MIT Technology Review 12/2017
S. 112
Fundamente
Jubiläum

Licht gestalten

Mit der Holografie hat Dennis Gábor vor 70 Jahren mehr als nur eine Methode begründet, wirklichkeitsgetreue Abbilder von Gegenständen herzustellen. Davon zeugen zahllose Anwendungen in Wissenschaft und Technik.

Dennis Gábor hatte viel Zeit. Nach seiner Einwanderung nach England durfte sich der ungarisch-deutsche Elektroingenieur nicht an der britischen Kriegsforschung beteiligen, da er den Geheimhaltungsbestimmungen nicht genügte. So konnte er ab 1934 nahezu unbehelligt im Forschungslabor des Elektrokonzerns British Thomson-Houston arbeiten. Sein Interesse galt der Elektronenmikroskopie – und dem Tennisspiel.

Dennis Gábor erhielt 1971 den Nobelpreis für die Erfindung der Holografie. Foto: Keystone

Beim Warten auf einen freien Tennisplatz kam ihm die Idee, wie sich ein lästiges Problem der noch jungen Elektronenmikroskopie beheben ließe. Die magnetischen Linsen der Geräte besaßen eine mangelhafte Auflösung, ihre Aufnahmen waren grob und unscharf. Gábor nun fiel ein, wie man völlig ohne Linsen auskommen könnte. Dazu wird ein Lichtstrahl geteilt und sowohl auf das abzubildende Objekt als auch direkt auf eine Bildplatte gelenkt. Durch die Reflexion des Objekts verschieben sich die Wellenberge und -täler der beiden Lichtstrahlen gegeneinander, verstärken einander oder schwächen sich ab. So entsteht ein Interferenzmuster. Beleuchtet man es mit der gleichen Strahlung, mit der es erzeugt wurde, lässt sich das ursprüngliche Objekt gleichsam wieder rekonstruieren.

Am 17. Dezember 1947 ließ er die Idee in London patentieren. Im folgenden Jahr beschrieb der damals 48-Jährige sie in seiner Veröffentlichung „A new microscopic principle“. Damit legte er den Grundstein für ein Verfahren, das er mit einem griechischen Kunstwort „Holografie“ (holos, griech. „das Ganze“) bezeichnete.

Doch bis es den ersten praktischen Nutzen brachte, sollte es noch lange dauern. Um möglichst viele Interferenzen und damit eine präzise dreidimensionale Information zu erhalten, braucht man nämlich Licht gleicher Wellenlänge und Phase. Doch es zu erzeugen war schwer. Gábor experimentierte zunächst mit einer Quecksilberdampflampe. Die Eigenschaften dieses Lichtstrahls waren allerdings unbefriedigend, die Hologramme winzig klein und wenig plastisch.

Typischer Aufbau zur Aufnahme eines Hologramms: Strahlenteiler und Umlenkspiegel richten Laserlicht von zwei Seiten auf ein Motiv. Foto: Dpa Picture - Alliance

1951 kehrte Gábor dieser Forschung enttäuscht den Rücken. Über ein Jahrzehnt blieb seine Idee eine Labor-Kuriosität und brachte auch die Elektronenmikroskopie nicht weiter. Erst 1960 blitzte im Labor der kalifornischen Hughes-Flugzeugwerke zum ersten Mal jene Lichtquelle auf, die das fehlende Puzzlestück für ein brauchbares Hologramm bildete: der Laser. Er erzeugt scharf gebündeltes, energiereiches Licht von konstanter Wellenlänge.

Nun ging es Schlag auf Schlag. 1963 ließ sich das erste gelungene 3D-Foto auf eine Fotoglasplatte bannen. 1967 wurde erstmals ein lebender Mensch mit einem Laser dreidimensional abgelichtet. Ein Jahr später wurde Holografie mit dem sogenannten Regenbogenhologramm industriell nutzbar. Die Herstellung des Folienbilds kostete nur ein paar Pfennig. 1969 wurde ein Weg gefunden, Hologramme auch bei Tageslicht zu betrachten. Nicht jeder hat schließlich einen Laser bei sich.

Als Gábor 1971 mit dem Nobelpreis für Physik geehrt wurde, bejubelte das US-Wirtschaftsmagazin „Fortune“ die Holografie als „die größte Erfindung in der Fotografie seit der Fotografie selbst“.

Seit Mitte der 80er-Jahre dienen Hologramme als Sicherheitsmerkmale auf Kredit- und Scheckkarten, Banknoten und Reisepässen. Mittlerweile nutzen auch Materialprüfer oder Mediziner holografische Verfahren. Forscher in Israel haben zum Beispiel das menschliche Herz als Hologramm dargestellt, um bei einer Operation die Stellen besser sehen zu können, die sonst unsichtbar wären.

Videokonferenz mit einem dreidimensionalen Gegenüber – so stellen sich kanadische Forscher die Zukunft vor. Foto: Human Media Lab

Hologramme lassen sich auch in Kristallen speichern – und können so gigantische Datenspeicher bilden. In dem Volumen einer heutigen DVD könnten auf holografischem Wege theoretisch 10000 Gigabyte konserviert werden – rund 2000-mal mehr als heute.

Seit Kurzem lässt sich die Phasenverschiebung von Objekt- und Referenzstrahl des Lasers auch am Computer berechnen, sodass keine realen Objekte mehr nötig sind. In Pilotprojekten wird bereits am Holografie-TV oder der Echtzeitübertragung von 3D-Bildern im Rahmen der Videotelefonie geforscht. Wissenschaftler der kanadischen Queen’s University haben bereits 2012 eine zwei Meter hohe Säule entwickelt, die Gesprächspartner lebensgroß, live und dreidimensional abbilden kann. Dazu nehmen Kameras im Raum und am oberen Ende des Zylinders die Bewegungen der Gesprächspartner auf und projizieren ihr Bild über Spiegel auf die lichtdurchlässige Oberfläche der Säule. JOSEPH SCHEPPACH