Strom vom Nachbarn
Erste Gehversuche für Blockketten im Stromhandel und Netzbetrieb zeigen, was praktisch machbar ist. Nun muss sich herausstellen, ob die Ansätze auch wirtschaftlich sind.
Für die kleinteilige Ökostromszene sind dezentrale Blockchains der natürliche Partner. Sie bieten Besitzern einer Photovoltaikanlage auf dem Hausdach, einer Stromtanke in der Garage oder einer Batterie im Wohnzimmer eine technische Handelsplattform, um aus Kilowattstunden Kapital zu schlagen. Der Privatkunde verbraucht nicht nur Strom, er kann ihn auch an beliebige Abnehmer verkaufen. So regeln nicht mehr allein Netzbetreiber und Energieversorger die Stromverteilung und bestimmen per Gesetz den Tarif, den ein Anlagebetreiber für seinen eingespeisten Sonnenstrom erlöst. Denn die Programmcodes der Blockchain sollen Verbrauchern jetzt die Möglichkeit eröffnen, aktiv auf dem Strommarkt mitzumischen. Die Codes sind Bestandteil von Smart Contracts oder Transaktionsprotokollen. Diese enthalten sämtliche Informationen, um den Transport von georderten Kilowattstunden an den Empfänger in Gang zu setzen. Der Erhalt wird quittiert und der komplette Buchungsprozess der Kilowattstunden aufgezeichnet – in Datenblöcken dezentral verschlüsselt, validiert und gespeichert. Nichts geht in den Datenblockketten verloren, nichts kann hinterher verändert werden, und alles ist für die Teilnehmer im Netzwerk transparent.
Dass diese Idee technisch funktioniert, zeigt ein Modellprojekt zum Nachbarschaftshandel mit Sonnenstrom in Brooklyn. In einem kleinen Netzverbund des Betreibers LO3 Energy versorgen dort Solarstromanlagenbesitzer seit dem Frühjahr 2016 Verbraucher in der Nachbarschaft. In Deutschland können Fahrer von Elektroautos ihre Ladebox zu Hause zum Stromtanken mit anderen teilen. Sie melden sich dazu in der App Share & Charge an. Sie läuft auf einer öffentlichen Ethereum-Blockchain und entstand unter dem Dach der RWE-Tochter Innogy in Kooperation mit den Blockchain-Spezialisten slock.it und xtech. Dabei geben Smart Contracts die Ladeboxen frei. Inzwischen sind rund 1200 private und öffentliche Ladestationen in dem Netzwerk angemeldet. Steigt die Zahl der Elekroautos jedoch, wird mehr Datendurchsatz gefragt sein. Simon Jentzsch, Softwarearchitekt und Mitgründer von Slock.it, will dann mit sogenanntem Sharding Abhilfe schaffen. Dabei erfolgt die Validierung der Blöcke nicht mehr im gesamten Netzwerk, sondern in voneinander getrennten Bruchstücken. Das verbraucht weniger Rechenleistung, somit sind mehr Transaktionen möglich.