USA
Bio-Kerosin aus dem Wald
71 Euro kostet es laut Atmosfair.de, den Klimaschaden zu kompensieren, den ein Hin- und Rückflug zwischen Frankfurt und New York anrichtet. Das Geld für Klimaschutzprojekte zu spenden, löst aber nicht das Problem: Das Fliegen selbst muss klimafreundlicher werden. Deshalb sucht der amerikanische Biokraftstoff-Produzent Gevo nach Wegen, um Kerosin aus Biomasse herzustellen. Firmenchef Pat Gruber ist überzeugt, dass die Luftfahrt letztlich sogar die CO2-Bilanz senken kann. „Wir wollen nicht nur klimaneutral sein.“ Während die Pflanzen wachsen, die Gevo später verarbeitet, sollen sie mehr Kohlendioxid aufnehmen und Kohlenstoff im Boden anreichern, als später im Zuge der Herstellung und Verbrennung des Bio-Kerosins freigesetzt wird.
Einen wichtigen Meilenstein erreichte Gevo vorigen November. Der erste kommerzielle Linienflug mit Bio-Kerosin aus Holzabfällen im Tank hob ab. Bisher wird Biosprit für Flugzeuge meist aus Pflanzen gewonnen, die auch als Nahrung dienen können. Flug 4 von Alaska Airlines flog einmal quer über die USA von Seattle nach Washington. Es war der Abschluss eines Fünfjahresprojekts mit mehr als 30 Forschungs- und Entwicklungspartnern. Finanziert hatte die Northwest Advanced Renewables Alliance (NARA) das US-Landwirtschaftsministerium.
Die Holzabfälle stammten aus dem Pazifischen Nordwesten, wo mit die ausgedehntesten Wälder des Landes liegen. „Dort befindet sich der Großteil der Non-Food-Biomasse“, sagt Ralph Cavalieri, NARA-Leiter und Bio-Ingenieur an der Washington State University. Würde man die dünnen Äste und Zweige, die bei der Holzernte übrig bleiben, zu Bio-Kerosin verarbeiten, ließe sich mehr als die Hälfte des Kerosinbedarfs der Region decken.
Noch darf das von Gevo hergestellte Bio-Kerosin allerdings nur zu höchstens 30 Prozent beigemischt werden. Der Premierenflug von Alaska Airlines hatte sogar nur 20 Prozent Biosprit im Tank. Pat Gruber sagt zwar stolz, dass sein Produkt „Alcohol to Jet“ (ATJ) reiner sei als klassisches Kerosin, weniger Schwefel enthalte, einen niedrigeren Gefrierpunkt habe und eine höhere Energiedichte. Aber es fehlen aromatische Kohlenwasserstoffe, was Dichtungen im Treibstoffsystem schrumpfen lässt. Um Schäden zu vermeiden, müssen die Entwickler nun in Tests klären, wie hoch der Bio-Kerosin-Anteil für einen sicheren Flugbetrieb sein kann.
Das größere Problem ist jedoch, dass die Produktionskapazitäten für so viel ATJ noch gar nicht vorhanden sind. Das Forscherteam um Cavalieri setzt sich jetzt dafür ein, dass eine Anlage in den Wäldern des Pazifischen Nordwestens gebaut wird. Sie haben zwar kalkuliert, dass Kerosin aus einer modernen holzverarbeitenden Bio-Raffinerie rund dreimal so viel wie herkömmliches Kerosin kostet. Aber weil eine solche Raffinerie auch hochwertige Beiprodukte wie Epoxidharz und Aktivkohle herstellen könne, ließe sich der Preis des Bio-Kerosins langfristig auf ein konkurrenzfähiges Niveau bringen. Die Lufthansa jedenfalls hat schon eine Absichtserklärung unterschrieben, den teuren Biosprit zu kaufen.
Thomas Reintjes