MIT Technology Review 6/2016
S. 25
Am Markt

Ausprobiert

Halb so schwer

 

Verleiht ein Exoskelett wirklich Superkräfte? Unsere Autorin hat es ausprobiert.

Ich sei die erste Europäerin, die das Exoskelett „Ninja“ ausprobiere, flüstert mir die Pressedame von Panasonic auf einer Messe in Nürnberg zu, bevor es losgeht. Das sperrig aussehende Außenskelett ist noch ein Prototyp, den der britische Hersteller Activelink gemeinsam mit Panasonic für den japanischen Markt entwickelt hat. Was das bedeutet, wird mir erst später klar.

Zunächst helfen mir zwei Panasonic-Mitarbeiter, das Oberteil anzulegen. Man schultert es wie einen Rucksack und fixiert es mit einem schmalen Bauchgurt. Als Nächstes versuche ich, in die Turnschuhe zu schlüpfen, die an den Beinschienen befestigt sind. Doch will ich mich nach unten beugen, hält mich das Oberteil zurück. Also Oberteil noch einmal ausgezogen und hinein in die Schuhe, in denen auch die Bewegungssensoren für die Ansteuerung der Elektromotoren stecken. Jetzt noch die Beinschienen anlegen. Was dort Halt verschaffen soll, stellt sich als starre und zu enge Kunststoffschale heraus, in die sich die Oberschenkel nicht hineinpressen lassen wollen. Das Gerät ist offenbar nicht für europäische Körpermaße ausgelegt.

Die Arme werden ebenfalls in Plastikschalen mit Klettbändern festgezurrt. Hier nun das Gegenteil: Die Schalen sitzen zu locker. Mit einem langärmeligen Blaumann hätte ich Abhilfe schaffen können. Sei’s drum, für ein bisschen Superkraft wird es reichen.

Ich erhebe mich vom Stuhl – und spüre die 18 Kilogramm Anzuggewicht: Es zieht leicht im Nacken. Dabei betont der Hersteller, Ninja sei im Vergleich zu Modellen anderer Hersteller besonders leicht. Grund dafür seien effiziente Motoren und eine verlustarme Leistungselektronik, die ohne Kühlkörper auskommt. Immerhin geht es hier um eine Leistung von 800 Watt, die sich auf vier Motoren an Schultern und Hüfte verteilen – mehr als das Dreifache eines Pedelecs.

Die satte Leistung soll Arbeitern in der Logistik, der Produktion oder der Forstwirtschaft helfen, schwere Lasten zu heben. Ich versuche mich erst einmal an einem Kasten Bier. Doch das Oberteil sitzt zu tief, die Batterie am Rücken blockiert die Bewegung. Die Techniker passen es noch einmal genauer an. Nun kann ich den Kasten anheben – allerdings allein mit eigener Muskelkraft. Da die Beinschiene nicht richtig sitzt, haben die Sensoren nicht angeschlagen.

Meine Gehversuche im Komplettanzug fallen daher leider aus. In den Armen spüre ich die Motorunterstützung dagegen gut. Beschleunigungssensoren unterhalb der Ellbogengelenke steuern meinen Unterarm sanft nach oben – damit würde sich zumindest schon mal eine Maß Bier leichter stemmen lassen. Ausgelegt ist das Exoskelett für eine Unterstützung von bis zu 15 Kilogramm. Das bedeutet: Hebt man eine Last von 30 Kilogramm an, fühlt sie sich nur halb so schwer an. Und nicht nur beim Anheben, auch beim Tragen soll das Außenskelett unterstützen – wenn es denn passen würde.

Es sei eben noch ein Prototyp, sagt man bei Panasonic entschuldigend. Es soll in den nächsten ein bis zwei Jahren in Japan auf den Markt kommen. Bis dahin muss Rückengymnastik ausreichen.