MIT Technology Review 8/2016
S. 46
Horizonte
Interview

Die Kunst der Prognose

Warum liegen Experten mit ihren Einschätzungen oft meilenweit daneben? Und was kann man tun, um Vorhersagen zu verbessern? Philip E. Tetlock hat diese Frage systematisch untersucht.

Tetlock ist Professor für Psychologie und Politik an der University of Pennsylvania. Berühmt wurde seine Aussage, dass politische Experten im Schnitt so treffsicher seien wie Schimpansen, die mit Pfeilen auf Dartscheiben werfen. Um herauszufinden, wie sich Prognosen verbessern lassen, hat er sich mit seiner Frau Barbara Mellers an einem Wettbewerb der „Intelligence Advanced Research Projects Agency“ (IARPA) beteiligt. Die US-Forschungsagentur will Geheimdienste effizienter machen. Bei ihrem Wettbewerb stellte sie überprüfbare Fragen mittlerer Schwierigkeit mit einem Horizont von drei bis zwölf Monaten, zum Beispiel: Wird ein Ausbruch der Vogelgrippe in China in den kommenden sechs Monaten mehr als zehn Menschenleben fordern? Als Kontrollinstanzen, an denen sich die teilnehmenden Teams messen mussten, dienten Schwarmintelligenz und Prognosemärkte, die ähnlich wie der Aktienhandel funktionieren. Für die Teilnahme am IARPA-Turnier gründeten Tetlock und Mellers das Good Judgment Project und rekrutierten 3200 Freiwillige, die online ihre Prognosen abgeben konnten. Daraus ist nach Ende des Turniers der offene Prognosewettbewerb Good Judgment Open entstanden (www.gjopen.com).