MIT Technology Review 2/2017
S. 68
TR Mondo

China

Bahn statt Flugzeug

Viele Wege führen nach Teheran. Welche Route genutzt wird, entscheidet die jeweilige Nachfrage. Quelle: Trans-Eurasia Logistics GmbH

Die zentralchinesische Stadt Chongqing ist mit knapp 29 Millionen Einwohnern nicht nur die größte der Erde, sondern auch Ausgangspunkt einer der weltweit längsten Güterbahnstrecken. Vier bis sechs Züge mit je 1600 Tonnen Fracht starten von hier aus wöchentlich Richtung Europa. Zweimal müssen die Container wegen unterschiedlicher Spurbreiten umgehoben werden. Nach 14 Tagen und 10000 Kilometern kommen sie in Deutschland an. Rund 40000 Container beförderte die Bahn 2016 – 5000 mehr als im Vorjahr.

„Nun wollen wir schauen, welche Märkte man noch miteinander verbinden kann“, sagt Andre Hempel, Geschäftsführer der Trans Eurasia Logistics GmbH (TEL), ein Joint Venture der Deutschen Bahn mit deutschen und russischen Partnern, das die Verbindung betreibt. „Das nächste Projekt ist eine Verbindung in den Iran.“ Die Route über Kaukasien stehe, die Partner seien bereit, die Gespräche mit Kunden Ende 2016 gestartet. „Bleibt die politische Lage stabil“, sagt Hempel, „können die Züge im ersten Halbjahr 2017 fahren.“

Von Teheran aus lässt sich etwa ein Dreiecksverkehr mit China aufbauen. Kombiniert man Schienen- und Seeweg, lassen sich auch Indien, Japan, Südkorea oder gar die Westküste der USA anbinden. Und auf europäischer Seite können die Züge etwa bis nach Spanien weiterrollen. So entsteht aus der ursprünglichen Punkt-zu-Punkt-Verbindung ein transkontinentales Netz.

Drei Viertel der Kundschaft kommen vom Flugzeug. Die Bahn ist laut TEL 80 bis 90 Prozent günstiger und verursacht 92 Prozent weniger CO2 als ein Frachtflieger. Verglichen mit einem Containerschiff ist der Zug auf der Strecke von China nach Deutschland zwar 60 bis 70 Prozent teurer, aber dafür auch mindestens doppelt so schnell. Gerade bei hochwertigen Produkten bleibt das Kapital auf diese Weise nicht so lange gebunden.

Die TEL beauftragt örtliche Bahnunternehmen mit dem Transport durch die jeweiligen Länder und übernimmt das Risiko für die Auslastung der Züge. Von Ost nach West ist das kaum ein Problem. „Die große Kunst ist die Auslastung in beiden Richtungen“, sagt Hempel. Dazu habe man unter anderem gezielt Kunden aus verschiedenen Industriezweigen rund um Duisburg und in den Beneluxländern angesprochen. „Außerdem waren wir 2014 die Ersten, die komplette Autos in Containern per Bahn nach China gebracht haben“, sagt Hempel. „Wir mussten unter anderem lernen, wie man die Wagen richtig angurtet. Um die Kräfte zu messen, haben wir GPS-Module und Sensoren eingebaut.“ Heute sind die Züge Richtung China laut Hempel zu 80 bis 90 Prozent voll.

China unterstützt das Projekt durch den Bau der Infrastruktur. Die Strecke nach Duisburg ist der am weitesten fortgeschrittene von fünf Korridoren, die China mit insgesamt 1,1 Billionen Dollar ausbauen will, um das eigene Hinterland besser anzubinden. Chongqing etwa ist mehr als tausend Kilometer vom nächsten Hafen entfernt. Allein für diese Etappe wäre ein Güterzug schon drei Tage unterwegs.

GREGOR HONSEL