MIT Technology Review 1/2017
S. 48
Horizonte
Medizin

Schmerz, lass nach!

Die chemischen Verwandten des Opiums können Schmerzen so effektiv bekämpfen wie kaum ein anderes Mittel. Ihr großer Nachteil aber ist die Suchtgefahr. Forscher arbeiten daher an Alternativen.

Jedes Mal, wenn James Zadina eine neue Studie veröffentlicht oder über seine Forschung berichtet wird, fängt das Telefon in seinem Labor in New Orleans an zu klingeln. Zugleich fluten E-Mails seinen Posteingang. Die Nachrichten erreichen ihn von Menschen überall in den Vereinigten Staaten: „Die Anrufer erzählen von schrecklichen Schmerzen“, sagt Zadina, Professor an der Tulane School of Medicine und Direktor des neurowissenschaftlichen Labors beim Southeast Louisiana Veterans Health Care System. „Sie fragen mich: ,Wann kommt Ihre Medizin?‘“, berichtet der Wissenschaftler. Aber er müsse sie vertrösten: „Ich kann Ihnen noch nichts geben. Ich arbeite, so schnell ich kann.“ Mehr könne er den Menschen nicht sagen: „Aber das ist schwierig.“

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Seit 20 Jahren kämpft James Zadina an vorderster Front gegen einen alten Feind des Menschen: körperlichen Schmerz. Mittlerweile aber hat die Arbeit des Wissenschaftlers enorm an Dringlichkeit gewonnen. In den USA werden laut dem National Institute of Drug Addiction bis zu acht Prozent der Patienten süchtig, die wegen chronischer Schmerzen Betäubungsmittel auf Rezept erhalten. Denn viele der verschriebenen Mittel sind Opioide, chemische Verwandte des Heroins. Die durch sie verursachten Todesfälle nehmen längst epidemische Ausmaße an. 2014 starben in den USA mehr als 18000 Einwohner an Überdosen, etwa 50 Menschen am Tag. Das waren mehr als dreimal so viele wie noch 2011. Vertreter der Centers for Disease Control and Prevention haben das Ausmaß des Problems sogar mit der HIV-Epidemie in den 1980er-Jahren verglichen.