MIT Technology Review 2/2016
S. 95
Fundamente
Rückschau

Wachstum ungebrochen

An dieser Stelle blicken wir zurück auf Artikel, die vor fünf Jahren in Technology Review erschienen sind. Diesmal: Cloud Computing

technology review 2/2011 Die Akzeptanz der Cloud ist schneller gestiegen als erwartet.

Begeisterung und Skepsis lagen beim Cloud Computing vor fünf Jahren eng beieinander. „Wer will im Zeitalter von Industriespionage und Wikileaks schon sensible Daten übers Netz schicken, damit sie in einem weit entfernten Rechenzentrum verarbeitet werden?“, fragte TR damals.

Die NSA-Affäre dürfte die Zurückhaltung seitdem eher noch erhöht haben – sollte man meinen. Tatsächlich aber sei die Akzeptanz der Cloud sehr viel schneller gestiegen als erwartet, sagt Mathias Dalheimer vom Fraunhofer-Institut für Techno- und Wirtschaftsmathematik. Der „Cloud-Monitor 2015“ des Branchenverbandes Bitkom und der Unternehmensberatung KPMG bestätigt dies: 44 Prozent der befragten Firmen in Deutschland nutzen Cloud Computing bereits, 24 Prozent planen es. Das Wachstum werde zwar von Sicherheitsbedenken gebremst, sei aber ungebrochen.

Eine zentrale Hürde steht jedoch immer noch: die „Compliance“. Einschlägige Vorschriften verbieten es etwa deutschen Banken, Kundendaten ins Ausland zu transferieren. Im aktuellen Cloud-Monitor gaben 56 Prozent an, Angst vor Compliance-Problemen zu haben; acht Prozent berichteten von konkreten Vorfällen. So ist erklärbar, dass satte 83 Prozent von einem Cloud-Dienstleister erwarten, dass dessen Server in Deutschland stehen.

Für Fraunhofer-Forscher Dalheimer bietet das nur eine trügerische Sicherheit: „Ein US-Geheimdienst kann Datenverkehr schließlich auch in Deutschland abhören.“ Die Branche reagiert dennoch darauf. So gab etwa Microsoft im November eine Kooperation mit der Telekom bekannt, um seinen Cloud-Kunden Datenfarmen in Deutschland anbieten zu können.

„Die millisekundenschnelle Bereitstellung von Rechenkraft ermöglicht auch kleinen Unternehmen, völlig neue, innovative Dienste anzubieten“, schrieb TR 2011. Doch heute bleibt dieses Potenzial überwiegend ungenutzt. Laut Cloud-Monitor nutzen die meisten Unternehmen die Rechenwolke nur für recht profane Dienste: E-Mails und Kalender (46 Prozent), Kundenmanagement (36 Prozent) und Telefonie (35 Prozent). Big Data folgt mit sechs Prozent am Ende der Liste. Dalheimer: „Es ist schon frustrierend, wenn man sieht, was technologisch möglich wäre, und was dann umgesetzt wird.“ GREGOR HONSEL