MIT Technology Review 1/2017
S. 60
TR Mondo

USA

Bio-Kerosin aus dem Wald

Mit Biosprit aus Holzabfällen hob dieses Flugzeug von Alaska Airlines im vergangenen November ab. Foto: Alaska Airlines

71 Euro kostet es laut Atmosfair.de, den Klimaschaden zu kompensieren, den ein Hin- und Rückflug zwischen Frankfurt und New York anrichtet. Das Geld für Klimaschutzprojekte zu spenden, löst aber nicht das Problem: Das Fliegen selbst muss klimafreundlicher werden. Deshalb sucht der amerikanische Biokraftstoff-Produzent Gevo nach Wegen, um Kerosin aus Biomasse herzustellen. Firmenchef Pat Gruber ist überzeugt, dass die Luftfahrt letztlich sogar die CO2-Bilanz senken kann. „Wir wollen nicht nur klimaneutral sein.“ Während die Pflanzen wachsen, die Gevo später verarbeitet, sollen sie mehr Kohlendioxid aufnehmen und Kohlenstoff im Boden anreichern, als später im Zuge der Herstellung und Verbrennung des Bio-Kerosins freigesetzt wird.

Einen wichtigen Meilenstein erreichte Gevo vorigen November. Der erste kommerzielle Linienflug mit Bio-Kerosin aus Holzabfällen im Tank hob ab. Bisher wird Biosprit für Flugzeuge meist aus Pflanzen gewonnen, die auch als Nahrung dienen können. Flug 4 von Alaska Airlines flog einmal quer über die USA von Seattle nach Washington. Es war der Abschluss eines Fünfjahresprojekts mit mehr als 30 Forschungs- und Entwicklungspartnern. Finanziert hatte die Northwest Advanced Renewables Alliance (NARA) das US-Landwirtschaftsministerium.

Die Holzabfälle stammten aus dem Pazifischen Nordwesten, wo mit die ausgedehntesten Wälder des Landes liegen. „Dort befindet sich der Großteil der Non-Food-Biomasse“, sagt Ralph Cavalieri, NARA-Leiter und Bio-Ingenieur an der Washington State University. Würde man die dünnen Äste und Zweige, die bei der Holzernte übrig bleiben, zu Bio-Kerosin verarbeiten, ließe sich mehr als die Hälfte des Kerosinbedarfs der Region decken.

Noch darf das von Gevo hergestellte Bio-Kerosin allerdings nur zu höchstens 30 Prozent beigemischt werden. Der Premierenflug von Alaska Airlines hatte sogar nur 20 Prozent Biosprit im Tank. Pat Gruber sagt zwar stolz, dass sein Produkt „Alcohol to Jet“ (ATJ) reiner sei als klassisches Kerosin, weniger Schwefel enthalte, einen niedrigeren Gefrierpunkt habe und eine höhere Energiedichte. Aber es fehlen aromatische Kohlenwasserstoffe, was Dichtungen im Treibstoffsystem schrumpfen lässt. Um Schäden zu vermeiden, müssen die Entwickler nun in Tests klären, wie hoch der Bio-Kerosin-Anteil für einen sicheren Flugbetrieb sein kann.

Das größere Problem ist jedoch, dass die Produktionskapazitäten für so viel ATJ noch gar nicht vorhanden sind. Das Forscherteam um Cavalieri setzt sich jetzt dafür ein, dass eine Anlage in den Wäldern des Pazifischen Nordwestens gebaut wird. Sie haben zwar kalkuliert, dass Kerosin aus einer modernen holzverarbeitenden Bio-Raffinerie rund dreimal so viel wie herkömmliches Kerosin kostet. Aber weil eine solche Raffinerie auch hochwertige Beiprodukte wie Epoxidharz und Aktivkohle herstellen könne, ließe sich der Preis des Bio-Kerosins langfristig auf ein konkurrenzfähiges Niveau bringen. Die Lufthansa jedenfalls hat schon eine Absichtserklärung unterschrieben, den teuren Biosprit zu kaufen.

