SCHWEDEN
Medizinischer Außenposten im Supermarkt
Medizinische Check-ups mit Selbstbedienung – das ist das neue Konzept des schwedischen Gesundheitssystems für den dünn besiedelten Norden. In mehr als zehn lappländischen Orten wurden in diesem Jahr dafür ausgelegte Gesundheitsräume eingerichtet, meist in Supermärkten, bei Platzmangel auch in Schulen. Sie sind ausgestattet mit Pritsche, Desinfektionsmitteln und Nadeln sowie mit Messgeräten für Blutdruck, Körpertemperatur und Blutanalyse. Für die Datenübertragung sorgt ein Internetanschluss, und für Rückfragen steht sogar ein Computer zur Verfügung.
Die Benutzer öffnen die Tür mit ihrer Krankenkarte, womit sie sich gleichzeitig dem medizinischen System gegenüber identifizieren. So landen die erhobenen Daten automatisch in ihren persönlichen elektronischen Akten auf einem Krankenhausserver, der mitunter mehr als hundert Kilometer entfernt ist. Einsehen können die Daten allerdings nur die behandelnden Mediziner.
Mit der Nadel ein Piks in den Finger, den Blutstropfen auf einen Messstreifen gedrückt und diesen wiederum in ein handygroßes Messgerät gesteckt: Nach wenigen Sekunden liegen etwa die wichtigsten Blutwerte vor. Dasselbe passiert mit den restlichen Daten. Weichen diese Messwerte zu sehr von den üblichen Werten ab, ruft eine Krankenschwester oder ein Arzt den Patienten an und berät über entsprechende Maßnahmen. Wenn nötig, kommt eine Gemeindeschwester vorbei.
Bei komplizierten Fällen gehen die Vitaldaten sogar nach Stockholm zum Karolinska-Krankenhaus. Denn von dort aus können sich Ärzte oder ganze Teams auch per Videokonferenz ein Bild von ihrem Patienten machen.
Das Konzept wurde am Zentrum für die Medizin bewohnerarmer Gebiete an der Universität Umeå unter Leitung des Distriktarztes Peter Berggren entwickelt. Inzwischen gründete der Mediziner das Start-up Nordic Health Innovations, das den Gesundheitsraum zusammen mit Microsoft und Sigma weiterentwickelt und exportiert, beispielsweise bereits nach Indonesien, Kenia und Südafrika.
Aber es gibt auch Bedenken: So sei die Einsamkeit ein großes Problem in Schweden, sagte Hanna Falk, Pflegewissenschaftlerin an der Universität Göteborg, der Nachrichtenagentur TT. Technik könne nicht immer das persönliche Gespräch mit dem Arzt ersetzen.
HANNS-J. NEUBERT