MIT Technology Review 1/2017
S. 58
TR Mondo

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Technology Review ist mit Autoren weltweit vertreten. Auf den folgenden Seiten berichten sie über die spannendsten Entwicklungen in ihren Ländern.

SCHWEIZ

Mit Sonnenkraft an den Rand des Weltraums

Dank der stolzen Spannweite von 24,9 Metern und 22 Quadratmetern Solarzellen will SolarStratos abheben. Illustration: SolarStratos

Etwas Sonne hätte gut getan: In dichtem Nebel präsentierte sich der Aéropôle Payerne in der Schweiz, als vor einigen Wochen der „SolarStratos“ vorgestellt wurde. Im eigens errichteten Festzelt schwoll nach gewichtigen Worten plötzlich die Musik an – ein Vorhang hob sich. Von künstlichem Nebel umwabert und von einer Lichtshow wie ein Star in Szene gesetzt, stand da der Solarflieger. Der Flugplatz in der Westschweiz diente bereits als Homebase für das Solarflugzeug „Solar Impulse“, mit dem Bertrand Piccard und André Borschberg jüngst in Etappen um die Welt flogen. Jetzt soll hier die erste mit Solarkraft betriebene Maschine Richtung Stratosphäre starten.

Der künftige Pilot, der Westschweizer „Öko-Abenteurer“ Raphaël Domjan, umrundete mithilfe der Sonne bereits einmal die Erde – allerdings auf dem Schiff. Von 2010 bis 2012 kreuzte er mit dem Solarkatamaran „PlanetSolar“ über die Weltmeere. „Danach wollte ich noch einen Schritt weitergehen und zeigen, dass man mit Solarenergie sogar die Grenzen fossiler Energien sprengen kann“, sagt Domjan. Die Vision entstand, als Erster ein Solarflugzeug in die Stratosphäre zu fliegen. „SolarStratos“, ein zweisitziges Fluggerät, soll Domjan auf mindestens 24 Kilometer Höhe über der Erde und damit in die Nähe des Weltraumrandes bringen. Von dort oben sind die Erdkrümmung und bei helllichtem Tag der funkelnde Weltraumhimmel zu sehen. Der gesamte Trip soll rund fünf Stunden dauern: zwei Stunden für den Steigflug, fünfzehn Minuten Stratosphärenflug und drei Stunden Sinkflug zurück zur Erde.

Im kommenden Monat sollen die ersten Testflüge beginnen. Ab 2018 soll es laut SolarXplorers SA bis in die Stratosphäre gehen. Die Firma verantwortet die Entwicklung des 2014 gestarteten Projekts, für das zu Beginn etwa fünf Millionen Dollar Sponsorengelder eingesammelt wurden. Aller Voraussicht nach wird für die Realisierung noch einmal die gleiche Summe benötigt.

Um die Herausforderungen zu meistern – in der Stratosphäre herrscht in 24 Kilometer Höhe eine Temperatur von mehr als minus 60 Grad Celsius bei massivem Ozongehalt und kosmischer Strahlung –, wiegt der Solarflieger gerade mal 450 Kilogramm. Dabei erinnert er an ein kleines Sportflugzeug. Wesentlich größer als bei gewöhnlichen Modellen ist allerdings die beeindruckende Spannweite von 24,9 Metern. Denn auf den ausladenden Tragflächen sind 22 Quadratmeter Solarzellen untergebracht. Der Korpus besteht zudem aus Hightech-Materialien wie carbonfaserverstärktem Kunststoff. Aus Gewichtsgründen wurde außerdem auf eine Druckkabine verzichtet. Domjan muss daher einen Astronautenanzug tragen, der – einzigartig – ebenfalls solarbetrieben sein soll.

Gewicht einsparen helfen sollen ferner spezielle Li-Ion-Akkus der österreichischen Firma Kreisel Electric. Ihre Zellen werden von einer Flüssigkeit umspült, die innerhalb der Akkus zirkuliert. Dadurch können sie größere Temperaturschwankungen leichter ausgleichen. Darüber hinaus wiegen die Akkus trotz 20 Kilowattstunden Speicherkapazität lediglich 80 Kilo.

Für das Team ist „SolarStratos“ aber mehr als ein Abenteuerprojekt. In Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) sollen Messungen in der Atmosphäre in Hinsicht auf den Klimawandel vorgenommen werden. Aber auch an kommerzielle Anwendungen ist gedacht. So sollen in einigen Jahren Passagierflüge in der zweisitzigen Maschine angeboten werden.

TOM SPERLICH