MIT Technology Review 8/2016
S. 10
Aktuell

Waffen aus dem Hobbykeller

In den USA boomt das Geschäft mit privaten Waffenbastlern, die halbautomatische Gewehre ohne Seriennummer herstellen.

Der Waffenfreak Travis Lerol hat einen Kunststoff-Laderahmen für seine AR-15 ausgedruckt. Die Organisation Defense Distributed geht noch weiter. Foto: Jahi Chikwendiu/Washington Post/Getty Images

Am 12. Juni erschoss ein homophober Täter 49 Nachtclubbesucher in Orlando. Nach solchen Massakern kommen in den USA regelmäßig Debatten über eine Verschärfung des Waffenrechts auf. Und ebenso regelmäßig steigt die Nachfrage nach Waffen, weil sich Waffennarren vorsorglich mit weiteren Schießgeräten eindecken.

Doch diesmal kommt ein noch erschreckenderer Trend dazu: Auch der Verkauf von Ausrüstung für Hobby-Waffenschmieden schießt nach oben. Selbstgebaute Waffen werden nicht registriert. Damit entfällt die Überprüfung des Käufers.

Der prominenteste Vertreter der Szene ist Cody Wilson, Gründer der Organisation „Defense Distributed“ in Austin, Texas. Sie hat sich die Förderung von Open-Source-Waffen auf die Fahne geschrieben, sogenannten Wiki Weapons, um das Recht auf Waffenbesitz gegen die Regierung durchzusetzen. Wilson sorgte 2013 mit einer Kunststoff-Pistole aus dem 3D-Drucker für Aufsehen (siehe TR 12/2013, S. 12). Die Druck-Dateien musste er zwar wenige Tage später auf Anordnung des US-Außenministeriums aus dem Netz nehmen, sie wurden bis dahin aber schon hunderttausendmal heruntergeladen.

Sein nächster Vorstoß war der 3D-Druck eines „Lower Receivers“ – das Unterteil eines halbautomatischen Gewehrs, das den Magazin-Einschub und den Abzug enthält – und die Seriennummer, mit der eine Waffe nach US-Recht registriert werden muss. Baut man den Receiver selber, kann man ihn mit frei erhältlichen Ersatzteilen wie Lauf und Magazin zu einer kompletten Waffe zusammenbauen, ohne dass Behörden davon erfahren. Wilsons Gewehr hielt über 600 Schüssen stand.

Nun sorgt Defense Distributed wieder für Furore – mit der 1500 Dollar teuren CNC-Fräse „Ghost Gunner“. Sie wiegt 23 Kilogramm und ist so groß wie eine Mikrowelle. Ihre einzige Aufgabe ist es, in der heimischen Werkstatt Waffen ohne Seriennummern herzustellen, etwa den Lower Receiver des populären halbautomatischen Gewehrs AR-15. Die dazu nötigen Aluminium-Rohlinge liefert Defense Distributed auf Wunsch gleich mit – für 65 Dollar das Stück. Sie sind zu 80 Prozent fertiggestellt. Ihnen fehlen lediglich noch einige Bohrungen und ein präzise ausgeformter Abzugsschacht. Dies ist wichtig, weil das Bauteil in einem bis zu 80 Prozent fertigem Zustand noch legal – und unregistriert – vertrieben werden darf. Die restlichen 20 Prozent können die Nutzer dank der Fräse und einfach zu bedienender Software auch ohne große Vorkenntnisse selbst übernehmen. Defense Distributed wirbt mit der „Balance zwischen Bezahlbarkeit, Stabilität und Benutzerfreundlichkeit.“

Nach dem Massenmord von Orlando stieg der Umsatz mit Ghost Gunner von 30.000 auf 50.000 Dollar pro Woche. Insgesamt hat Defense Distributed seit Herbst 2014 rund 3000 dieser Fräsen verkauft. Derzeit haben sich 600 Bestellungen angehäuft.

Die Organisation erklärt auf ihrer Website vage, dass sie die Maschine möglicherweise exportiert – allerdings ohne die dazugehörige Dateien, falls das US-Außenministerium dies untersagt. Nähere Informationen insbesondere dazu, ob sie auch nach Deutschland exportiert, wollte die Organisation nicht geben.

Die Fräse macht aus einem Aluminium-Rohling die Basis für eine Schusswaffe. Foto: Ghost Gunner

Ob die Einfuhr legal wäre, dazu wollte sich der deutsche Zoll auf Anfrage nicht äußern, schloss es aber auch nicht von vorneherein aus. Eine genauere Prüfung des Ghost Gunners sei nötig. Laut BKA wären aber der Besitz solcher Maschinen und das Herunterladen entsprechender Dateien legal. Eine staatliche Erlaubnis erfordere jedoch die Herstellung von Waffen. In der Regel sind die Ordnungsämter für die Erteilung und Überwachung zuständig.

Kalifornien reagierte bereits im Januar mit einer Gesetzesvorlage, wonach alle Teile, die klar als Komponenten einer Waffe identifizierbar sind, unter die Definition einer Schusswaffe fallen. Wird dies geltendes Recht, würde es zumindest in Kalifornien das Aus für die halbfertigen Lower Receiver bedeuten.

Wilson scheint das nicht zu beeindrucken: „Wenn das System zusammenbricht, stimmt man von den Hausdächern ab. Wir haben den zweiten Zusatzartikel zur Verfassung dafür, wenn es Zeit ist, unsere Regierung zu töten. Das ist eine der letzten besten Traditionen westlicher Aufklärung“, zitiert ihn das Magazin Wired. ULRICH HOTTELET

MEDIZIN

Zehntausende MRT-Studien fehlerhaft?

Mithilfe von fMRI-Bildern lässt sich Gehirn-Aktivität live beobachten. Foto: Wikipedia

Die Ergebnisse von rund 40 000 Studien der funktionellen Magnetresonanztomografie (fMRI) stehen in Zweifel – wenn es nach der neuen Studie des schwedischen Forschers Anders Eklund von der Linköping University geht. Gemeinsam mit zwei Kollegen hat er die drei gängigsten Software-Pakete (SPM, FSL, AFNI) untersucht, die für die Auswertung von fMRI-Aufnahmen genutzt werden. Fehlerraten von bis zu 70 Prozent, so lautet das Ergebnis der Wissenschaftler, die ihr Paper in „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (doi: 10.1073/pnas.1602413113) veröffentlicht haben. Zahlreiche Studien, von denen viele vor 10 bis 15 Jahren gemacht wurden, könnten damit nicht verlässlich sein. In der Mehrheit der Fälle wurde eine Hirnaktivität angezeigt, wo keine war. Den Grund für fehlerhafte Auswertungen sieht Eklund in den Algorithmen, die einzeln gemessene 3D-Bildpunkte zu Clustern zusammenfassen. Zu Fehlern kommt es, wenn diese Cluster nicht der gaußschen Verteilung folgen. Das Forscher-Team schlägt ein neues Auswertungsverfahren vor, das zwar mehr Rechenleistung erfordert, aber dafür korrekte Darstellungsergebnisse liefert. JEnnifer LEPIES