Technology Review Special 2017
S. 60
Architektur

NACHRUF

Albert Speer: Der Mann fürs Große

Albert Speer, einer der großen Neudenker der Urbanität, hatte zeitlebens eine schwere Last zu tragen: Sein gleichnamiger Vater war Hitler-Vertrauter, Reichsrüstungsminister und Mitplaner des Holocausts gewesen. Doch erdrücken ließ sich der Sohn davon nicht: Sein Stottern, das begann, als sein Vater im Jahr 1946 ins Gefängnis kam, machte ihn später nicht nur hartnäckiger, sondern auch geduldiger. Zugleich war es der Grund dafür, dass er früh die Schule schmiss und zunächst Schreiner wurde.

Albert Speer vor der Skyline seiner Wahlheimat Frankfurt am Main. Foto: Rui Camilo/ Laif

Nach Lehre und Abendabitur studierte Speer ab 1955 schließlich doch in München Architektur und machte sich dann 1964 in Frankfurt am Main mit dem ersten Stadtplanungsbüro Deutschlands selbstständig. Das allein war eine wichtige Absetzbewegung von seinem Vater, dem es im Gegensatz zum Sohn nie um lebendige, ökologische, an Bewohnern und Tradition orientierte Städte gegangen war.

Seine ersten städtebaulichen Wettbewerbe bestritt Speer noch anonym. Aber selbst als er sein Planungsgenie nicht mehr zu verstecken brauchte, blieb er weiter zurückhaltend. „Wir machen Vorschläge“, sagte er einmal. „Aber wir haben nicht viel zu sagen.“

Auch wenn Speers erster Auslandsauftrag ihn bereits im Jahr 1968 nach Libyen führte, profitierte über die Jahre vor allem seine Wahlheimat Frankfurt von seinen Ideen, zum Beispiel für das Europaviertel, den Baseler Platz oder das Museumsufer. Aber auch andere deutsche Städte hat Speer geprägt, etwa Berlin mit seinem Gleisdreieck, die Kölner Innenstadt und Hannover mit der Expo 2000.

Um große Projekte auf internationalem Parkett übernehmen zu können, hatte sich Speer 1984 mit Kollegen zum Planungsbüro „Albert Speer und Partner“ zusammengetan, in dem heute an die 200 Architekten, Stadtplaner, Landschaftsarchitekten, Verkehrsingenieure, Geografen, Innenarchitekten und Projektmanager Vorhaben in aller Welt realisieren, unter anderem in Saudi-Arabien, China, Russland und Nigeria.

In Katar haben Speer und das Team von AS+P die Stadionpläne für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 entworfen. Hier ging es ihm darum, in einem Land mit extremen Klimabedingungen nachhaltig und mit regenerativen Energien zu arbeiten. Auf die unsäglichen Arbeitsbedingungen hatte er nach eigenem Bekunden keinen Einfluss, weil Bauleitung und -ausführung nicht mehr in den Händen seines Büros liegen.

Speers Engagement in autokratischen Ländern wurde oft kritisiert. Er selbst sah darin aber seinen Beitrag zur wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, der zu einem langsamen Wandel in Richtung Demokratie führen sollte. „Wir helfen, das Umfeld von Menschen zu verbessern. Politik machen wir nicht“, sagte er dazu. Mitte September 2017 starb Speer an den Folgen eines Sturzes in seiner Frankfurter Wohnung. Hanns-J. Neubert