkt ins Meer entwischten. Von Kanada müssen sie dann ins Hochland von Panama verfrachtet werden. Dort verbleiben die Jungfische in 68 riesigen Tanks, bis sie die Schlachtreife erreichen. Die dortigen Flüsse sind zu warm für das Überleben der Lachse, falls dennoch einer ausbüxen sollte. Von Panama gelangen sie dann schließlich auf den US-Markt.

Befürworter gentechnisch veränderter Fische argumentieren, dass auf diese Weise der steigende weltweite Bedarf an Fisch schneller befriedigt werden kann. Außerdem würden die bedrohten natürlichen Bestände geschont. Nicht zuletzt frisst transgener Lachs 25 Prozent weniger als seine Artverwandten. Das senkt den Bedarf an Fischmehl und macht zudem die Fischzucht profitabler.

Allerdings sind die Langzeitfolgen der Genlachs-Zucht nicht ausreichend untersucht. Die Gefahr, dass bei allen Vorsichtsmaßnahmen dennoch Turbolachse in der Natur überleben, ist nicht gebannt. Und trotz des geringeren Futterverbrauchs muss weiterhin im Meer gefischt werden, weil Lachse nun einmal Raubfische sind und entsprechend mit Nahrung versorgt werden müssen. Verbraucherschützer in den USA kritisieren außerdem, dass Genlachse nicht besonders gekennzeichnet werden müssen.

Die FDA hatte ihre Nahrungssicherheitsbewertung zwar bereits 2010 und die Umweltbewertung 2012 abgeschlossen – dennoch kam die Freigabe erst jetzt, drei Jahre später. Als Begründung gab die Behörde an, dass sie besonders vorsichtig sein wollte, weil es die erste Zulassung dieser Art war. Außerdem mussten sich die Experten diesmal durch besonders zahlreiche öffentliche Kommentare hindurcharbeiten.

Auf europäische Teller wird AquAdvantage allerdings wohl eher nicht kommen. Die Europäische Kommission fordert weitere Untersuchungen, da die FDA ihre Entscheidung nur aufgrund der Studien fällte, die die Zuchtfirma selbst durchgeführt hat. Ob das geplante TTIP-Abkommen daran etwas ändert, bleibt abzuwarten.

Hanns-J. Neubert