MIT Technology Review 8/2016
S. 60
TR Mondo

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Technology Review ist mit Autoren weltweit vertreten. Auf den folgenden Seiten berichten sie über die spannendsten Entwicklungen in ihren Ländern.

USA

iPhone aus US-Produktion

Donald Trump will Apple dazu bringen, in den USA zu produzieren statt in China – falls er Präsident wird. Wäre das wirklich machbar? Und wenn ja, um wie viel wären die Produkte dann teurer? Wir haben Szenarien unterschiedlicher Radikalität durchgerechnet

Szenario 1:

Endmontage in den USA

Das Marktforschungsunternehmen IHS beziffert den reinen Materialwert für das Spitzenmodell iPhone 6s auf 230 Dollar. Das Smartphone wird in den USA für 749 Dollar verkauft. Das iPhone SE, Apples neuestes Modell, enthält Teile im Wert von 156 Dollar und wird für 399 Dollar verkauft.

Zurzeit lässt Apple iPhones in sieben Fabriken montieren – sechs in China und eine in Brasilien. Die Einzelteile zusammenzusetzen kostet nicht mehr als vier Dollar, schätzt IHS. Jason Dedrick von der Syracuse University, der zur globalen Wertschöpfung in der Computerindustrie forscht, beziffert diese Montagekosten auf zehn Dollar.

Die Montage in die USA zu verlagern, würde noch einmal 30 bis 40 Dollar an zusätzlichen Kosten verursachen, meint er. Die gestiegenen Kosten entstehen allerdings nur zum kleineren Teil durch die höheren Löhne. Der größere Teil würde durch einen höheren Aufwand bei Transport und Logistik verursacht.

Wie viele Arbeitsplätze würden dabei in den USA geschaffen? Laut Apple sind zwar weltweit rund 1,6 Millionen Menschen für den Konzern und seine zahlreichen Zulieferer tätig. Aber die genaue Anzahl lässt sich schwer beziffern, da die großen Zulieferer oft für mehrere Kunden arbeiten.

Szenario 2:

Apple lässt auch die Komponenten in den USA fertigen

766 verschiedene Unternehmen liefern Teile für die iPhones an Apple, 346 davon sind aus China, 126 aus Japan, 41 aus Taiwan und immerhin 69 aus den USA. Aber auch amerikanische Zulieferer lassen nicht immer in den USA fertigen. Das Touchdisplay des iPhones beispielsweise ist durch Gorilla-Glas des US-Herstellers Corning geschützt. Corning bezieht das Glas sowohl aus Kentucky als auch aus Südkorea, Japan und Taiwan. Der Prozessor, ein von Apple entwickelter A9-Chip, wird wiederum in Lizenz von Samsung in Südkorea und TSMC in Taiwan hergestellt.

Wo weitere Einzelteile wie das Mobilfunkmodul, Speicher und Funkchips gefertigt werden, ist schwer zu sagen. Denn deren Hersteller wie Qualcomm oder Sandisk arbeiten „fabless“, also ohne eigene Fabriken. Stattdessen vergeben sie Lizenzen an weltweit agierende Auftragsfertiger, die in China, aber auch in Deutschland, Singapur oder den USA produzieren.

Laut Duane Bolding vom MIT, der sich auf Halbleiterfertigung spezialisiert hat, spielen die unterschiedlichen Lohnniveaus dabei keine große Rolle. Die Arbeitskosten machen nur einen sehr geringen Anteil der massiven Investition von mehreren Milliarden Dollar aus, die für die Errichtung einer einzigen Chipfabrik nötig sind.

Da jede neue Generation von Chips wieder neue Maschinen erfordert, sind Chipfabriken schnell veraltet. Neue Fabriken könnten theoretisch überall gebaut werden – auch in den USA. Was würde es also kosten, die gesamte Produktionskette zu verlagern? Dedrick und seine Kollegen schätzen die Zusatzkosten auf weitere 30 oder 40 Dollar. Allerdings wären die neuen US-Fabriken zunächst nicht in der Lage, so effizient zu arbeiten wie nötig und die geforderten Stückzahlen zu liefern. Anfänglich wäre also eher mit 100 Dollar zusätzlichen Kosten zu rechnen.

Szenario 3:

Autarke Produktion

Illustration: Owen Smith

Was wäre, wenn Apple sich vollkommen von ausländischen Zulieferern unabhängig machen wollte? Keine einfache Aufgabe, denn laut Alex King, Leiter des Instituts für Kritische Rohstoffe am Ames Laboratory, das für das US-Energieministerium Materialforschung betreibt, werden im iPhone 75 chemische Elemente verwendet. Vor allem die sogenannten seltenen Erden sind problematisch, wie etwa Neodym für Magnete, Hafnium für die Transistoren oder Lanthan für die Kamera-Optik. Molycorp, das letzte Unternehmen, das seltene Erden in den USA abgebaut hat, ist 2015 pleitegegangen. „Kein technisches Produkt kann – vom Rohstoffabbau bis zur Endmontage – ausschließlich in einem Land produziert werden“, sagt der Rohstoff-experte David Abraham. Das iPhone verkörpert gleichzeitig genauso den amerikanischen Erfindungsreichtum wie die Realitäten der globalen Wirtschaft.

