MIT Technology Review 12/2017
S. 12
Aktuell

Interview

„Einfach nur Mobilität ohne Stress“

Wie kamen Sie auf die Idee, die Motivation von Carsharing-Nutzern zu untersuchen?

Bei üblichen Mobilitätsbefragungen gehen Wissenschaftler und Unternehmen davon aus, dass die Menschen über die Wahl ihres Verkehrsmittels nachdenken, abwägen und dann entscheiden. Ich fand das immer ziemlich schräg. Denn wer füllt morgens ein Excel-Sheet aus, damit er sich entscheiden kann, ob er das Auto oder das Rad nimmt? In Befragungen rechtfertigen die Teilnehmer ihr Verhalten, dabei wissen sie selbst meist gar nicht, warum sie es so machen. Aber gerade diesen, nur zum Teil ins Bewusstsein vorgedrungenen Entscheidungsvorgang wollte ich mit meiner Untersuchung aufdecken.

Daniel J. Kurth blickt in seiner Studie anhand des Carsharings hinter die Fassade von Nutzern der Share Economy. Die Untersuchung ist unter dem Titel „Generation Unverbindlich“ als Buch im oekom Verlag erschienen.

In Ihrer Studie bekommen die Carsharing-Nutzer das Label „Generation Unverbindlich“. Worin zeigte sich das?

Es wurden zwei Carsharing-Angebote einbezogen: ein klassisches Modell mit einem vordefinierten monatlichen Mitgliedsbeitrag und ein Modell ohne festen Beitrag, aber mit der Option, Bausteine dazubuchen zu können. Darunter fällt etwa ein günstigerer Stundenpreis bei regelmäßiger Nutzung. Es zeigte sich: Je geringer die Verbindlichkeit, desto eher nutzt der Kunde das Angebot, weil er sich so gar nicht mehr richtig entscheiden muss.

Was motivierte die Nutzer zur Anmeldung?

Hauptgrund war, dass die Nutzer meist eine Alternative zum eigenen Auto gesucht haben und sich nicht binden wollten, sondern einfach mal probieren. Und sie wussten auch selten richtig, was sie eigentlich mit dem Angebot machen wollen. Da wurden auch gern mal höhere Stundenpreise bezahlt, obwohl man mit ein wenig Durchrechnen hätte feststellen können: Wenn ich jeden Monat 100 Kilometer fahre, kann ich beim Kilometerpreis ein paar Euro sparen, wenn ich vorher den entsprechenden Sparbaustein buche.

Nachhaltiges Wirtschaften spielte also keine Rolle?

Als das Carsharing aufkam, waren die ökonomischen Gründe sekundär zu den ökologischen. Dann kamen mehr und mehr die finanziellen Effekte dazu. Heute dreht es sich eher um die Bequemlichkeit. Wer hat schon Lust, sich mit den Reparaturen und dem TÜV rumzuärgern und einen Parkplatz anzumieten? Und dann braucht man das Auto doch selten. All das nervt ja auch. Also wird das Auto zur gefühlten Belastung.

Ist der Gedanke des Teilens und der Nachhaltigkeit nur ein „vorgeschobener“ Grund der Nutzer der Sharing Economy?

Es gibt einige, die Teilen aus Nachhaltigkeit. Das sind vor allem die Urväter und Urmütter des Carsharings. Andere machen es des Geldes wegen. Aber die Generation Y und Z nimmt das Angebot sicher kaum aus diesen Gründen an – auch wenn es natürlich hip ist, so was zu behaupten. Dieser Unterschied zwischen Grund und Begründung war auch ein Ergebnis meiner Studie. Etwa gegenüber Freunden stellt man sich als der schlaue Sparer oder der nachhaltige Umweltfreund dar. Die Realität ist aber, dass man sich vor seiner Entscheidung kaum mit diesen Themen auseinandergesetzt hat. Man wollte einfach nur Auto-Mobilität ohne Stress. Jennifer Lepies

BAUTECHNIK

Wärmender Beton

Durchsichtige Solarzellen heizen Betonwaben auf. Grafik: Ecocell

Eine durchsichtige Wärmedämmung hat das schweizerische Unternehmen Ecocell Technologies bei einer Fertighaussiedlung in Uttwil am Bodensee installiert. Dünne Solarpaneele auf Siliziumbasis an Dach und Fassaden lassen ein Fünftel des Sonnenlichts durch. Dieses Licht trifft auf eine eigens entwickelte Wabenstruktur aus Beton, die zehnmal leichter ist als massiver Beton und dennoch Belastungen von bis zu 240 Tonnen pro Quadratmeter standhält. Das durchdringende Sonnenlicht wärmt die Luft in den einige Zentimeter großen Hohlräumen der Waben auf. So lässt sich die Energie der Sonne sowohl in Strom als auch in Wärme verwandeln. Die Leistung der Solarpaneele soll zur Eigenversorgung eines Vier-Personen-Haushalts ausreichen. Wie groß der Heizbedarf tatsächlich ausfällt, wird der kommende Winter zeigen. JAN OLIVER LÖFKEN