Technology Review Special 2017
S. 20
Energie

NACHRUF

Solarworld: Der Pyrrhussieg von Deutschlands Vorzeige-Solarunternehmen

In den Neunzigern verdiente Frank Asbeck sein Geld unter anderem noch mit gepanzerten Limousinen für den Balkan. 1995 wechselte er radikal den Kurs und baute die damals größte private Photovoltaik-Anlage in Deutschland. „An der Photovoltaik hat mich immer fasziniert, dass man das auch großtechnisch machen kann“, sagte er. „Damals waren PV-Anlagen immer ein Kilowatt-Peak groß oder auch mal zwei. Und ich habe gedacht: 500 Kilowatt-Peak an einem Ort, da kommt man von dieser Belächelungsgrenze weg.“ Der Gebrauchthandel war passé, die Sonne lachte. Asbeck gründete die Solarworld AG. Der Börsengang im Jahr 1999 brachte das Kapital zusammen, um den Waferproduzenten Bayer Solar für rund 50 Millionen Euro zu übernehmen. Damit beherrschte Asbeck 25 Prozent des damaligen Weltmarktes.

Langweilig wurde es nie. 2009 wollte General Electric das Unternehmen kaufen und bot angeblich das Doppelte des Börsenwertes. Asbeck lehnte ab. Ein Jahr vorher wollte er selbst Opel übernehmen und das kränkelnde Unternehmen zum ersten „grünen Autohersteller“ der Welt machen, scheiterte aber an Opel-Mutter General Motors.

Die chinesischen Solarunternehmen konzentrierten sich währenddessen rigoros auf die Optimierung der Produktion. Dadurch hatten sie damals bei der Kostenreduktion bereits einen Vorsprung von rund drei Jahren. Ein Schlüssel dazu war neuestes Equipment, vor allem von europäischen Herstellern. Mehr als 70 Prozent der technologisch führenden deutschen Produktionsanlagen für die Solarindustrie gingen 2010 nach China.

Foto: Ulrich Baumgarten/ Getty Images

Asbeck hat das mutmaßlich unterschätzt. Auf einer Konferenz im Herbst 2012 fiel ihm dazu nur der Spruch ein: „Sieben Chinesen schaffen so viel wie ein Sachse.“ Die rund 800 Zuhörer johlten. Aber mindestens die Hälfte von ihnen hat wohl mittlerweile den Job in der Solarindustrie verloren. Der Kampf um die solare Volumenproduktion ist entschieden. Der deutschen Solarwirtschaft bleiben hochwertige Dienstleistungen.

Um sich gegen die Übermacht zu stemmen, wurde Asbeck ab 2010 zum prominentesten Kämpfer gegen angebliche oder tatsächliche chinesische Staatssubventionen. Auf dem Höhepunkt des Photovoltaik-Booms Anfang 2012 sagte er: „Das Wachstum chinesischer Wettbewerber ist auch das Ergebnis der milliardenschweren staatlichen Exportunterstützung, mit der chinesische Unternehmen ihre Produkte auf dem Weltmarkt zu Dumpingpreisen anbieten können.“ Damit gab Asbeck auch die Meinung vieler seiner Branchenkollegen wieder.

Zum Staunen der Fachwelt gewann Asbeck den Kampf sogar: Die EU und die USA erhoben saftige Strafzölle für Solartechnik aus China. Doch es war ein Pyrrhussieg. Produkte, die durch Zölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt werden, verlieren den Anschluss an den Weltmarkt. Das Ende von Solarworld konnte er höchstens hinauszögern, nicht aber verhindern. Am 10. Mai 2017 musste es Insolvenz anmelden. JÖRN IKEN