MIT Technology Review 2/2017
S. 76
Fokus
Sicherheit

Phantombild aus dem Röhrchen

Eine neue Methode der DNA-Analyse erlaubt Rückschlüsse auf Alter und Aussehen von Personen – noch ist das Verfahren jedoch zu unzuverlässig und zu teuer.

Haar-, Haut- und Augenfarbe, Körpergröße oder Alter aus einer DNA-Spur auszulesen, könnte die Aufklärung vieler Straftaten stark erleichtern. Da sind sich die Polizeivertreter einig. Doch die Strafprozessordnung untersagt die Bestimmung von Körpermerkmalen aus dem Erbgut ausdrücklich. Und mit dem heute standardmäßig eingesetzten Verfahren ist das auch gar nicht möglich. Der genetische Fingerabdruck wird nämlich aus nicht-codierender DNA erstellt, also aus Teilen des Erbguts, die keine Informationen über Körpermerkmale enthalten. Die Polizei hofft deshalb nicht nur auf eine baldige Gesetzesänderung, sondern testet längst auch eine neue DNA-Analysemethode: das Next Generation Sequencing (NGS). Es liest auch die codierenden Erbgutabschnitte aus und ermöglicht so Aussagen über das Aussehen und das Alter von Personen. Künftig könnte ein Phantombild also aus der Genanalyse entstehen.

DNA-Proben werden häufig mit einem Wattestäbchen aufgenommen. Foto: Henrik Dolle/ Fotolia

„Die Technik bietet zweifelsohne faszinierende Möglichkeiten“, sagt Carsten Hohoff vom Institut für forensische Genetik in Münster. „Aber bei NGS müssen noch viele offene Fragen beantwortet werden.“ Die wichtigste: Hilft es wirklich, wenn die Ermittler wissen, dass ein gesuchter Täter eine 80-prozentige Wahrscheinlichkeit auf blonde Haare und blaue Augen hat? Andreas Fesefeldt, Dezernatsleiter für DNA-Analysen im Kieler Landeskriminalamt, ist sich dieses Problems bewusst: „Das ist ein Fahndungsansatz, der wegen der Wahrscheinlichkeiten natürlich mit Umsicht behandelt werden muss.“ Dennoch hält er ihn für sinnvoll. Denn die Unsicherheit gelte ebenso für Aussagen von Augenzeugen.