Was macht eigentlich ein Luft- und Raumfahrt-Ingenieur?
Wer die Feinheiten eines Flugzeugtriebwerks durchdringt, ist auch in anderen Branchen gefragt.
In den Brennkammern von Flugzeugtriebwerken reichen die Temperaturen bis an den Schmelzbereich der verwendeten Metalle heran. Trotzdem müssen sie Zehntausende von Stunden halten. „Ein fehlerhaftes Triebwerk kann den Ruin eines Herstellers bedeuten“, sagt Timo Metzler, 47. Er ist seit 2002 Luft- und Raumfahrt-Ingenieur bei MTU Aero Engines in München.
Seine erste Aufgabe bei MTU war es, Leistung, Lebensdauer und weitere Eckdaten für den Verdichter eines neuen Triebwerks zu berechnen. Verdichter bestehen aus mehreren Laufrädern mit Schaufeln, die einströmende Luft auf das 45-Fache des Eingangsdrucks komprimieren. Als der Verdichter dann gebaut wurde, wechselte Metzler 2008 mit seinem Produkt in die Prüfabteilung.
Konzeption, Aufbau und Durchführung der Tests dauern etwa zwei Jahre. Die reine Prüfzeit beträgt vier bis sechs Wochen. Nachts treiben Elektromotoren mit 16 Megawatt den Verdichter an, weil der Strom dann günstiger ist. Sensoren messen währenddessen an rund 1700 Stellen Werte wie Druck und Temperatur. „In den Tests geht es um den Abgleich zwischen theoretischer Berechnung und praktischer Wirklichkeit“, so Metzler. Die Daten werden außerdem zur Freigabe des Triebwerks durch das Luftfahrtbundesamt benötigt.
Zwei Versuchsingenieure arbeiten in der Tagschicht, drei in der Nachtschicht. „Wir bereiten die Daten so auf, dass die Kollegen aus der Aerodynamik oder Performance sie interpretieren können“, sagt Metzler. Dafür braucht er Kenntnisse in Physik, Messtechnik und Kommunikation.
Studiert hat er Luft- und Raumfahrttechnik an der Uni Stuttgart. Sie ist die einzige zivile Uni Deutschlands, die einen Bachelor-Studiengang in diesem Fach anbietet. „Meist haben Luft- und Raumfahrtingenieure zuerst Maschinenbau auf Bachelor studiert, dann einen Master in Luft- und Raumfahrt angeschlossen“, so Studiendekan Professor Ewald Krämer.
Etwa 180 Absolventen schließen ihr Studium jährlich in Stuttgart ab. „Deren Arbeitsmarktchancen sind hervorragend“, sagt Krämer. „Etwa die Hälfte geht in die Luft- und Raumfahrt, die andere in Branchen wie Maschinenbau, Energietechnik oder Fahrzeugbau.“ Dort gibt es nicht nur vergleichbare Qualitätsstandards, sondern auch ähnliche Aufgaben: Strömungs- oder Struktursimulation, Konstruktion, Versuchstechnik, Leichtbau oder Assistenzsysteme.
PETER ILG