Konstantin Kakaes

ECUADOR

Die Galapagosinseln befreien sich vom Öl

Manchmal braucht es ein einschneidendes Erlebnis, damit lang gehegte Pläne ins Rollen kommen. So wie im Januar 2001. Damals lief der Tanker „Jessica“ vor der Küste San Cristóbals auf Grund – der östlichsten Insel des zu Ecuador gehörenden Galapagos-Archipels. Aus dem mit 900000 Litern Öl beladenen Schiff entwichen damals 600 Tonnen ins Meer. Nur dank günstiger Wetterverhältnisse – kräftiger Wind trieb den Teppich von der Küste weg – entging die Inselgruppe mit ihrer einzigartigen Tier- und Pflanzenwelt einer Katastrophe. Immerhin lenkte das Unglück die Aufmerksamkeit auf das entlegene Archipel tausend Kilometer vor der Küste Ecuadors. Man erinnerte sich an die Pläne der UN aus den 90er-Jahren, mit denen die Abhängigkeit der Galapagosinseln von den Öltransporten verringert werden sollten.

Noch im Jahr 2001 begann die Planung für das San Cristóbal Wind Project. Seit 2007 versorgt es nun als eines der größten Wind-Diesel-Hybrid-Kraftwerke der Welt die 5500 Einwohner von San Cristóbal mit Energie. Drei Windräder und zwei Photovoltaikanlagen liefern 30 Prozent des Stroms, der Rest kommt aus Dieselaggregaten. In acht Jahren Betrieb konnte die Anlage bereits 8,7 Millionen Liter Diesel einsparen. Statt vier müssen nur noch drei Tanker im Jahr den Hafen anlaufen.

Bisher arbeitet das Projekt nicht nur wirtschaftlich, sondern erzielt sogar einen kleinen Gewinn. Außerdem wurden insgesamt 21000 Tonnen CO2-Emissionen vermieden.

Das soll laut dem lokalen Stromversorger Elec Galápagos, der die Anlage jetzt übernommen hat, noch besser werden. Er will den umweltfreundlichen Anteil auf bis zu 70 Prozent steigern. Zu diesem Zweck sind eine vollautomatische Steuerung, zusätzliche Photovoltaikzellen und eine vierte Windturbine geplant. Außerdem sollen Batterien nachgerüstet werden, die Strom aus Starkwindphasen für die Zeiten der Flaute speichern.

Wenn die Finanzierung klappt, muss schon in wenigen Jahren nur noch ein Tanker im Jahr die Insel ansteuern. Zehn Millionen Dollar hat der Windpark ursprünglich gekostet, finanziert von einer Public-private-Partnership aus Vereinten Nationen, Ecuador und der Global Sustainable Electricity Partnership. Zu den Mitgliedern der gemeinnützigen Gesellschaft, die global den Einsatz regenerativer Energie fördert, zählen die größten Energieversorger der Welt. Drei davon, die US-amerikanische American Electric Power, die italienische Enel und die deutsche RWE, waren direkt am San Cristóbal Wind Project beteiligt.

Leguane und andere Tiereder Galapagosinseln sollen durch Windräder und Stromleitungen möglichst wenig gestört werden. Foto: Fotolia

Luis Vintimilla hat als Generalmanager der anfänglichen Betreibergesellschaft Eólica San Cristóbal S.A. das Projekt von Beginn an begleitet. Er kennt die besonderen Herausforderungen für ein Windkraftwerk in einem Naturpark: Der höchste Berg der Insel, San Joaquín, war als Standort fest vorgesehen. „Dort lebt aber der seltene Galapagos-Sturmvogel, der sein Nest mit Vorliebe in die dort wachsenden Sträucher baut, die ebenfalls gefährdeten Galapagos Miconia“, sagt Vintimilla.

Ein anderer Platz musste also her. Zwei Jahre lang analysierte man die Flugrouten der Vögel und stellte fest, dass sie selten höher als 20 Meter unterwegs sind. Mit 51 Metern Nabenhöhe und 30 Metern Flügellänge stellen die Windturbinen am neuen Standort El Tropezón keine Gefahr mehr dar. Stromleitungen, die den Weg der Vögel von den Nistplätzen zu den Jagdgebieten kreuzen, kamen unter die Erde.

Der Aufwand lohnte sich: In den acht Jahren seit Inbetriebnahme wurde kein verletzter Sturmvogel bekannt. Und weil die Betreiber auch Schädlinge bekämpfen – Ratten und verwilderte Katzen fressen häufig Eier und Küken –, nimmt der Bestand sogar zu.

HANS DORSCH