MIT Technology Review 6/2016
S. 63
TR Mondo

USA

Unbemanntes U-Boot operiert sechs Monate autonom

Noch im Erprobungsstadium und ohne konkreten Einsatzplan: das autonome U-Boot von Boeing. Foto: Boeing

Boeing ist als Flugzeugbauer ein Begriff. Nur wenige wissen, dass der amerikanische Konzern seit mehr als fünfzig Jahren auch U-Boote konstruiert. Das jüngste Projekt ist das autonome Roboterboot „Echo Voyager“, das künftig Langzeitmissionen im Ozean absolvieren soll.

Der Prototyp, der jetzt im kalifornischen Huntington Beach vorgestellt wurde, ist 16 Meter lang und wiegt 50 Tonnen. Er kann mit Sensoren, Fracht oder Werkzeugen ausgestattet werden, eine ausfahrbare Antenne ermöglicht per Satellit den Datenaustausch mit der Basis.

„Echo Voyager“ kann sechs Monate selbstständig auf See agieren, bis zu 3300 Meter tief tauchen und 12000 Kilometer zurücklegen. Möglich macht dies ein Hybridsystem aus elektrischem Antrieb und Dieselgenerator. Sind die Akkus erschöpft, taucht das U-Boot auf. Denn zum Aufladen der Batterien dient ein Verbrennungsmotor, der allerdings Luft benötigt.

Damit ist die neue Version deutlich autarker als die Vorläufermodelle wie etwa Boeings Sechs-Meter-Roboterboot „Echo Ranger“ oder die zehn Meter lange „Echo Seeker“. Beide besitzen keine Möglichkeit, die Akkus wieder aufzuladen, und können daher nur für jeweils zwei bis drei Tage unter Wasser operieren und lediglich eine Strecke von wenigen Hundert Kilometern zurücklegen. Für den Betrieb wird außerdem ein bemanntes Begleitschiff benötigt. Demgegenüber startet „Echo Voyager“ von einer Küstenbasis und deckt mit seiner Reichweite beispielsweise den ganzen Nordatlantik als Einsatzgebiet ab.

Welche Verwendung „Echo Voyager“ später genau haben soll, ist allerdings noch unklar. Das U-Boot entstammt den Werkstätten von Phantom Works, einer Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Boeing, deren Kunden vor allem aus der Rüstungsindustrie, Raumfahrt und Sicherheit kommen. Entsprechend geheim sind viele Projekte. Bekannt ist immerhin, dass ein häufiger Auftraggeber das Pentagon ist, für das U-Boot ist daher ein militärischer Einsatz durchaus wahrscheinlich. Das Präsentationsvideo des Unternehmens nennt als Beispiele die Minenräumung und Kampfeinsätze mit Torpedos und Lenkflugkörpern.

Lance Towers, Direktor der Abteilung Land und See bei Phantom Works, hofft allerdings auch auf zivile Anwendungen. „Echo Voyager“ sei ein Basismodell für vielfältige Aufgaben unter Wasser, betont er: Sondierung des Meeresbodens, Frachttransport, Suche nach Rohstoffen und Wracks, Überwachung und Reparatur von Seekabeln. Einen Auslieferungstermin und Preis für die „Echo Voyager“ nennt Boeing derzeit nicht. Der Prototyp wird momentan im elf Meter tiefen Pool in Huntington Beach getestet. Im Sommer soll er vor der Küste Kaliforniens auf Ozeantauchfahrt gehen.

ANTON WESTE

USA

Makerspace im Krankenhaus

Chefpfleger Jason Sheaffer hat im Makerspace ein mobiles Bad zum Spülen von Brandwunden gefertigt. Fotos: UTMB

Der Markt für Medizinprodukte ist riesig. In den USA setzt die Branche jährlich mehr als 100 Milliarden Dollar um. Trotzdem bleiben spürbare Lücken, weil Hersteller oft die konkreten Bedürfnisse von Patienten oder Pflegepersonal nicht im Blick haben. Im texanischen Galveston wurde deshalb erstmals in einem Universitätskrankenhaus eine Erfinderwerkstatt eingerichtet. Der Makerspace des John Sealy Hospital legt Design und Herstellung von medizinischen Artikeln in die Hände von Krankenschwestern und Pflegern. Sie wissen – so die Idee – am besten, was den Kranken hilft.

Direkt neben den Stationen gelegen, bietet die Werkstatt alles, um Ideen für neue Geräte und Arbeitsmittel zu realisieren. In Regalen stapeln sich Wachs, Klettverschlüsse, Stoffe und PVC-Elemente. Am Computer entworfene Modelle werden von 3D-Druckern gefertigt. Laserschneider, Schleifgeräte und Bohrmaschinen bringen die Kreationen in Form. Mikrocomputer und Sensoren erlauben die Herstellung von elektronisch vernetzten Medizinprodukten. Ein Techniker unterstützt das Pflegepersonal bei den Projekten. Am Ende kann es die Kreationen vor einer Kamera vorstellen.

„Dinge zu modifizieren, liegt Krankenschwestern im Blut“, sagt Anna Young vom International Design Center des Massachusetts Institute of Technology (MIT), die die Einrichtung angeregt hat. Die Ökonomin und Gesundheitsforscherin war inspiriert von Ad-hoc-Lösungen, die sie während einer Entwicklungskooperation in Nicaragua beobachtet hatte. Dort bastelten Krankenschwestern mit simpelsten Mitteln fehlende medizinische Gerätschaften. „Aber sie halten ihre innovativen Arbeiten für selbstverständlich, nichts, worüber man reden müsste“, sagt Young. 2013 gründete sie die Initiative MakerNurse, die mit modernen Makerspaces in Krankenhäusern die Do-it-yourself-Möglichkeiten für das Personal verbessern will. MakerNurse betreibt mehrere mobile Werkstätten, die verschiedene Krankenhäuser versorgen. Weitere fest eingerichtete Makerspaces wie in Galveston sollen folgen.

Die Ergebnisse aus der Werkstatt in Galveston können sich sehen lassen. So erleichtert ein praktischer Pflegergürtel mit viel Stauraum für Verbände und Werkzeug den Dienst auf den Stationen. Eine smarte Pillenschachtel vermeldet per Sensor, wenn die Einnahme einer Dosis vergessen wurde. Ein aus einem Trinkbecher geschnittener Wundschutz hindert Kinder daran, ihre Verbände abzustreifen.

Jason Sheaffer, Chefpfleger der Station für Brandwunden, ist stolz auf sein mobiles Verbrennungsbad aus PVC-Rohren. Bislang mussten chemische Verbrennungen stundenlang manuell gewaschen werden. Sheaffers Erfindung spült die verbrannte Haut mit drei justierbaren Duschköpfen und ermöglicht den Pflegern, in der Zeit andere Aufgaben wahrzunehmen. „Scheint eine einfache Sache zu sein, aber allein wäre ich nie dazu gekommen, sie umzusetzen“, sagt Sheaffer.

ANTON WESTE