Thomas Reintjes

AUSTRALIEN

Weniger Methanausstoß dank Seegras

Erhalten Kühe zusätzlich zum Futter Seegras, etwa Asparagopsis taxiformis (Bild unten), sinkt der Methanausstoß. Foto: Fotolia
Foto: CSIRO

Alles begann mit Joe Dorgan. Der Farmer beobachtete, dass seine Kühe mehr Milch gaben und weniger rülpsten, wenn sie Seegras gefressen hatten. 2007 versuchte der Kanadier, Seegras professionell zu vermarkten. „Doch ohne wissenschaftliche Daten war das schwierig, und hier komme ich ins Spiel“, berichtet der Agrarwissenschaftler Rob Kinley vom staatlichen Forschungsinstitut CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organization) in Australien. Kinley untersuchte das Phänomen und stieß auf die methanreduzierenden Eigenschaften des an der Küste Queenslands in großen Mengen wachsenden Seegrases.

Methan gelangt zwar in geringeren Mengen in die Atmosphäre, ist aber ein 25-fach stärkeres Klimagas als CO2. 44 Prozent des vom Menschen verursachten Methans entstehen in der Landwirtschaft, ein Großteil davon im Pansen von Wiederkäuern. Dort schließen Mikroorganismen die Zellulose der pflanzlichen Nahrung auf. Dabei entstehen Gärprodukte wie Wasserstoff und Kohlendioxid, welche Bakterien in Methan umwandeln. So produziert eine Kuh täglich bis zu 500 Liter Methan, wovon sie 90 Prozent an die Atmosphäre abgibt. Obendrein geht Energie verloren, die zur Produktion von Fleisch oder Milch genutzt werden könnte. In Australien, wo etwa 28 Millionen Rinder leben, traf Kinley mit seinen Forschungsergebnissen auf offene Ohren.

Gemeinsam mit Rocky de Nys, Professor an der James Cook University, suchte er nach potenten Seegräsern. Sie bauten einen künstlichen Pansen, um die Reduktion der Methanbildung wissenschaftlich zu untermauern. Tatsächlich schien eine Sorte, das rote Seegras Asparagopsis taxiformis, die Methanproduktion fast vollständig zum Erliegen zu bringen. „Das hätten wir nicht erwartet“, sagt Kinley. Die Methansynthese sank um 99 Prozent, im Fütterungsversuch mit Schafen wurde immer noch 85 Prozent weniger Methanbildung gemessen. Im nächsten Jahr starten Fütterungsversuche, um die Daten in Rindern zu bestätigen. Kontrolliert werden soll außerdem, ob mit Seegras gefütterte Rinder mehr Gewicht zulegen und Kühe tatsächlich mehr Milch produzieren.

Doch was im Seegras hemmt die Methansynthese? Die im Pansen lebenden Bakterien benötigen dazu das Vitamin B12. Seegras enthält jedoch die Substanz Bromoform, die mit dem Vitamin reagiert, sodass die Methanbildung ausbleibt.

Nun braucht es nur noch genug Seegras, um 28 Millionen australische Rinder zu versorgen. Kinleys Ergebnisse zeigen, dass maximal zwei Prozent getrocknetes Seegras als Zusatz zum normalen Futter ausreichen: „Und je besser die Qualität des Seegrases, desto weniger werden wir als Futterzusatz benötigen.“ Rotes Seegras kommt, bis auf die arktischen Gewässer, weltweit in Uferregionen vor. Darüber hinaus arbeiten Forscher an speziellen Kultivierungstechniken.

Einen anderen Ansatz zur klimafreundlichen Kuh verfolgt man in Europa. Maik Kindermann arbeitet bei der Schweizer Niederlassung von DSM an einem Projekt namens „Clean Cow“. Auf der Suche nach Hemmstoffen für die Methansynthese stieß der Chemiker mithilfe von „Molecular Modeling“ auf das unscheinbare Molekül 3-Nitrooxypropanol (3-NOP): Der Stoff blockiert ein Enzym, das in Bakterien im Pansen an der Methansynthese beteiligt ist. Erste Fütterungsversuche mit amerikanischen Hochleistungsrindern zeigten neben einer bedeutsamen Methanreduktion auch eine Gewichtszunahme der Tiere – ohne bisher erkennbare Nebenwirkungen. Aktuell wird 3-NOP noch auf seine Unbedenklichkeit hin untersucht, dann könnte der Stoff als Futterzusatz zugelassen werden.

SIMONE HÖRRLEIN