MIT Technology Review 10/2017
S. 16
Aktuell

Künstliche Intelligenz

Trickreich geändert

Bildverarbeitung kann die Körperhaltung von Menschen in Videos normalerweise korrekt erkennen – links visualisiert durch die grünen Linien. Houdini überlagert das Bild mit gezielten Störungen, so dass die Bildverarbeitung meint, die Frau lege den Kopf nach links (rechtes Foto). Foto: Mr Tech

Forscher der israelischen Bar-Ilan Universität und von Facebook haben selbstlernender Software beigebracht, neuronale Netze gezielt in die Irre zu führen. Erstmals gelang ihnen das mit Software zur Sprachverarbeitung sowie mit Algorithmen zu Erkennung der Körperhaltung. Bereits 2014 zeigten Forscher, dass man tiefe neuronale Netze angreifen kann, wenn man an der richtigen Stelle einige, wenige Pixel verändert. Das Netz „sieht“ dann völlig andere Gegenstände als jene, die im Bild vorhanden sind. Menschliche Beobachter sehen keinen Unterschied. Der „Houdini“ genannte Algorithmus kann nun auch Audio-Aufzeichnungen durch eine leise Schicht von Rauschen so ändern, dass Menschen keinen Unterschied hören, Google Voice die Sequenz aber komplett falsch transkribiert. Die Software soll nicht für Angriffe genutzt werden, sondern als Stresstest für Algorithmen. W. STIELER

GESUNDHEIT

Diagnose per Kaugummi

In den ersten Jahren nach einer Zahnimplantation bekommen bis zu 15 Prozent der Patienten Entzündungen im Mund. Bis sich Schmerzen bemerkbar machen, können Bakterien schon viel Gewebe zerstört haben. Dabei hätte sich die Entzündung mit Antibiotika bekämpfen lassen.

Ein einfacher Test der Uni Würzburg kann Betroffene nun rechtzeitig warnen (DOI: 10.1038/s41467-017-00340-x). Er basiert aufKaugummis mit einem verdeckten Bitterstoff. Protein-abbauende Enzyme, die bei einer Entzündung entstehen, zerlegen auch die Beimischung des Kaugummis und setzen dabei den Bitterstoff frei. Bemerkt der Patient beim Kauen einen bitteren Geschmack, ist das ein Warnsignal, zum Arzt zu gehen.

Erste Laborstudien mit dem Speichel von insgesamt 25 kranken und gesunden Patienten zeigten, dass der neue Test Entzündungen ähnlich zuverlässig entdeckt wie aufwendige Laboruntersuchungen und deutlich besser als vorhandene Schnelltests.

Weitere Versuche mit Menschen sollen folgen. Außerdem will das Team um Lorenz Meinel und Jennifer Ritzer eine Firma gründen und Kaugummi-Schnelltests für andere medizinische Anwendungen entwickeln. Bis zur Marktreife werden, schätzen sie, noch zwei bis drei Jahre vergehen. GREGOR HONSEL

VERPACKUNG

Milchkapseln schmelzen im Kaffee

Die harte Hülle der Milchkapseln löst sich im Kaffee auf. Foto: Martha Wellner

Ob Milch aus dem Tetra Pak oder Kaffeesahne aus den kleinen Plastikbehältern: Kaffeeliebhaber, die Milch in ihr Heißgetränk nehmen, hinterlassen damit immer Müll. Lebensmittelchemiker der Universität Halle-Wittenberg haben nun rückstandslose Abhilfe geschaffen. Aus einer Lösung aus Milch und Zucker haben sie selbstauflösende Milchkapseln entwickelt.

Dazu gaben sie die Mischung in eine Form und ließen sie abkühlen. Dabei setzt sich der überschüssige Zucker am Rand der Flüssigkeit ab und bildet dort eine kristalline Hülle um den flüssigen Milch-Zucker-Kern. „Durch ihre Zuckerkruste haben die Kapseln eine Verpackung, die sich in heißen Flüssigkeiten einfach auflöst“, sagt Doktorandin Martha Wellner. Bisher gibt es vier Prototypen der Kapseln: eine gesüßte und eine leicht gesüßte Variante, beides jeweils mit Milch und mit Kondensmilch. Zurzeit arbeiten Wellner und Arbeitsgruppenleiter Joachim Ulrich an einer Variante ohne Zucker. Außerdem muss noch am Herstellungsprozess gefeilt werden, denn schließlich müssen die Milchkapseln wirtschaftlich mit anderen Verpackungsformen mithalten – vor allem mit den in großer Zahl produzierten kleinen Milchdöschen aus Plastik. JENNIFER LEPIES